Gambero Rosso 2016: die 3-Gläser-Weine der Toskana

Artikelbild Gambero Rosso 2016

Insgesamt 79 mal haben die Inspektoren des Gambero Rosso in diesem Jahr die höchste Wertung vergeben für Weine, die, wie es heißt, „Spitzenweine in ihrer Kategorie“ sind. Das ist relativ viel, mehr als jemals zuvor. Sicher hat das mit dem großen Jahrang 2010 zu tun und der Tatsache, dass die Brunello di Montalcino dieses Jahrgangs jetzt auf den Markt gekommen sind. Sie allein stellen fast ein Viertel der prämierten Weine (die meisten sind in Deutschland übrigens längst ausverkauft, auch die Nicht-3-Gläser-Weine). Auch 2012 und 2013 waren sehr gute Jahrgänge für Rotwein, während 2011 eher schwächer ausfiel. Doch laut Gambero Rosso seien auch in diesem Jahr überraschend gute Weine erzeugt worden.

Na ja. Als Spitzenweine habe ich die 2011er Chianti Classico Gran Selezione von Lilliano und San Felice nicht empfunden, schon gar nicht die von Rocca delle Macìe oder Castello d’Albola. Letzteres Weingut gehört zum Imperium der Familie Zonin, des größten Weinbergsbesitzers Italiens. Dessen Weine sind immer gut, aber nie Spitze (Berater ist übrigens Denis Dubourdieu aus Bordeaux). Ich habe die Gran Selezione von Castello d’Albola kürzlich in einer Weinprobe gehabt. Sie war ohne Fehl und Tadel. Aber manch einfacher Chianti Classico hatte mehr individuellen Ausdruck, zeigte mehr Profil.

Siegerweine in Blindverkostungen gekürt

Das gilt noch mehr für die Gran Selezione von Rocca delle Macìe. Kein anderer Wein dieser Kategorie wird in solchen Mengen produziert wie sie. Unter „Selezione“ verstehe ich etwas anderes. Aber Sergio Zingarelli, der Inhaber des Weinguts, ist Präsident des Konsortiums Chianti Classico. Über ihn laufen viele geschäftliche Verbindungen zum Gambero Rosso.

Angeblich werden die Siegerweine in Blindverkostungen gekürt, erst in der Region, dann in Rom in der Endausscheidung, wo wieder andere Verkoster am Werk sind. Schwer vorstellbar, dass sich diese Weine zweimal gegen die wirklich großen 2011er Gran Selezione wie Castello di Amas „San Lorenzo“, Fontodis „Vigna del Sorbo“, Fonterutolis „Castello di Fonterutoli“ oder Felsinas „Colonia“ haben durchsetzen können. Zumal die Kommissionen sich bei anderen Chianti Classico als sehr treffsicher erwiesen haben. Die Weine von Poggerino, Badia a Coltibuono, Volpaia, Brancaia, Castell’in Villa und Le Cincole verdienen ihre Auszeichnung absolut.

Interessant übrigens, dass kein Tignanello, ja überhaupt kein Antinori-Rotwein unter den Prämierten ist. Auffällig ist auch die Auswahl der Spitzenweine in Bolgheri und Umgebung. Einen Wein wie den von Guado al Melo hätte man nicht in der Siegerliste erwartet. Weine wie Lodovico Antinoris Biserno oder Gajas Ca’Marcanda, die vieles, was dort erzeugt wird, haushoch überragen, sind nicht vertreten. Auch ist nicht unbedingt nachvollziehbar, weshalb ein stilistisch vielleicht umstrittener, aber unzweifelhaft großer Wein wie der Monteverro aus der Maremma leer ausgeht, während ein vergleichsweise bescheidener Morellino di Scansano von Terenzi aufs Treppchen gelangt. Ein Spiegel der real vorhandenen Qualitäten ist der Gambero Rosso wahrlich nicht.

Weinlese in der Toskana

Schließlich der Brunello di Montalcino. Mit 18 Weinen trägt die 3-Gläser-Liste des Gambero Rosso der Bedeutung des Jahrgangs 2010 gebührend Rechnung. Aber die Qualitäts-Unterschiede zwischen den prämierten Brunello sind enorm. Da stehen vergleichsweise brave Weine wie die von Fattoi, Caprili, Potazzine, Collelceto neben wahrhaft großen Brunello wie denen von Uccelliera, Poggio di Sotto und Siro Pacenti.

Die Brunello von Cerbaiona, der bei Antonio Galloni, dem derzeit wohl kompetentesten Kritiker italienischer Weine weltweit, 100 Punkte bekommen hat, ist bei den kritischen Zungen des Gambero Rosso schlicht durchgefallen.

Die 97-Punkte-Brunello von Salvioni und Pian dell’Orino gingen ebenfalls leer aus. Ciacci Piccolominis „Vigna di Pianrosso“ und der Brunello von Il Poggione (jeweils 97 Punkte bei Parker) vermisst man ebenso im Gambero Rosso, während Casanovas di Neris „Tenuta Nuova“, im Gambero Rosso ein fester 3-Gläser-Abonnent, bei Galloni durchs Raster fällt. Sicher, die Vorstellung, was ein Spitzenwein ist, fällt bei verschiedenen Kritikern unterschiedlich aus. Aber die Kluft zwischen ihnen ist befremdlich. Zur Ehrenrettung des Gambero Rosso muss man hinzufügen, dass die Wertungen von Parker und Galloni ebenfalls weit auseinander klaffen.

In einer Woche kommentieren wir die 3-Gläser-Weine des Piemont.


Die 3-Gläser-Weinen der Toskana im Überblick


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