Spaniens größte Weinmesse findet nicht etwa in Madrid oder Barcelona, sondern im beschaulichen Städtchen Ciudad Real statt. Wo Don Quijote einst gegen Windmühlen kämpfte, befindet sich heute das Zentrum der nationalen Weinindustrie: Die autonome Gemeinschaft Kastilien-La Mancha – einem Bundesland ähnlich – kommt mit 459.000 Hektar auf 48 Prozent der gesamten spanischen Rebfläche. Trotz dieser Ausmaße steht die Region nicht gerade in Verdacht große Gewächse hervorzubringen.
Mehrheitlich sind es Billigweine, die als Fassware zu Niedrigstpreisen von um die 40 Cent je Liter exportiert werden. Gleichwohl wäre es falsch, alle Erzeuger über einen Kamm zu scheren. Selbst im von Massenweinen dominierten Kastilien-La Mancha gibt es hervorragende Weingüter, die auf Qualität und Ausdruckskraft setzen, wie gerade auf der Fenavin deutlich wurde.
Juan Antonio Ponce und seine magischen Bobals
Nehmen wir zum Beispiel die D.O. Manchuela im Osten von Kastilien-La Mancha. Der Fußballer Andres Iniesta stammt aus dieser wenig besiedelten Region und unterhält dort ein Weingut, das seinen Namen trägt und einwandfreie Weine keltert. Der beste Winzer in dem bis zu 1100 Meter hoch gelegenen Gebiet ist Juan Antonio Ponce. Seine Rotweine aus der als rustikal geltenden Rebsorte Bobal sind derart fein balanciert, dass ihn spanische Medien mitunter als „Magier“ bezeichnen. Hinter den Weinen von Bodegas Ponce steckt allerdings keine Zauberei, sondern der Mut die Dinge anders anzugehen, als es in den Lehrbüchern steht: „Im September fällt in unserm Gebiet häufig Regen“, erklärt Juan Antonio im Gespräch mit Weinkenner.
„Während alle warten, bis es ganz abtrocknet, fahre ich die Lese ein.“ Und weshalb macht er das? „Die Bobal verfügt über rustikales Tannin. Bei Regen saugen die Beeren Flüssigkeit auf. Die Schalen werden dünner und das Tannin weicher. Zudem erhalte ich auf diese Weise frischere Weine mit etwas niedrigeren Alkoholgraden.“ Ponce ist zweifellos ein wichtiger Name in einem sich wandelnden Spanien, das statt Holz und Extrakt lieber Frische und Finesse betont. Grandios sind in dieser Hinsicht die Rotweine „Ponce 2020“ und „Bobal P. F. 2020“. Die Abkürzung P. F. bezeichnet Pie Franco, was auf Spanisch wurzelechte Reben bedeutet.
Ein deutsch-spanischer Master of Wine bringt das Terroir von Ucles zum Vorschein
Auch das kaum bekannte Anbaugebiet D.O. Ucles gehört zu Kastilien-La Mancha. Das dortige Weingut Fontana steht unter der Obhut des deutsch-spanischen Master of Wine Andreas Kubach. Die Hochlage von 700 bis 850 Metern sei ein wichtiger Faktor, erklärt er am Messestand, während wir Rot- und Weißweine aus Tempranillo, Graciano und Chardonnay mit einem prima Preis-Genuss-Verhältnis verkosten. Da Ucles knapp 200 Meter höher liege als der Durchschnitt von La Mancha, sei es um fast 2°C kühler, so Kubach. Insbesondere die frühreifende Tempranillo benötigt diese Höhe. In tiefer gelegenen südspanischen Gebieten neigt die Sorte nämlich dazu marmeladig und säurearm auszufallen.
Nicht so bei Fontana: Kraftvoll und dicht strukturiert und zugleich mit einer tiptop Spannung und Länge kommt der Lagenwein „Quercus 2016“ aus über 40-jährigen Tempranillo-Reben daher. Exzellente Weine aus Kastilien-La Mancha stammen ferner von Mas Que Vinos (Garnacha de la Madre 2018) und Bodegas Verum (Las Tinadas Airén Pie Franco 2020). Weinkenner zeigt sie im folgenden Video.
Die Extreme Spaniens spiegeln sich endlich auch im Wein
Freilich ist die Fenavin eine Leistungsschau des gesamten spanischen Weins. Dessen Spektrum wurde in den vergangenen 15 Jahren deutlich breiter (und unübersichtlicher). Topweine kommen heutzutage nicht mehr nur aus Jerez, Rioja, Ribera del Duero und Priorat, sondern ebenfalls von den Kanarischen Inseln, aus dem regenreichen Galicien und aus Berggebieten wie der Sierra de Gredos. Diese neue Vielfalt spiegelt – endlich! – die geografischen Extreme des Landes wider. Auf Lanzarote beträgt der jährliche Niederschlag kaum über 100 mm und in Andalusien erstreckt sich die einzige Wüste Europas. Filme wie Lawrence von Arabien und Spiel mir das Lied von Tod wurden dort gedreht.
Dann gibt es wiederum Gebiete am spanischen Nordatlantik, in denen das Regenaufkommen mit 1700 mm etwa doppelt so hoch als in Hamburg ist. Zwischen diesen Polen findet überall Weinbau statt. Entsprechend war auf der Fenavin vom filigranen, säurereichen Rotwein aus Rías Baixas mit einem Alkoholgehalt von 11,5% bis hin zur sonnengebadeten Wuchtbrumme die ganze Spannbreite vertreten.
Garnacha, Granit, Gredos: Der Dreiklang eines anderen Spaniens
Ein besonderes Augenmerk sollten Leser und Leserinnen auf die in Deutschland noch weitgehend unbekannten Weine aus der Sierra de Gredos legen. Gredos ist der Name eines Bergzugs nahe Madrid. Die ziemlich wilde Landschaft bietet ein einzigartiges Terroir aus alten Garnacha-Reben in Höhenlagen und auf Granitsandböden. Das Gebiet wurde in den letzten zehn Jahren durch Erzeuger wie Comando G bekannt. Ihre Rotweine haben ein burgundisches Profil, bei dem Schlankheit, Frische und Eleganz im Vordergrund stehen. Die Trauben vergären sie zumeist mit den Rappen. Während einer langen Maischestandzeit von bis zu 70 Tagen verzichten sie auf Extraktion, etwa mittels Remontage.
Kategorien wie Crianza und Reserva sind komplett passé. Stattdessen klassifizieren die Gredos-Winzer nach Ortschaften und Lagen. Ihre Garnachas sind oftmals hell in der Farbe und scheinbar leicht, verfügen aber über enorme Griffigkeit und Länge. Exemplarisch demonstrierte die Combo 4 Monos (deutsch: 4 Affen) mit dem Parzellenwein „La Isilla 2019“ diesen Stil auf der Fenavin. Ebenfalls überzeugend die Garnacha „La Suerte de Arrayán 2018“ vom Weingut Arrayán. Wenn Wein auch dazu dient, den Horizont zu erweitern, dann führt an der Sierra de Gredos kein Weg mehr vorbei. Diese Rotweine sind eine Bereicherung.
Not your usual Rueda und Sherrys von Ramiro Ibañez
Bereits etablierte Regionen warteten ebenfalls mit interessanten Gewächsen auf: So stellte Rodriguez & Sanzo aus der D.O. Rueda den unter Florhefe gereiften Verdejo „Bajo Velo 2020“ vor. Eine biologische Reifung kennen wir von den Finos und Manzanillas aus dem Sherry-Gebiet. Für Rueda ist sie eher ungewöhnlich. Florhefe konsumiert Glycerin, der Körper des Weins wird dadurch schlanker. Zugleich produziert sie Acetaldehyd, wodurch der Wein einen oxidativen Touch mit nussigen Aromen und Bittertönen erhält. Bei Rodriguez & Sanzo fallen diese Noten dezent aus, da der Ausbau unter Florhefe mit zehn Monaten kürzer als etwa bei den Fino-Sherrys erfolgt.
Im Ergebnis ist Bajo Velo ein salzig-mineralischer und trinkanimierender Weißwein. Wem es nach dem Original steht, wird sich mit Ramiro Ibañez anfreunden. In seinen Projekten Cota 45 und De La Riva bringt er mit die individuellsten und besten Weine der Sherry-Region hervor. Sein eleganter „Manzanilla Pasada Balbaina Alta“ (De La Riva) war sicher einer der Höhepunkte der an Höhepunkten nicht armen drei Messetage.
Fenavin 2022: Einige großartige Weine der diesjährigen Messe
Weiß:
AT Roca, Esparter 2015, DO Classic Penedès. Um 22 Euro. www.hispavinus.de
Rodriguez & Sanzo, Bajo Velo 2020, D.O. Rueda. Um 18 Euro. www.vinumcordes.com
Villota, Blanco Selección 2018, DOCa Rioja. Um 30 Euro. www.decantalo.com
Eulogio Pomares, Pedraneira 2020, D.O. Rias Baixas. Um 19 Euro. www.wein-am-limit.de
Cota 45, UBE Miraflores 2020, Sanlúcar de Barrameda. Um 15 Euro. www.vinatero.de
De La Riva, Manzanilla Pasada Balbaina Alta, N.V., Sanlúcar de Barrameda. Um 50 Euro. www.vinatero.de
Celler Edetària, Selecció Blanc 2018, D.O. Terra Alta. Um 25 Euro. www.vinopolis.de
Pares Balta, Satèl.lit 2019, D.O. Penedès. Um 20 Euro. Superfrischer Naturwein aus der sehr raren Traube Cariñena Blanca (Weiße Carignan). Ohne Vertrieb in DE.
Rot:
Bodegas Ponce, Bobal P. F. 2020, D.O. Manchuela. Um 18 Euro. www.vinos.de
Mas Doix, Salanques 2019, DOQ Priorat. Um 38 Euro. www.vinopolis.de
Cantariña, Viña de los Pinos 2018, D.O. Bierzo. Um 14 Euro. www.hispavinus.de
Iria Otero, Teixugo 2019, D.O. Ribeiro. Um 29 Euro. www.spanische-weine.online
Mar de Envero, Tinto 2017, D.O. Rias Baixas. Um 18 Euro. www.vinos.de
4 Monos, Aguja del Fraile 2019, D.O. Vinos de Madrid. Um 20 Euro. www.decantalo.com
Bodega Cerrón, Stratum Wines La Servil 2020, D.O. Jumilla. Das derzeit am heißesten gehandelte spanische Weingut. Monastrell vom feinsten von zwei jungen Brüdern. Ohne Vertrieb in DE.