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Gewürztraminer “Epokale” – tief im Berg gereift

Die Kellerei Tramin läßt ihren Top-Wein in einem still gelegten Bergstollen reifen.

Das Ergebnis ist frappierend: Weltklasse aus Südtirol

Der Gewürztraminer „Nußbaumer“ ist das Aushängeschild der Kellerei Tramin. Wer Gewürztraminer mag und die trockene Südtiroler Version der (meist) süßen Elsässer vorzieht, kommt um diesen Wein nicht herum.

Einfahrt zum Stollen
Einfahrt zum Stollen © Antie Braito

Nun haben die Traminer auf den „Nußbaumer“ noch einen drauf gesetzt: eine Auslese von den ältesten, 30 Jahre alten Stöcken, die oberhalb von Söll – einem Ortsteil von Tramin – auf 500 Meter Höhe wachsen. Der Wein heißt „Epokale“, und das Besondere an ihm ist, daß die Flaschen, bevor sie in den Verkauf kommen, 7 Jahre tief im Berg gelagert werden, um besser zu reifen. Konkret: in einem still gelegten Bergwerksstollen an der südlichen Flanke des Alpenhauptkamms. „Wir wollten wissen, ob sich der Wein bei konstant niedriger Temperatur in völliger Dunkelheit besser entwickelt als im Keller unseres Weinguts in Tramin“, begründet Willi Stürz, der Kellermeister der Traminer Genossen, die Maßnahme.

Dunkel, still, kühl, feucht: das ideale Klima für Wein?

Der Stollen befindet sich auf 2000 Meter Höhe am Schneeberg. Man erreicht ihn mit dem Auto in 25 Minuten von Sterzing aus. Statt die Autostrada A 22 zum Brenner hinauf zu fahren, geht es westlich ins Ridnauntal bis zum Bergbaumuseum. Von dort führt eine schmale, unbefestigte Strasse hinauf zum Eingang des Poschhausstollens. Ohne Schneeräumfahrzeuge und Ketten ist er nur wenige Monate lang im Sommer erreichbar.

Mitarbeiter im Stollen
Mitarbeiter im Stollen © Antie Braito

Bis 1985 wurden im Poschhausstollen Zink und Blei abgebaut, im vorletzten Jahrhundert auch Silber. Um zu den Flaschen vorzustoßen, muß man mit einer batteriebetriebenen, rumpeligen Schmalspurbahn knapp vier Kilometer in den Stollen einfahren, dann ein paar hundert Meter durch knöcheltiefes Wasser in einen Seitenstollen waten, um das Flaschendepot zu erreichen. Die Flaschen ruhen, säuberlich geschichtet, in Drahtcontainern hinter einem eisernen Gitter. Kein Lichtstrahl erreicht den Lagerplatz. Es ist komplett dunkel. Um etwas zu sehen, braucht man eine Stirnlampe. Außerdem ist es totenstill im Stollen. Die Temperatur liegt sommers wie winters bei konstanten 11°C. Doch weil die Luftfeuchtigkeit 90 Prozent beträgt, fühlt sie sich an, als läge sie nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Schneidend kalt ist es.

Der Unterschied zu herkömmlicher Lagerung ist frappierend

Der Jahrgang 2009 des “Epokale” war der erste, der dort eingelagert wurde. Erst nach sieben Jahren wurde er wieder ans Licht befördert: ein Wein von symphonischer Fülle – nicht laut, aber vielstimmig. Er zeigt Noten von Ingwer, Minze, Mango, Kräuterwürze, ist viel frischer und in der Entwicklung deutlich weiter zurück als sein Gegenstück, das im Keller in Tramin gereift ist. Dort hat Stürz ein paar Vergleichsflaschen eingelagert. Der „Epokale“ von dort tendiert farblich schon ins Goldgelbe, ist wesentlich cremiger und erinnert, obwohl es sich um die gleiche Füllung handelt, mehr an Waldhonig und reife Banane. Ob der Stollenwein, wenn er aus dem Berg geholt wird, die gleiche Entwicklung nimmt, kann niemand vorhersagen. Aber der Unterschied jetzt ist frappierend.

Weingut mit Blick auf die Kirche
Weingut Kellerei Cantina Tramin

Ob neben der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Dunkelheit noch andere Faktoren eine Rolle bei der Lagerung spielen, wissen auch Stürz und seine Mitarbeiter nicht. Der Luftdruck, eventuell auch die radioaktive Strahlung des Gesteins könnten theoretisch den Reifeprozess beeinflussen. Beweise dafür gibt es nicht. Klar ist nur, dass der “Epokale” eine Finesse wie kein zweiter Gewürztraminer der Welt besitzt.

Zu Graukäs-Ravioli ein Genuß

Der 2009er “Epokale” gehört mit 107 Gramm Restzucker in die Kategorie der Beerenauslesen, die eigentlich nur zu gereiftem, würzigen Käse getrunken werden können. Der 2010er ist mit 50 Gramm Restzucker deutlich trockener. In Karl Mairs „Pretzhof“ im Pfitschtal bei Sterzing tranken wir ihn zu Graukäse-Raviolis und Gams-Gulasch mit Preisselbeeren. Passt gut. Eine Stopfleber braucht jedenfalls niemand zu diesem Wein (abgesehen davon, dass es diese in Südtirol als heimisches Produkt nicht gibt).

Epokale vor dem Stolleneingang
Epokale vor dem Stolleneingang © Antie Braito

Wo muss der “Epokale” eingeordnet werden?  Ich habe ihn neben andere berühmte Gewürztraminer gestellt und blind verkostet. Der 2009er Gewürztraminer „Clos des Capucins“ der Domaine Weinbach aus dem Elsass hatte keine Chance gegen ihn. Der 2009er „Clos Windsbühl“ von Zind-Humbrecht wirkt gegen ihn sehr reif und fast ein bisschen behäbig. Und die 2006er Vendange Tardive „Hengst“ von Zind- Humbrecht (mit 75 Gramm Restzucker) ist im Vergleich zum 2009er „Epokale“ einfach nur alt.

Wegen der geringen Menge (1200 bzw. 2400 Flaschen) findet man die 2009er und 2010er, wenn überhaupt, nur in der gehobenen Gastronomie. Im Fachhandel wird erst der 2011er “Epokale” frei erhältlich sein, der im Herbst auf den Markt kommt.

 

Für die Zwischenzeit:


… das Aushängeschild der Kellerei Tramin.

Gewürztraminer „Nuß­bau­mer“ | Kellerei Cantina Tramin
Preis: 21,90 Euro
Bezug:  www.vineshop24.de


Noch mehr Eindrücke gibt es in folgendem Video:

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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