Am vergangenen Sonntag ist einer der bedeutendsten Weinerzeuger Südtirols gestorben: Franziskus Haas. Er befand sich auf einem Skiausflug im Fassatal und erlitt während der Fahrt im Sessellift einen Herzinfarkt. Sein neben ihm sitzender Sohn konnte ihm nicht mehr helfen. Franz, wie er kurz genannt wurde, wurde 68 Jahre alt.
Schon früh den Fokus auf Burgunder gelegt
In den zahlreichen Nachrufen wurde er als „König des Blauburgunders“ beschrieben, als dessen „Vater“ und „Pionier“. Letzteres stimmt. Zunächst einmal aber war Franz Haas ein exzellenter Weinproduzent. Sein Sortiment umfasst knapp 20 Weine, vom einfachen Müller-Thurgau bis zum hochwertigen, vier Jahre auf der Hefe liegenden Sekt. Seine besten Geschäfte macht das Weingut jedoch mit Pinot Grigio, der aus zugekauften Trauben erzeugt und in großen Mengen vor allem nach Übersee verkauft wird. Haas’ persönlicher Fokus aber lag immer auf dem Blauburgunder oder Pinot Nero (er zog die italienische Bezeichnung vor). Dieser Rebsorte galt von Anfang an seine große Leidenschaft, auch vor Jahrzehnten schon, als noch 70 Prozent der Rebfläche in der Provinz Bozen mit Vernatsch bestockt war und der Kalterersee in Südtirol als Spitzenwein gefeiert wurde.
Chambolle-Musigny und Chambertin zum Mittagessen
Für den Fokus auf Pinot Nero gibt es vier Gründe. Erstens liegt Montan, das Dorf, in dem die Familie Haas lebt, auf 400 Meter Höhe. Für den Vernatsch ist es dort zu kühl. Den Weißweinen und dem Blauburgunder kommt die Höhe dagegen entgegen. Zweitens war Franz Haas ehrgeizig. Wenn er lagenbedingt schon auf Rebsorten reduziert war, die die Kühle lieben, wollte er aus ihnen wenigstens die bestmöglichen Weine keltern.
Für den Blauburgunder hieß das, sich mit einigen der besten Pinot Noir der Welt messen zu können. Und die Besten kannte er gut. Das letzte Mal, das wir uns sahen, hatte er mich zum Sonntagsmittagessen bei sich zu Hause eingeladen. In den Gläsern waren Chambolle Musigny und Chambertin. Feuer, Frucht, Fantasie – mit diesen drei Fs charakterisierte er das, was er von einem guten Burgunder erwartete.
Kritik war ihm lieber als Komplimente
Der dritte Grund ist, dass Haas eine Charaktereigenschaft besaß, die bei Winzern normalerweise nicht sonderlich stark ausgeprägt ist – in Italien schon gar nicht: Er war praktisch nie zufrieden mit seinen Weinen. Immer hatte er etwas an ihnen auszusetzen. Ständig grämte er sich wegen irgendwelcher Fehler, die er gemacht hatte. Statt Komplimente hörte er lieber Kritik. Auch als seine Pinot Nero von der Weinkritik schon höchste Bewertungen erhielten und seinen Kollegen höchsten Respekt abnötigten, haderte er immer wieder mit ihnen.
Mal gefiel ihm das Bouquet nicht, mal war ihm die Farbe zu dunkel, mal glaubte er, ihn zu früh abgefüllt zu haben. Dieses Zweifeln war keine Unsicherheit. In seiner Selbstkritik war Haas sich sehr sicher. Das Zweifeln war – viertens – eine Folge des Umstands, dass er immer die Perfektion suchte und die Messlatte entsprechend hoch legte. Er tüftelte und experimentierte ständig herum.
Pònkler – der erste Berg-Pinot Nero aus 800 Meter Höhe
Schon 1999 hatte er Weinberge in 790 Meter Höhe angelegt und sie mit Pinot Nero bestockt. Die Trauben, die er von dort bekam, verliehen seinem Spitzenwein (mit dem schwarz-goldenen „Schweizer“-Etikett) eine Eleganz, die Südtiroler Blauburgundern bis dahin abging. Später ging er auf 825 Meter, eine Höhe, die für die Qualitätsweinproduktion in Südtirol nur mit Sondergenehmigung zugelassen ist.
Dort erzeugte er seinen Berg-Pinot Nero „Pònkler“. Französische Klonen, Niedrigst-Erträgen von 25 Hektolitern und einer Pflanzdichte von bis zu 12.500 Stöcken pro Hektar – auf diese Weise entstand ein dicht gewobener, aber nicht konzentrierter, eher leichtfüßiger Burgunder mit feinstem, kaum spürbaren Tannin und vielschichtiger Frucht, der sich als äußerst langlebig erwies bei anhaltender Frische. Mit knapp 100 Euro pro Flasche durchbrach der „Pònkler“ damals eine Schallmauer, was die Nachfrage eher stimulierte als bremste.
„Hitze ist der größte Feind des Burgunders“
Vor zehn Jahren entschloss sich Haas, noch weiter zu gehen und Blauburgunder-Reben hoch oben im Bergdorf Aldein zu kultivieren: ausgewählte Pinot Noir-Klonen, teils aus eigenen Weinbergen stammend, deren Früchte auch in 1150 Meter Höhe reif werden. Nach dem Mittagessen damals zeigte mir Haas den Weinberg. Obwohl er Himmel blau war und die Sonne den ganzen Tag geschienen hatte, war es empfindlich kühl da oben. „Ich weiß auch nicht, was für ein Wein hier entsteht“, bekannte er. „Aber ich weiß: Hitze ist der größte Feind des Burgunders.“
Natürlich wusste er genau, dass dort oben ein zarter, duftiger Wein mit einer Charakteristik entsteht, wie es ihn im Blauburgunder-Biotop Südtirol bisher nirgendwo gab. Die ersten Jahrgänge versektete er. Dass so ein reinsortiger Blanc de Noirs nicht jedem schmecken würde, nahm er in Kauf. Kommerzielle Überlegungen spielten bei seinen Experimenten nie eine Rolle. Der kommerzielle Erfolg des Pinot Grigio hielt ihm den Rücken frei. In Gedanken war Haas damals schon beim nächsten Abenteuer. Mit dem Arm zeigte er in die Ferne, zu den schnellbedeckten Dolomitengipfeln in der Ferne. Dort wollte er den nächsten Blauburgunder-Weinberg anlegen.
Das Weingut wird nach seinem Tod von seiner Frau Luisa, der Tochter und dem Sohn sowie von dem eingespielten Team weitergeführt.
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