Die Hälfte der Keller ist voll von unverkauftem Brunello. Der Export stagniert. Im Schutzkonsortium, die Vereinigung der Brunello-Winzer, herrscht tiefes Misstrauen gegeneinander. Ihr Präsident ist umstritten. Gegen den Direktor läuft ein Strafverfahren. Und derjenige, der zumindest Kraft seines Namens Ordnung in das Chaos bringen könnte, ist zwar Winzer, aber produziert keinen Brunello mehr: Jacopo Biondi Santi.
Der 50-Jährige, ein kraftstrotzender Zweimetermann mit unbezwingbarem Optimismus, ist der Sohn des derzeitigen Besitzers der Tenuta Il Greppo, jenes Weinguts, das Ende des 19.Jahrhunderts den Brunello „erfand“ und im 20.Jahrhundert dafür sorgte, dass der Wein weltberühmt und teuer wurde. Geleitet wird dieses Weingut heute von Franco Biondi Santi, Jacopos Vater.
Dieser hatte 1988 einen großen Fehler gemacht: Er hatte die Vertriebsrechte an seinem Brunello einer Firma überschrieben, die sein Sohn und Pierluigi Tagliabue, ein Ölindustrieller und Besitzer des Brunello-Weinguts Poggio Salvi, gegründet hatten. Name der Firma: Biondi Santi S.p.A.
Diese Firma Biondi Santi S.p.A. besaß das alleinige Vertriebsrecht an den Weinen von Il Greppo, amtlich Biondi Santi S.r.l. geheißen. Doch schon wenige Jahre später überwarf sich Jacopo Biondi Santi mit seinem Vater. Er schied aus der Firma aus und kaufte sich ein eigenes Weingut: das Castello di Montepò.
Dieses Weingut liegt nicht in Montalcino, sondern in Scansano, etwa 40 Kilometer weiter südwestlich. Es kann mithin keinen Brunello erzeugen, sondern produziert einen Morellino di Scansano sowie andere Rotweine, einige von durchaus respektablem Niveau. Prodotto da Jacopo Biondi Santi ließ der Sohn auf das Etikett drucken, wohl kalkulierend, dass sich die Weine mit Hilfe des berühmten Namens von den zahllosen anderen Weinen der südlichen Toskana vornehm abheben würden.
Das erzürnte den Vater, der den Namen Biondi Santi exklusiv für den Brunello von Il Greppo reserviert wissen wollte. Er verklagte seinen Sohn auf Unterlassung. Der wiederum wollte nicht einsehen, dass er seinen Familiennamen verleugnen solle und wehrte sich. Ein jahrelanger Rechtsstreit folgte, der zu schlimmen Verwerfungen zwischen Vater und Sohn führte. Am Ende nahmen die Gerichte Partei für Jacopo und sprachen ihm das Recht auf seinen Namen zu.
Aber auch zwischen Franco Biondi Santi und Pierluigi Tagliabue, die vereint gegen Jacopo geklagt hatten, kam es zum Streit. Der alte Aristokrat, inzwischen über 80 Jahre alt, lieferte keine Weine mehr an die Biondi Santi S.p.A., so dass diese ihrer Geschäftsbasis verlustig ging. Umgekehrt kam auch die Vermarktung des Biondi Santi-Brunello mangels Vertrieb zum Erliegen – eine bizarre Situation.
Den Zorn des alten Biondi Santi hatte besonders der Umstand erregt, dass der steinreiche Tagliabue sich als nunmehr alleiniger Inhaber der Vertriebsfirma Biondi Santi S.p.A. die Marke „BS Biondi Santi“ hatte sichern lassen und sie zumindest für einen der Weine seines eigenen Gutes Poggio Salvi nutzte. So entstand der Eindruck, als sei er der Erzeuger der berühmten Biondi Santi-Weine – ein unschätzbarer Vorteil angesichts der Tatsache, dass sein Brunello di Montalcino nie über gepflegtes Mittelmaß hinaus kam und immer am unteren Ende der Preisskala rangierte, im Gegensatz zum Biondi Santi-Brunello.
Am 4. Februar 2011 hat nun ein Mailänder Gericht die Marke „BS Biondi Santi“ für ungültig erklärt: eine herbe Niederlage für Tagliabue. Doch den Erfolg errungen hatte nicht etwa Vater Franco. Sohn Jacopo hatte geklagt. Er war es, der seine Namensrechte verletzt und sich damit als Erzeuger der Weine des Castello Montepò benachteiligt sah. Am Ende hat Jacopo also die Ehre der Biondi Santi gerettet und seinem Vater, der ihn nach wie vor meidet, einen späten Triumph beschert. Verdorben hat es Jacopo nun endgültig auch mit seinem ehemaligen Partner Tagliabue: Er ist sein Schwiegervater.
Nach dem Brunello-Skandal von 2007 und der Weltwirtschaftskrise von 2008, die tiefe Spuren in Montalcino hinterlassen haben, hätten viele Brunello-Produzenten den Prozess-Helden gerne zum Präsidenten des Brunello-Schutzkonsortiums gewählt. Lasche Kontrollen und angebliche Mitwisserschaft bei der Fälschung von Weinbergskatastern haben das Konsortium in Verruf gebracht. Jacopo Biondi Santi war auch zu einer Kandidatur bereit, obwohl ihn nur noch der Name, aber nicht mehr der Wein mit Montalcino verbindet.
Doch gewählt wurde Ezio Rivella, der frühere Präsident von Castello Banfi. Banfi ist der größte Weinerzeuger in Montalcino und war der größte Sünder während der Brunello-Gate-Affäre. Rivella soll nun das Kunststück fertig bringen, dem Brunello di Montalcino wieder jenen Glanz zurückgeben, den die Biondi Santi ihm einst verliehen hatten.
Übrigens: Diese Woche wird der große Brunello-Jahrgang 2006 offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. Nachdem die Keller der Hälfte der Weingüter noch von alten Jahrgängen gefüllt sind, hoffen die Erzeuger nun, dass die Nachfrage wieder anzieht – vor allem aus Amerika und Deutschland, den ehemals wichtigsten Exportmärkten. Die Preise haben ihr hohes Niveau verlassen. Endverbraucher können sich darauf einstellen, gute Qualitäten schon für 18 bis 25 Euro im Fachhandel zu finden.
Nach zwei Jahrzehnten glanzloser Mittelmäßigkeit wartet Biondi Santi jetzt erstmals wieder mit einem respektablen Wein auf. Die Riserva 2004, die zeitgleich auf den Markt kommt, ist eben zum besten Wein des Jahrgangs gewählt worden. Allerdings kostet er noch die Kleinigkeit von 220 Euro.