Gewürztraminer “Epokale” – tief im Berg gereift

Mitarbeiter des Weinguts im Stollen
Willi Sturz und Wolfgang Klotz im Bergwerk © Antie Braito
Warum lässt man einen Wein mehrere Jahre im höchsten Bergwerksstollen Europas liegen? Der Weinkenner ist dieser Frage nachgegangen und hat den "Bergwerkswein" probiert.

Die Kel­le­rei Tra­min läßt ihren Top-Wein in einem still geleg­ten Berg­stol­len reifen.

Das Ergeb­nis ist frap­pie­rend: Welt­klas­se aus Südtirol

Der Gewürz­tra­mi­ner „Nuß­bau­mer“ ist das Aus­hän­ge­schild der Kel­le­rei Tra­min. Wer Gewürz­tra­mi­ner mag und die tro­cke­ne Süd­ti­ro­ler Ver­si­on der (meist) süßen Elsäs­ser vor­zieht, kommt um die­sen Wein nicht herum.

Einfahrt zum Stollen
Ein­fahrt zum Stol­len © Antie Braito

Nun haben die Tra­mi­ner auf den „Nuß­bau­mer“ noch einen drauf gesetzt: eine Aus­le­se von den ältes­ten, 30 Jah­re alten Stö­cken, die ober­halb von Söll – einem Orts­teil von Tra­min – auf 500 Meter Höhe wach­sen. Der Wein heißt „Epo­ka­le“, und das Beson­de­re an ihm ist, daß die Fla­schen, bevor sie in den Ver­kauf kom­men, 7 Jah­re tief im Berg gela­gert wer­den, um bes­ser zu rei­fen. Kon­kret: in einem still geleg­ten Berg­werks­stol­len an der süd­li­chen Flan­ke des Alpen­haupt­kamms. „Wir woll­ten wis­sen, ob sich der Wein bei kon­stant nied­ri­ger Tem­pe­ra­tur in völ­li­ger Dun­kel­heit bes­ser ent­wi­ckelt als im Kel­ler unse­res Wein­guts in Tra­min“, begrün­det Wil­li Stürz, der Kel­ler­meis­ter der Tra­mi­ner Genos­sen, die Maßnahme.

Dunkel, still, kühl, feucht: das ideale Klima für Wein?

Der Stol­len befin­det sich auf 2000 Meter Höhe am Schnee­berg. Man erreicht ihn mit dem Auto in 25 Minu­ten von Ster­zing aus. Statt die Autostra­da A 22 zum Bren­ner hin­auf zu fah­ren, geht es west­lich ins Rid­naun­tal bis zum Berg­bau­mu­se­um. Von dort führt eine schma­le, unbe­fes­tig­te Stras­se hin­auf zum Ein­gang des Posch­haus­stol­lens. Ohne Schnee­räum­fahr­zeu­ge und Ket­ten ist er nur weni­ge Mona­te lang im Som­mer erreichbar.

Mitarbeiter im Stollen
Mit­ar­bei­ter im Stol­len © Antie Braito

Bis 1985 wur­den im Posch­haus­stol­len Zink und Blei abge­baut, im vor­letz­ten Jahr­hun­dert auch Sil­ber. Um zu den Fla­schen vor­zu­sto­ßen, muß man mit einer bat­te­rie­be­trie­be­nen, rum­pe­li­gen Schmal­spur­bahn knapp vier Kilo­me­ter in den Stol­len ein­fah­ren, dann ein paar hun­dert Meter durch knö­chel­tie­fes Was­ser in einen Sei­ten­stol­len waten, um das Fla­schen­de­pot zu errei­chen. Die Fla­schen ruhen, säu­ber­lich geschich­tet, in Draht­con­tai­nern hin­ter einem eiser­nen Git­ter. Kein Licht­strahl erreicht den Lager­platz. Es ist kom­plett dun­kel. Um etwas zu sehen, braucht man eine Stirn­lam­pe. Außer­dem ist es toten­still im Stol­len. Die Tem­pe­ra­tur liegt som­mers wie win­ters bei kon­stan­ten 11°C. Doch weil die Luft­feuch­tig­keit 90 Pro­zent beträgt, fühlt sie sich an, als läge sie nur weni­ge Grad über dem Gefrier­punkt. Schnei­dend kalt ist es.

Der Unterschied zu herkömmlicher Lagerung ist frappierend

Der Jahr­gang 2009 des “Epo­ka­le” war der ers­te, der dort ein­ge­la­gert wur­de. Erst nach sie­ben Jah­ren wur­de er wie­der ans Licht beför­dert: ein Wein von sym­pho­ni­scher Fül­le – nicht laut, aber viel­stim­mig. Er zeigt Noten von Ing­wer, Min­ze, Man­go, Kräu­ter­wür­ze, ist viel fri­scher und in der Ent­wick­lung deut­lich wei­ter zurück als sein Gegen­stück, das im Kel­ler in Tra­min gereift ist. Dort hat Stürz ein paar Ver­gleichs­fla­schen ein­ge­la­gert. Der „Epo­ka­le“ von dort ten­diert farb­lich schon ins Gold­gel­be, ist wesent­lich cre­mi­ger und erin­nert, obwohl es sich um die glei­che Fül­lung han­delt, mehr an Wald­ho­nig und rei­fe Bana­ne. Ob der Stol­len­wein, wenn er aus dem Berg geholt wird, die glei­che Ent­wick­lung nimmt, kann nie­mand vor­her­sa­gen. Aber der Unter­schied jetzt ist frappierend.

Weingut mit Blick auf die Kirche
Wein­gut Kel­le­rei Can­ti­na Tramin

Ob neben der Tem­pe­ra­tur, der Luft­feuch­tig­keit und der Dun­kel­heit noch ande­re Fak­to­ren eine Rol­le bei der Lage­rung spie­len, wis­sen auch Stürz und sei­ne Mit­ar­bei­ter nicht. Der Luft­druck, even­tu­ell auch die radio­ak­ti­ve Strah­lung des Gesteins könn­ten theo­re­tisch den Rei­fe­pro­zess beein­flus­sen. Bewei­se dafür gibt es nicht. Klar ist nur, dass der “Epo­ka­le” eine Fines­se wie kein zwei­ter Gewürz­tra­mi­ner der Welt besitzt.

Zu Graukäs-Ravioli ein Genuß

Der 2009er “Epo­ka­le” gehört mit 107 Gramm Rest­zu­cker in die Kate­go­rie der Bee­ren­aus­le­sen, die eigent­lich nur zu gereif­tem, wür­zi­gen Käse getrun­ken wer­den kön­nen. Der 2010er ist mit 50 Gramm Rest­zu­cker deut­lich tro­cke­ner. In Karl Mairs „Pretz­hof“ im Pfitsch­tal bei Ster­zing tran­ken wir ihn zu Graukäse-Raviolis und Gams-Gulasch mit Preis­sel­bee­ren. Passt gut. Eine Stopf­le­ber braucht jeden­falls nie­mand zu die­sem Wein (abge­se­hen davon, dass es die­se in Süd­ti­rol als hei­mi­sches Pro­dukt nicht gibt).

Epokale vor dem Stolleneingang
Epo­ka­le vor dem Stol­len­ein­gang © Antie Braito

Wo muss der “Epo­ka­le” ein­ge­ord­net wer­den?  Ich habe ihn neben ande­re berühm­te Gewürz­tra­mi­ner gestellt und blind ver­kos­tet. Der 2009er Gewürz­tra­mi­ner „Clos des Capu­cins“ der Domaine Wein­bach aus dem Elsass hat­te kei­ne Chan­ce gegen ihn. Der 2009er „Clos Winds­bühl“ von Zind-Humbrecht wirkt gegen ihn sehr reif und fast ein biss­chen behä­big. Und die 2006er Vend­an­ge Tar­di­ve „Hengst“ von Zind- Hum­brecht (mit 75 Gramm Rest­zu­cker) ist im Ver­gleich zum 2009er „Epo­ka­le“ ein­fach nur alt.

Wegen der gerin­gen Men­ge (1200 bzw. 2400 Fla­schen) fin­det man die 2009er und 2010er, wenn über­haupt, nur in der geho­be­nen Gas­tro­no­mie. Im Fach­han­del wird erst der 2011er “Epo­ka­le” frei erhält­lich sein, der im Herbst auf den Markt kommt.

 

Für die Zwischenzeit:


… das Aus­hän­ge­schild der Kel­le­rei Tramin.

Gewürz­tra­mi­ner „Nuß­bau­mer“ | Kel­le­rei Can­ti­na Tramin
Preis: 21,90 Euro
Bezug:  www.vineshop24.de


Noch mehr Eindrücke gibt es in folgendem Video:

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