Entscheidung in Bordeaux: 15 % Preisnachlass für den 2011er zu wenig

Bordeaux-Etiketten
Nach der Präsidentenwahl in Frankreich steigt die Spannung: Zahlreiche Chateaux werden mit den Preisen für den schwierigen 2011er Jahrgang herauskommen. Soviel ist sicher: Die Preise werden fallen. Die Frage ist, ob real oder nur optisch. Der Handel fordert Nachlässe von bis zu 60 Prozent. Mal sehen, ob die Chateaubesitzer die Signale des Marktes verstehen.

Meh­re­re füh­ren­de Cha­teau­be­sit­zer hat­ten sich im letz­ten Monat für „deut­li­che“ Preis­nach­läs­se beim Jahr­gang 2011 aus­ge­spro­chen, der qua­li­ta­tiv nicht an die bei­den Vorgänger-Jahrgänge her­an­reicht. Syl­vie Cazes von Châ­teau Pichon-Lalande sprach von 10 bis 15 Pro­zent, Chris­ti­an Mou­eix (u.a. Pétrus) von 50 Pro­zent. Lafite ist als ers­ter Pre­mier Cru mit einem Abschlag von 25 Pro­zent her­aus­ge­kom­men und hat sich im Primeur-Handel nur müh­sam über der 500-Euro-Marke (pro Fla­sche) gehalten.

Letz­te Woche hat auch das dritt­klas­si­fi­zier­te Cha­teau Bey­che­vel­le sei­nen 2011er Eröff­nungs­preis mit­ge­teilt. Er liegt bei umge­rech­net 50 Euro pro Fla­sche (ohne Mehr­wert­steu­er und Händler-Aufschlag) – eine Preis­sen­kung von gera­de mal 15 Pro­zent. Zu wenig, um Nach­fra­ge zu sti­mu­lie­ren, glau­ben die Exper­ten. Robert Par­ker, der ame­ri­ka­ni­sche Wein­kri­ti­ker, hat­te in einem Inter­view anläß­lich der 200. Aus­ga­be sei­nes elek­tro­ni­schen News­let­ters www.erobertparker.com „bedeut­sa­me Abschlä­ge“ gefor­dert. Ande­ren­falls wür­den, pro­gnos­ti­zier­te er, die Prei­se für 2011er Futures vom Markt „bom­bar­diert“ werden.

Parker prognostiziert „Bombardierung“ der Preise

Papier-LatourWas „bedeu­ten­de Abschlä­ge“ für ihn sind, sag­te Par­ker nicht. In Lon­do­ner Händ­ler­krei­sen wird man deut­li­cher. Offen wird davon gespro­chen, dass die Pre­miers Crus bei­spiels­wei­se 60 Pro­zent nied­ri­ger auf den Markt kom­men müß­ten als im Vor­jahr, wenn die Nach­fra­ge sti­mu­liert wer­den sol­le – eine Vor­ga­be, von der die Cha­teaux – nicht nur die Pre­miers – offen­bar weit ent­fernt sind. Eini­ge klei­ne­re Cha­teaux, die in der ver­gan­ge­nen Woche mit ihren Eröff­nungs­prei­sen her­aus­ge­kom­men sind (Mon­bus­quet, Siran, Can­te­merle), lie­gen gera­de mal zwi­schen zwei und acht Pro­zent unter den Rekord­prei­sen des Vorjahres.

Ent­spre­chend ver­hal­ten ist bis­lang die Nach­fra­ge. Tom Jenk­ins, Chef­ein­käu­fer von Jus­te­ri­ni & Brooks in Lon­don, spricht von „gerin­gem Inter­es­se“ am 2011er Jahr­gang. Gar­ry Boom, ein in Eng­land und Hong­kong arbei­ten­der Bro­ker, resü­miert: „Letz­tes Jah­res haben wir rund 300 Kis­ten Cha­teau Can­te­merle ver­kauft, die­ses Jahr zwei. Es läuft der Logik zuwi­der, die Prei­se gegen­über 2010er Jahr­gang unver­än­dert zu lassen.“

2011er Preise nur leicht unter den 2009er Preisen

Marktteilnehmer Bordeaux2010 war im Gegen­satz zu 2011 ein gro­ßer Jahr­gang. Mit ihm waren die Prei­se des bis­he­ri­gen Rekord­jahr­gangs 2009 noch­mals deut­lich getoppt wor­den, und im Lau­fe der Primeur-Kampagne des letz­ten Jah­res waren sie wei­ter gestie­gen. Eine Preis­sen­kung in der bis­her ange­dach­ten Grö­ßen­ord­nung wür­de also fak­tisch bedeu­ten, dass die Eröff­nungs­prei­se der 2011er nur leicht unter dem Niveau von 2009 liegen.

Für Bor­deauxlieb­ha­ber abso­lut „kein Kauf­an­reiz“, resü­mier­te der in Lon­don ansäs­si­ge Fine Wine-Index Liv-Ex. Denn die Wei­ne des 2011er Jahr­gangs kön­nen nach all­ge­mei­ner Ein­schät­zung denen des 2009ers nicht annä­hernd das Was­ser rei­chen. Sie wer­den eher mit den 2008ern ver­gli­chen. Die Prei­se für die 2011er müß­ten, errech­ne­te die obers­te Preis­in­stanz für Bordeaux-Wein vor, „47 bis 52 Pro­zent“ unter denen des 2010ers lie­gen, sol­len sie für Anle­ger inter­es­sant sein – „min­des­tens“.

 „Keine Sehnsucht nach dem 2011er“

RotweinkelchDie­se Woche wird sich zei­gen, ob Bor­deaux die Signa­le des Mark­tes ver­steht: Zahl­rei­che Cha­teaux haben ange­kün­digt, ihre Prei­se zu ver­öf­fent­li­chen. Dass der für das eher rechts­las­ti­ge Bor­deaux ungüns­ti­ge Aus­gang der Prä­si­den­ten­wahl die Cha­teaux zur Besin­nung bringt, ist nicht zu erwar­ten. Trotz der Wirt­schafts­kri­se in Euro­pa und der Abküh­lung der Kon­junk­tur in Chi­na hof­fen sie auf die Nach­fra­ge aus den USA, deren Wirt­schaft sich lang­sam wie­der erholt.

Bro­ker Gary Boom glaubt nicht, dass die­se Rech­nung auf­geht: „Ganz egal, wie­viel Punk­te ein Cha­teau bekom­men hat – der Markt sehnt sich nicht nach den 2011ern.“

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