Außer der Wachau haben jetzt alle bedeutenden Weinbaugebiete Österreichs ihre eigene DAC. Die Abkürzung steht für Districtus Austriae Controllatus und ist eine auf dem Etikett der Weine auftauchende Bezeichnung, die die Herkunft des Weins in den Vordergrund stellt und nicht die Rebsorte, aus der der Wein gewonnen wird. Die Idee hinter diesem „romanischen“ Bezeichnungssystem ist es zu zeigen, dass eine Region für bestimmte Rebsorten steht, weil diese – und nur diese – dort besonders charakterstarke, „regionaltypische“ Weine ergeben. Das Vorbild ist Frankreich. Das „germanische“ Bezeichnungssystem stellt dagegen die Rebsorte in den Vordergrund.
Neun Rebsorten sind DAC-kompatibel
In der Steiermark sind es neun Rebsorten, die DAC-kompatibel sind: Sauvignon blanc, Weissburgunder, Grauburgunder, Morillon, Gelber Muskateller, Traminer, Riesling, Welschriesling und Schilcher. Da die Weine aus diesen Sorten in den verschiedenen Bereichen der Steiermark unterschiedlich ausfallen, wurden drei unterschiedliche DAC-Zonen eingerichtet: Südsteiermark DAC, Vulkanland Steiermark DAC, Weststeiermark DAC. Die Sorte Schilcher (Blauer Wildbacher) ist zum Beispiel nur in der Weststeiermark zugelassen. Selbstverständlich ist es weiterhin erlaubt, auch Grüner Veltliner oder Zweigelt oder andere Sorten anzubauen. Doch sind sie nicht „regionaltypisch“. Die Weine können keinen DAC-Status erlangen.
Vorbereitet wurde das neue DAC-Regelwerk von den Steirischen Terroir- und Klassikweingütern (STK), einem privaten Zusammenschluss der führenden 10 Weingüter in der Steiermark (Gross, Lackner-Tinnacher, Neumeister, Wolfgang Maitz, Polz, Erwin Sabathi, Hannes Sabathi, Sattlerhof, Tement, Winkler-Hermaden, dazu gekommen sind seit gestern die Weingüter Wohlmuth und Frauwallner). Die Besonderheit der DAC Steiermark ist, dass in einem zweiten Schritt eine Rieden-Klassifikation geplant ist. Unter einer Riede versteht man in Österreich eine kleine, historisch gute, ja außerordentliche Weinbergslage. Das heißt: Es sollen Erste Rieden und Große Rieden eingeführt werden, ähnlich den Ersten und den Großen Lagen in Deutschland. Im Unterschied zu Deutschland soll die Rieden-Klassifikation in Österreich jedoch Gesetzeskraft erhalten. Damit wäre die Alpenrepublik einen Schritt weiter als Deutschland, wo die Lagenklassifikation bislang nur privatrechtliche Geltung innerhalb des Verbands der Prädikatsweingüter (VDP) hat und von einer Verankerung im deutschen Weingesetz noch weit entfernt ist.
STK hat das Rahmenwerk zur Riedenklassifikation erdacht
Über die geplante Lagenklassifikation sprach Jens Priewe anlässlich der DAC-Premiere gestern in Wien mit Katharina Tinnacher, 33, die verantwortliche Betriebsleiterin des Weinguts Lackner-Tinnacher in der Südsteiermark.
Weinkenner.de: Warum hat die DAC Steiermark so lange gedauert?
Katharina Tinnacher: Weil die Steiermark ein großes Gebiet ist mit unterschiedlichen Unterzonen und zahlreichen regionaltypischen Rebsorten, von denen jede ihre eigenen Anforderungen an Boden und Klima stellt. Es war nicht einfach, diese Vielfalt mit einer DAC Steiermark abzudecken.
Weinkenner.de: Das Besondere ist, dass eine Riedenklassifikation Bestandteil der DAC Steiermark werden soll. Nun weiß man, dass Klassifikationen immer umstritten sind. Wie wollen Sie es schaffen, dass Einigkeit über die Klassifikation erzielt wird und diese Gesetzeskraft erlangen kann?
Katharina Tinnacher: Die DAC bietet uns Weinerzeugern die Möglichkeit, unser eigenes Weingesetz zu formulieren. Wenn die Mehrheit dem Klassifikationsvorschlag zustimmt, können wir die Klassifikation in die gesetzliche DAC implementieren.
Weinkenner.de: Die Mehrheit wovon?
Katharina Tinnacher: Der DAC zugeordnet ist ein interprofessionelles Komitee, in dem die Weinbauern, der Weinhandel und die Weinbauvereine vertreten sind. Dort wird der Vorschlag diskutiert und dann mehrheitlich entschieden. Das heißt: Der Vorschlag kann durchkommen, auch wenn es Gegenstimmen gibt.
Weinkenner.de: Welches sind die Kriterien für Erste beziehungsweise Grosse Rieden?
Katharina Tinnacher: Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir klassifizieren nicht die Riede selbst, sondern die Weine, die von diesen Rieden kommen. Das ist ein großer Unterschied zu Frankreich und auch zu Deutschland, wo die Güte der Lage das entscheidende Kriterium darstellt. Wir werden also nicht flächendeckend Bodenproben entnehmen, sie analysieren und dann irgendwelche Schlüsse daraus ziehen. Wir wollen uns auf unser Erfahrungswissen stützen, das uns ziemlich genau sagt, in welchen Rieden in der Steiermark gute und große Weine wachsen können. Die STK-Güter, aber auch andere steirische Winzer, bewirtschaften die in Frage kommenden Rieden seit Jahrzehnten. Die Qualität und die Langlebigkeit der Weine von dort lässt sich über Jahrzehnte hinweg nachprüfen. Die entsprechenden Flaschen liegen in den Archiven in unseren Kellern. Wenn die Riedenwein-Klassifikation ins DAC System eingegliedert wird und ein Weingut den Antrag stellt, einen Wein aus einer Riede zu klassifizieren, dann gilt es ältere Jahrgänge vorweisen zu können, um Qualität, Haltbarkeit und Langlebigkeit nachzuweisen.
Weinkenner.de: Ist Langlebigkeit das einzige Kriterium?
Katharina Tinnacher: Natürlich nicht. Es gelten viele andere, objektiv messbare Kriterien. So müssen die Rebstöcke im Durchschnitt mindestens 15 Jahre alt sein. Die Weinberge müssen mindestens naturnah bewirtschaftet werden. Herbizide sind im STK-System nicht erlaubt. Handlese ist obligatorisch. Der Ertrag darf 4500 Kilogramm Trauben pro Hektar nicht überschreiten. Der Wein muss trocken ausgebaut sein, darf maximal vier Gramm unvergorenen Restzucker enthalten. Und er darf erst nach 12 beziehungsweise 18 Monaten freigegeben werden. Das heißt: Erste Rieden dürfen ab September des auf die Lese folgenden Jahres verkauft werden, Große Rieden erst ab Mai im zweiten Jahr nach der Lese. Wir wünschen uns außerdem, das der Weinbauer, der sich um die Anerkennung als klassifizierter Riedenwein bemüht, selbst initiativ wird, um seinen Wein über den regionalen Bereich hinaus bekannt zu machen, möglichst auch im Ausland. Innerhalb der STK-Weingüter haben wir diese Kriterien seit zehn Jahren erprobt. Nun gehen wir im Rahmen des interprofessionellen Komitees in Diskussion mit den anderen steirischen Weinbauern um daraus gemeinsam eine Riedenweinklassifikation mit Gesetzesstatus zu entwickeln.
Weinkenner.de: Werden die Weine einer Kostkommission zur Prüfung vorgesetzt?
Katharina Tinnacher: Wir haben entschieden, auf eine eigene sensorische Stilanalyse durch ein Verkostungsgremium zu verzichten. Ob jemand seinen Wein im Edelstahl oder im Holzfass ausbaut, spielt für die Klassifizierung der Riede keine Rolle. Wir prüfen allerdings, wie die Weine der Antragsteller von einschlägigen Kostgremien wahrgenommen werden, sowohl während der Fachverkostungen bei Weinwettbewerben als auch bei Presseverkostungen. Weine, die bei solchen Verkostungen nicht die erforderliche Anerkennung bekommen, werden es schwer haben, die Genehmigung zu erhalten, Erste oder Große Riede auf ihr Etikett zu schreiben. Zu einer Großen Riede gehört immer auch ein Weinbauer, der einen großen Wein machen will.
Weinkenner.de: Was passiert, wenn zwei Weine aus der gleichen Lage kommen, aber nur einer klassifiziert wird, während dem anderen mangels öffentlicher Wahrnehmung oder anderer Gründe die Anerkennung versagt bleibt?
Katharina Tinnacher: Grundsätzlich ist es jedem Weingut erlaubt, den Namen der Riede auch ohne Klassifikation aufs Etikett zu schreiben. Die Prüfung, ob ein Wein die Auszeichnung „Erste“ oder „Große“ Riede tragen darf, wollen wir jedenfalls von einem unabhängigen Gutachter, beispielsweise der Kellereiinspektion oder einer anderen Kontrollstelle, überprüfen lassen.
Weinkenner.de: Bleibt die Frage, was genau eine Erste und eine Große Riede ist. Auch wenn letztlich nur der Wein klassifiziert wird, so muss es doch objektive Kriterien geben, welche Weinberge neben den schon heute bekannten Spitzenlagen eine Chance haben, klassifizierte Weine hervorzubringen. Denken Sie an Sausal/Kitzeck, eine aufstrebende Unterzone in der Südsteiermark, in dem Ihr Weingut und einige andere STK-Kollegen Weinberge besitzen, in der es aber jede Menge anderer Rieden gibt, die gefühlt Große Rieden darstellen.
Katharina Tinnacher: Selbstverständlich werden gewisse Anforderungen an die Riede selbst gestellt, wenn die Weine aus ihr klassifiziert werden sollen. Es kommen nur Hanglagen in Frage, die von Ost nach West verlaufen. Sie müssen ein gutes Mikroklima und eine geeignete Bodenstruktur aufweisen. Anderenfalls hat der Wein keine Chance, als klassifizierter Riedenwein anerkannt zu werden. Er bleibt ein Ortswein oder ein einfacher Gebietswein. Sausal/Kitzeck ist insofern eine besondere Situation, als sich dort nach unserer Meinung zwar viele großartigen Rieden befinden, aber innerhalb der STK-Mitglieder bislang nur ein Produzent zehn Jahrgänge seines Weins aus einer solchen Riede vorweisen kann…
Weinkenner.de: …Polz mit seinem Sauvignon blanc Therese, der aus der Riede Theresienhöhe stammt.
Katharina Tinnacher: Die anderen, mich eingeschlossen, haben noch keine zehn Jahrgänge auf der Flasche. Aber mit dem Weingut Wohlmuth, das wir jetzt neu aufgenommen haben, werden wir ab dem Jahrgang 2018 neue Erste und Große STK-Rieden dazu bekommen, und wenn die Riedenwein-Klassifikation ins DAC-Gesetz kommt, gibt es auch abseits der STK weitere sehr gute Winzer, die im Sausal hervorragende Weine mit Potential für Erste und Große Rieden produzieren.
Weinkenner.de: Wann glauben Sie, wird die Riedenklassifikation umgesetzt sein?
Katharina Tinnacher: Wir sind so ambitioniert zu glauben, dass wir mit dem Jahrgang 2019 eine erste Riedenklassifikation vorlegen können.