Rund 3000 Weine samt Verkostungsnotizen und Punktbewertungen sind in der 2011er Ausgabe des Falstaff Weinguides aufgeführt. Das heißt: Peter Moser, Chefredakteur des Guides, hat etwa 5000 bis 6000 Weine probiert, um die besten, erwähnenswerten zu selektieren – eine Herkulesarbeit. Denn im Unterschied zu den zahlreichen anderen Weinführern verkostet er allein. Und er hat nicht etwa ein ganzes Jahr Zeit, sondern nur wenige Monate. Die 2010er Weiß- und viele der immer zahlreicher werden Rotweine aus Österreich sind erst in den letzten Monaten gefüllt worden.
Der beste Weißwein des Jahres ist für den neuen Weinguide der Riesling Smaragd Achleithen von Rudi Pichler. Wer je in den Achleithen-Terrassen dieses Winzers gestanden und gesehen hat, wie Pichler mit den alten Rebstöcken arbeitet, der weiß, dass die Wahl nicht falsch sein kann. Ich habe den 2009er Achleithen im letzten Jahr probiert und war sprachlos.
Nach Pichler folgen die allseits bekannten Namen, wobei Riesling die ersten 12 Plätze belegt. Interessant ist der sich schon in den letzten Jahren abzeichnende Aufstieg von Gütern wie Malat (Krems/Wachau), Buchegger (Krems), Fritsch und Leth (Wagram). Auch Pichler-Krutzler (Wachau) tauchen erstmals in der Bestenliste auf.
Riesling vor Grünem Veltliner
Gegenüber dem Grünen Veltliner hat der Riesling in 2010 fast immer die Nase vorn, wenngleich auch der Grüne denkwürdige Qualitäten geliefert hat, und nicht nur beim Dreigestirn F. X. Pichler, Hirtzberger, Emmerich Knoll. Johann Schmelz’ „Höhereck“, Markus Hubers DAC-Reserve aus dem Traisental, Roman Pfaffls DAC Reserve „Goldloch“ auf dem Weinviertel, Malats „Große Reserve“ aus dem Kremstal und Hirschs „Kammerner Lamm“ aus dem Kamptal – alles Veltliner, die dem Riesling nicht nachstehen.
Bei den 2009er Rotweinen liegt – welch Überraschung! – das Weingut Moric mit seinem Blaufränkisch „Alte Reben Neckenmarkt“ vorn – jener Wein, der von David Schildknecht, Parkers Österreich-Tester, schon vor drei Jahren zum besten Rotwein des Landes gekürt worden war, was eine heftige Debatte ausgelöst und durchaus zu atmosphärischen Spannungen zwischen Roland Velich, dem Moric-Winzer, und Moser geführt hatte. Der Aufregung hat sich gelegt. Der neue Neckenmarkter gibt ebenso wenig Grund für Vorbehalte wie das Temperament der neuen Rotwein-Fraktion, die mit dem Erscheinen des Moric-Weins teilweise ein neues Rotwein-Zeitalter in Österreich ausrufen zu müssen glaubten. Gleichauf mit dem Moric-Wein der Blaufränkisch Reihburg von Uwe Schiefer, ebenfalls ein Enfant terrible, aber mehr gegen die neue DAC Eisenstadt wetternd als gegen den Falstaff.
Beim Rotwein ein Newcomer vorn
Die Liste der 2008er Roten, die jetzt auf den Markt kommen, führt diesmal ein Newcomer an: das Gut Oggau von Eduard Tscheppe und Stephanie Eselböck (Tochter des Taubenkogel-Chefs). Die Beiden haben es innerhalb weniger Jahre geschafft, sich ein hochklassiges Sortiment biodynamisch erzeugter Weine zuzulegen. Ihr Joshuari steht mit Nittnaus Cuvée „Commondor“ und – nächste Überraschung – Silvia Prielers DAC Leithaberg ganz oben. Warum Überraschung? Weil die junge Winzerin es geschafft hat, mit diesem reinsortigen Blaufränkisch noch den Schützener Stein, den traditionellen Spitzenwein des Gutes, zu toppen und gleichzeitig den Mut gehabt hat, ihn als DAC-Wein auf den Markt zu bringen. Bei den meisten anderen „Leithabergern“ steht der DAC-Wein nur in der zweiten Reihe.
Die 2007er Rotweine führt Gesellmanns Blaufränkisch „G“ an, vor Umathums Zweigelt „Hallebühl“ und dem Blaufränkisch „Weissleit’n“ der Familie Weber aus Lutzmannsburg.
Natürlich hat der Falstaff nicht darauf verzichtet, die Weingüter gemäß ihrer Leistung zu klassifizieren. Rankings sind nun mal für alle Führer das Salz in der Suppe. In den meisten Anbaugebieten hat sich gegenüber dem Vorjahr nichts geändert. Einige wird das ärgern. Muhr – van Niepoort hätte man sich auch als 3-Sterne Betrieb vorstellen können, während der Aufstieg von Hans und Philipp Grassl aus Carnuntum in die 4-Sterne-Kategorie überraschend kommt. In Wien hat das Weingut Hajszan nur noch 1 Stern, während sich in der Wachau die tüchtige Ilse Mazza jetzt über 2 Sterne freuen kann. Schon wegen ihres schönen Buschenschanks gönnt man es ihr. Peter Veyder-Malberg, der von einigen kultisch verehrte Wachau-Rebell, hat dagegen keinen zweiten Stern bekommen. Dafür besitzt der Wagram jetzt neben Bernhard Ott einen zweiten 4-Sterne Betrieb: den Weinberghof Fritsch. Der Demeter-Winzer Fritz Salomon vom Oberstockstall darf sich über 2 Sterne freuen. Keine großen Veränderungen in der Südsteiermark: Weder Hannes Sabathi noch Stefan Potzinger haben trotz toller 2010er den 3. Stern erhalten.
Problem Weingutsklassifizierung
Man sieht: Die Weingutsklassifizierung ist ein heikles Unterfangen, weil die Kriterien nicht offen gelegt werden und für den Leser somit nicht immer plausibel zu machen sind. Warum etwa erhält das Weingut Moric, das den besten Rotwein liefert (und erstmals überhaupt im Falstaff-Guide gelistet ist), nur 3 von 5 Sternen? Warum hat Bründlmayer aus dem Kamptal 5 Sterne, während sich Hirsch und Schloss Gobelsburg mit 4 bescheiden müssen, obwohl sie zumindest in diesem Jahr auf Augenhöhe sind? Warum bekommt Christian Reiterer aus der Weststeiermark nur zwei Sterne, obwohl er den höchstbenoteten Schilcher produziert und auch mit seinen anderen Weinen (und Schaumweinen) aus der Wildbacher-Traube auf dem gleichen Niveau ist wie die 3-Sterne-Domäne Müller?
Moser wird seine Gründe haben. Aber der Leser kennt sie nicht. Und die Winzer ebenso wenig. Für sie ist seine Klassifizierung wie ein Orakel. Schloß Halbturn und Birgit Braunstein haben die Konsequenzen gezogen und sind in der 2011er Ausgabe nicht mehr dabei.
Moser ist sich der Problematik bewusst. Er weiß, dass die Alleinverkostung ihn angreifbar macht. Aber er kann für sich in Anspruch nehmen, dass er gut informiert und gut vernetzt ist. Er kennt die anderen großen Weine der Welt, hat also Vergleichsmöglichkeiten. Für Gefälligkeitsbewertungen ist er nicht anfällig. Er neigt auch nicht zu Extremurteilen, sieht man davon ab, dass die Falstaff-Bewertungen im Vergleich zu internationalen Bewertungen auf der 100-Punkte-Skala immer drei Punkte zu hoch sind. Aber das ist nicht seine Schuld. Seine Landsleute möchten es so. Jedenfalls hat Moser sich in den 14 Jahren, in denen der Guide erscheint, die Interpretationshoheit über den österreichischen Wein erarbeitet, auch wenn man nicht in allen Fällen mit ihm übereinstimmen muss.
Manchmal fehlt die Sorgfalt
Trotzdem muss sich der Falstaff Gedanken machen. Erstens führt der hohe Produktionsdruck allzu häufig zu mangelnder Sorgfalt im Detail. So sind Änderungen der Einstufung einiger Weingüter im Text nicht immer nachvollzogen worden. Der Klosterkeller der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt, der solide Blaufränkische liefert, taucht in der Zusammenfassung mit 2 Sternen auf. Auf der Weingutsseite hat er nur einen Stern. Zweitens ist regelmäßig ein großer Teil der Texte mit denen der Ausgabe des Vorjahres und des Vorvorjahres identisch. Das heißt: Ungefähr ein Drittel der insgesamt 866 Seiten hat der regelmäßige Käufer bereits mehrfach im Regal stehen. Sicher, das Problem haben auch Gault Millau und andere Weinführer. Aber ist das ein Trost?
Trost ist der überaus günstige Preis des Führers und die Tatsache, dass er auch noch die besten Südtiroler Weine (Autor: Othmar Kiem) und die besten österreichischen Schnapsbrenner vorstellt (Autor: Peter Hämmerle). Außerdem haben seit einigen Jahren auch leichte Weine (bis 12,5 Vol.%) die Chance, hohe Bewertungen zu bekommen – eine Maßnahme, die zu ergreifen andere Weinführer bislang nicht den Mut hatten.
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