Endlich: Auch die Steiermark kriegt ihre eigene DAC

Faber
©ÖWM/Faber
Es ist vollbracht. Auch die Steiermark hat ihre eigene Herkunftsbezeichnung DAC bekommen – und sie ist die zukunftsweisendste aller österreichischen DAC-Bezeichnungen. Warum, erklärt Katharina Tinnacher im Interview.

Außer der Wach­au haben jetzt alle bedeu­ten­den Wein­bau­ge­bie­te Öster­reichs ihre eige­ne DAC. Die Abkür­zung steht für Dis­tric­tus Aus­triae Con­troll­a­tus und ist eine auf dem Eti­kett der Wei­ne auf­tau­chen­de Bezeich­nung, die die Her­kunft des Weins in den Vor­der­grund stellt und nicht die Reb­sor­te, aus der der Wein gewon­nen wird. Die Idee hin­ter die­sem „roma­ni­schen“ Bezeich­nungs­sys­tem ist es zu zei­gen, dass eine Regi­on für bestimm­te Reb­sor­ten steht, weil die­se – und nur die­se – dort beson­ders cha­rak­ter­star­ke, „regio­nal­ty­pi­sche“ Wei­ne erge­ben. Das Vor­bild ist Frank­reich. Das „ger­ma­ni­sche“ Bezeich­nungs­sys­tem stellt dage­gen die Reb­sor­te in den Vordergrund.

Neun Rebsorten sind DAC-kompatibel

In der Stei­er­mark sind es neun Reb­sor­ten, die DAC-kompatibel sind: Sau­vi­gnon blanc, Weiss­bur­gun­der, Grau­bur­gun­der, Moril­lon, Gel­ber Mus­ka­tel­ler, Tra­mi­ner, Ries­ling, Welsch­ries­ling und Schil­cher. Da die Wei­ne aus die­sen Sor­ten in den ver­schie­de­nen Berei­chen der Stei­er­mark unter­schied­lich aus­fal­len, wur­den drei unter­schied­li­che DAC-Zonen ein­ge­rich­tet: Süd­stei­er­mark DAC, Vul­kan­land Stei­er­mark DAC, West­stei­er­mark DAC. Die Sor­te Schil­cher (Blau­er Wild­ba­cher) ist zum Bei­spiel nur in der West­stei­er­mark zuge­las­sen. Selbst­ver­ständ­lich ist es wei­ter­hin erlaubt, auch Grü­ner Velt­li­ner oder Zwei­gelt oder ande­re Sor­ten anzu­bau­en. Doch sind sie nicht „regio­nal­ty­pisch“. Die Wei­ne kön­nen kei­nen DAC-Status erlangen.

Vor­be­rei­tet wur­de das neue DAC-Regelwerk von den Stei­ri­schen Terroir- und Klas­sik­wein­gü­tern (STK), einem pri­va­ten Zusam­men­schluss der füh­ren­den 10 Wein­gü­ter in der Stei­er­mark (Gross, Lackner-Tinnacher, Neu­meis­ter, Wolf­gang Maitz, Polz, Erwin Saba­thi, Han­nes Saba­thi, Satt­ler­hof, Tement, Winkler-Hermaden, dazu gekom­men sind seit ges­tern die Wein­gü­ter Wohl­muth und Frau­wall­ner). Die Beson­der­heit der DAC Stei­er­mark ist, dass in einem zwei­ten Schritt eine Rieden-Klassifikation geplant ist. Unter einer Rie­de ver­steht man in Öster­reich eine klei­ne, his­to­risch gute, ja außer­or­dent­li­che Wein­bergs­la­ge. Das heißt: Es sol­len Ers­te Rie­den und Gro­ße Rie­den ein­ge­führt wer­den, ähn­lich den Ers­ten und den Gro­ßen Lagen in Deutsch­land. Im Unter­schied zu Deutsch­land soll die Rieden-Klassifikation in Öster­reich jedoch Geset­zes­kraft erhal­ten. Damit wäre die Alpen­re­pu­blik einen Schritt wei­ter als Deutsch­land, wo die Lagen­klas­si­fi­ka­ti­on bis­lang nur pri­vat­recht­li­che Gel­tung inner­halb des Ver­bands der Prä­di­kats­wein­gü­ter (VDP) hat und von einer Ver­an­ke­rung im deut­schen Wein­ge­setz noch weit ent­fernt ist.

Katharina Tinnacher auf der Pressekonferenz am 6. November 2018 in Wien
Katha­ri­na Tin­nacher auf der Pres­se­kon­fe­renz am 6. Novem­ber 2018 in Wien ©Anna Stöcher

STK hat das Rahmenwerk zur Riedenklassifikation erdacht

Über die geplan­te Lagen­klas­si­fi­ka­ti­on sprach Jens Prie­we anläss­lich der DAC-Premiere ges­tern in Wien mit Katha­ri­na Tin­nacher, 33, die ver­ant­wort­li­che Betriebs­lei­te­rin des Wein­guts Lackner-Tinnacher in der Südsteiermark.

Weinkenner.de: War­um hat die DAC Stei­er­mark so lan­ge gedauert?

Katha­ri­na Tin­nacher: Weil die Stei­er­mark ein gro­ßes Gebiet ist mit unter­schied­li­chen Unter­zo­nen und zahl­rei­chen regio­nal­ty­pi­schen Reb­sor­ten, von denen jede ihre eige­nen Anfor­de­run­gen an Boden und Kli­ma stellt. Es war nicht ein­fach, die­se Viel­falt mit einer DAC Stei­er­mark abzudecken.

Weinkenner.de: Das Beson­de­re ist, dass eine Rie­den­klas­si­fi­ka­ti­on Bestand­teil der DAC Stei­er­mark wer­den soll. Nun weiß man, dass Klas­si­fi­ka­tio­nen immer umstrit­ten sind. Wie wol­len Sie es schaf­fen, dass Einig­keit über die Klas­si­fi­ka­ti­on erzielt wird und die­se Geset­zes­kraft erlan­gen kann?

Katha­ri­na Tin­nacher: Die DAC bie­tet uns Wein­erzeu­gern die Mög­lich­keit, unser eige­nes Wein­ge­setz zu for­mu­lie­ren. Wenn die Mehr­heit dem Klas­si­fi­ka­ti­ons­vor­schlag zustimmt, kön­nen wir die Klas­si­fi­ka­ti­on in die gesetz­li­che DAC implementieren.

Weinkenner.de: Die Mehr­heit wovon?

Katha­ri­na Tin­nacher: Der DAC zuge­ord­net ist ein inter­pro­fes­sio­nel­les Komi­tee, in dem die Wein­bau­ern, der Wein­han­del und die Wein­bau­ver­ei­ne ver­tre­ten sind. Dort wird der Vor­schlag dis­ku­tiert und dann mehr­heit­lich ent­schie­den. Das heißt: Der Vor­schlag kann durch­kom­men, auch wenn es Gegen­stim­men gibt.

Weinkenner.de: Wel­ches sind die Kri­te­ri­en für Ers­te bezie­hungs­wei­se Gros­se Rieden? 

Katha­ri­na Tin­nacher: Um Miss­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den: Wir klas­si­fi­zie­ren nicht die Rie­de selbst, son­dern die Wei­ne, die von die­sen Rie­den kom­men. Das ist ein gro­ßer Unter­schied zu Frank­reich und auch zu Deutsch­land, wo die Güte der Lage das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um dar­stellt. Wir wer­den also nicht flä­chen­de­ckend Boden­pro­ben ent­neh­men, sie ana­ly­sie­ren und dann irgend­wel­che Schlüs­se dar­aus zie­hen. Wir wol­len uns auf unser Erfah­rungs­wis­sen stüt­zen, das uns ziem­lich genau sagt, in wel­chen Rie­den in der Stei­er­mark gute und gro­ße Wei­ne wach­sen kön­nen. Die STK-Güter, aber auch ande­re stei­ri­sche Win­zer, bewirt­schaf­ten die in Fra­ge kom­men­den Rie­den seit Jahr­zehn­ten. Die Qua­li­tät und die Lang­le­big­keit der Wei­ne von dort lässt sich über Jahr­zehn­te hin­weg nach­prü­fen. Die ent­spre­chen­den Fla­schen lie­gen in den Archi­ven in unse­ren Kel­lern. Wenn die Riedenwein-Klassifikation ins DAC Sys­tem ein­ge­glie­dert wird und ein Wein­gut den Antrag stellt, einen Wein aus einer Rie­de zu klas­si­fi­zie­ren, dann gilt es älte­re Jahr­gän­ge vor­wei­sen zu kön­nen, um Qua­li­tät, Halt­bar­keit und Lang­le­big­keit nachzuweisen.

Weinkenner.de: Ist Lang­le­big­keit das ein­zi­ge Kriterium?

Katha­ri­na Tin­nacher: Natür­lich nicht. Es gel­ten vie­le ande­re, objek­tiv mess­ba­re Kri­te­ri­en. So müs­sen die Reb­stö­cke im Durch­schnitt min­des­tens 15 Jah­re alt sein. Die Wein­ber­ge müs­sen min­des­tens natur­nah bewirt­schaf­tet wer­den. Her­bi­zi­de sind im STK-System nicht erlaubt. Hand­le­se ist obli­ga­to­risch. Der Ertrag darf 4500 Kilo­gramm Trau­ben pro Hekt­ar nicht über­schrei­ten. Der Wein muss tro­cken aus­ge­baut sein, darf maxi­mal vier Gramm unver­go­re­nen Rest­zu­cker ent­hal­ten. Und er darf erst nach 12 bezie­hungs­wei­se 18 Mona­ten frei­ge­ge­ben wer­den. Das heißt: Ers­te Rie­den dür­fen ab Sep­tem­ber des auf die Lese fol­gen­den Jah­res ver­kauft wer­den, Gro­ße Rie­den erst ab Mai im zwei­ten Jahr nach der Lese. Wir wün­schen uns außer­dem, das der Wein­bau­er, der sich um die Aner­ken­nung als klas­si­fi­zier­ter Rie­den­wein bemüht, selbst initia­tiv wird, um sei­nen Wein über den regio­na­len Bereich hin­aus bekannt zu machen, mög­lichst auch im Aus­land. Inner­halb der STK-Weingüter haben wir die­se Kri­te­ri­en seit zehn Jah­ren erprobt. Nun gehen wir im Rah­men des inter­pro­fes­sio­nel­len Komi­tees in Dis­kus­si­on mit den ande­ren stei­ri­schen Wein­bau­ern um dar­aus gemein­sam eine Rie­den­wein­klas­si­fi­ka­ti­on mit Geset­zes­sta­tus zu entwickeln.

Weinkenner.de: Wer­den die Wei­ne einer Kost­kom­mis­si­on zur Prü­fung vorgesetzt?

Katha­ri­na Tin­nacher: Wir haben ent­schie­den, auf eine eige­ne sen­so­ri­sche Stil­ana­ly­se durch ein Ver­kos­tungs­gre­mi­um zu ver­zich­ten. Ob jemand sei­nen Wein im Edel­stahl oder im Holz­fass aus­baut, spielt für die Klas­si­fi­zie­rung der Rie­de kei­ne Rol­le. Wir prü­fen aller­dings, wie die Wei­ne der Antrag­stel­ler von ein­schlä­gi­gen Kost­gre­mi­en wahr­ge­nom­men wer­den, sowohl wäh­rend der Fach­ver­kos­tun­gen bei Wein­wett­be­wer­ben als auch bei Pres­se­ver­kos­tun­gen. Wei­ne, die bei sol­chen Ver­kos­tun­gen nicht die erfor­der­li­che Aner­ken­nung bekom­men, wer­den es schwer haben, die Geneh­mi­gung zu erhal­ten, Ers­te oder Gro­ße Rie­de auf ihr Eti­kett zu schrei­ben. Zu einer Gro­ßen Rie­de gehört immer auch ein Wein­bau­er, der einen gro­ßen Wein machen will.

Weinkenner.de: Was pas­siert, wenn zwei Wei­ne aus der glei­chen Lage kom­men, aber nur einer klas­si­fi­ziert wird, wäh­rend dem ande­ren man­gels öffent­li­cher Wahr­neh­mung oder ande­rer Grün­de die Aner­ken­nung ver­sagt bleibt?

Katha­ri­na Tin­nacher: Grund­sätz­lich ist es jedem Wein­gut erlaubt, den Namen der Rie­de auch ohne Klas­si­fi­ka­ti­on aufs Eti­kett zu schrei­ben. Die Prü­fung, ob ein Wein die Aus­zeich­nung „Ers­te“ oder „Gro­ße“ Rie­de tra­gen darf, wol­len wir jeden­falls von einem unab­hän­gi­gen Gut­ach­ter, bei­spiels­wei­se der Kel­le­rei­in­spek­ti­on oder einer ande­ren Kon­troll­stel­le, über­prü­fen lassen.

Weinkenner.de: Bleibt die Fra­ge, was genau eine Ers­te und eine Gro­ße Rie­de ist. Auch wenn letzt­lich nur der Wein klas­si­fi­ziert wird, so muss es doch objek­ti­ve Kri­te­ri­en geben, wel­che Wein­ber­ge neben den schon heu­te bekann­ten Spit­zen­la­gen eine Chan­ce haben, klas­si­fi­zier­te Wei­ne her­vor­zu­brin­gen. Den­ken Sie an Sausal/Kitzeck, eine auf­stre­ben­de Unter­zo­ne in der Süd­stei­er­mark, in dem Ihr Wein­gut und eini­ge ande­re STK-Kollegen Wein­ber­ge besit­zen, in der es aber jede Men­ge ande­rer Rie­den gibt, die gefühlt Gro­ße Rie­den darstellen.

Katha­ri­na Tin­nacher: Selbst­ver­ständ­lich wer­den gewis­se Anfor­de­run­gen an die Rie­de selbst gestellt, wenn die Wei­ne aus ihr klas­si­fi­ziert wer­den sol­len. Es kom­men nur Hang­la­gen in Fra­ge, die von Ost nach West ver­lau­fen. Sie müs­sen ein gutes Mikro­kli­ma und eine geeig­ne­te Boden­struk­tur auf­wei­sen. Ande­ren­falls hat der Wein kei­ne Chan­ce, als klas­si­fi­zier­ter Rie­den­wein aner­kannt zu wer­den. Er bleibt ein Orts­wein oder ein ein­fa­cher Gebiets­wein. Sausal/Kitzeck ist inso­fern eine beson­de­re Situa­ti­on, als sich dort nach unse­rer Mei­nung zwar vie­le groß­ar­ti­gen Rie­den befin­den, aber inner­halb der STK-Mitglieder bis­lang nur ein Pro­du­zent zehn Jahr­gän­ge sei­nes Weins aus einer sol­chen Rie­de vor­wei­sen kann…

Weinkenner.de: …Polz mit sei­nem Sau­vi­gnon blanc The­re­se, der aus der Rie­de The­re­si­en­hö­he stammt.

Katha­ri­na Tin­nacher: Die ande­ren, mich ein­ge­schlos­sen, haben noch kei­ne zehn Jahr­gän­ge auf der Fla­sche. Aber mit dem Wein­gut Wohl­muth, das wir jetzt neu auf­ge­nom­men haben, wer­den wir ab dem Jahr­gang 2018 neue Ers­te und Gro­ße STK-Rieden dazu bekom­men, und wenn die Riedenwein-Klassifikation ins DAC-Gesetz kommt, gibt es auch abseits der STK wei­te­re sehr gute Win­zer, die im Sau­sal her­vor­ra­gen­de Wei­ne mit Poten­ti­al für Ers­te und Gro­ße Rie­den produzieren.

Weinkenner.de: Wann glau­ben Sie, wird die Rie­den­klas­si­fi­ka­ti­on umge­setzt sein?

Katha­ri­na Tin­nacher: Wir sind so ambi­tio­niert zu glau­ben, dass wir mit dem Jahr­gang 2019 eine ers­te Rie­den­klas­si­fi­ka­ti­on vor­le­gen können.

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