Chemisch betrachtet, ist Wein eine Mischung von Wasser, Alkohol, verschiedenen Säuren und ihren Ne- benprodukten. Diese Grundsubstanzen können unzählige Verbindungen miteinander eingehen. Das reicht, um dem Wein ein kostbares Aroma zu geben. »Wein zu verkosten ist die Grundlage, um Wein zu genießen«, hat Emile Peynaud, Professor für Önologie an der Universität Bordeaux, einmal geschrieben.
Duftsensationen
Duft und Geschmack sind die wichtigsten organoleptischen Eigenschaften des Weins. Für den Duft sind Aldehyde, Ester und Ketone verantwortlich. Doch nur ein kleiner Teil dieser Riechsubstanzen riecht wirklich: die flüchtigen nämlich. Rund 800 solcher Verbindungen sind wissenschaftlich nachgewiesen und lassen sich chemisch exakt identifizieren. Methoxy-2-isobutyl-3-pyrazin ist zum Beispiel ein Molekül, das in den Chinon-Weinen von der Loire (Cabernet Franc) oft vorkommt und ihnen die ebenso kräftige wie charakteristische Note von Pfeffer gibt. Die Geruchsempfindung »Pfeffer« ist jedoch nur eine gedankliche Assoziation. Das entsprechende Molekül ist nicht in jedem Pfeffer nachweisbar. Das Pflaumenaroma, an dem Kenner blind einen reifen Burgunderwein erkennen können, ist in einer echten Pflaumenfrucht gar nicht vorhanden. Genauer gesagt: Das der Pflaumen-Assoziation im Wein zugrunde liegende Molekül existiert in der Frucht nicht.
Geschmacksvielfalt
Umgekehrt gilt: Viele Aromenverbindungen sind analytisch im Wein nachweisbar, aber mit den Sinnesorganen nicht wahrnehmbar. Ihre Konzentration ist so gering, dass sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen. Das gilt besonders für den Duft, obwohl die Riechschleimhaut ein sensibleres Organ ist als die Zunge. Das meiste, was der Mensch schmeckt, riecht er in Wirklichkeit. Der Geschmack des Weins reduziert sich auf wenige Grundsubstanzen. Das heißt: Der Geschmack hängt am Alkohol und an den Säuren, die der Wein aufweist. Sie sind dafür verantwortlich, ob ein Wein süß oder bitter, sauer oder salzig schmeckt.
Riechen und Schmecken
Zudem sind die Sinnesorgane der Menschen unterschiedlich geschärft. Der eine registriert Düfte, die der andere gar nicht wahrnimmt. Wein zu genießen bedeutet deshalb, sich auf den Wein zu konzentrieren. Das heißt nicht, sich bei jedem Schluck meditativ in den Wein zu versenken. Die Wahrnehmung des Duftes wird zum Beispiel dadurch erleichtert, dass man den Wein im Glas kurz kreisen lässt und dann hineinriecht. Der zusätzliche Luftkontakt verstärkt den Duft. Doch Vorsicht: Beim Kreisenlassen schwappt der Wein leicht über. Wer unsicher ist, sollte das Glas nicht freihändig, sondern auf dem Tisch stehend kreisen lassen.
Der Geschmack des Weins wird durch »Wiegen« und »Kauen« auf der Zunge intensiviert. Dabei umspült der Wein die Papillen der Zunge und stimuliert sie. Das geräuschvolle Einsaugen von Luft mag bei der Verkostung von Wein notwendig sein, in Gesellschaft hingegen ist ostentatives Schlürfen von Wein unangebracht.
Betrachten des Weins:
Weißweine müssen immer vollkommen klar und transparent sein. Rotweine sollten außer einem eventuellen Depot keinen Trub aufweisen.
Schlieren am Glasrand:
Viele »Tränen« oder »Kirchenfenster« am Glasrand bedeuten, dass es sich um einen vollmundigen, alkoholreichen Wein handelt.
Die Geruchsprobe:
Sie sagt mehr über die Weinqualität aus als die Geschmacksprobe. Alle Fehler, aber auch die geschmacklichen Eigenarten des Weins, teilen sich im Duft mit.
Die Attacke:
Die erste Berührung des Weins mit der Zunge heißt »Attacke«. Dabei wird vor allem die Fruchtsüße wahrgenommen und als angenehm oder unangenehm empfunden.
Das »Kauen« des Weins:
Beim Kauen zeigt sich, ob ein Wein schon »hinter den Zähnen aufhört« oder mehr bietet – komplexere Aromen, feinere Tannine, größere Tiefe.
Das »Finale«:
Nach dem Schlucken erst zeigt sich, ob und wie lange ein Wein nachklingt. Fachleute sprechen von einem kurzen oder langen Abgang.