Im waschküchengroßen Keller eines halbverfallenen Hauses begann vor 32 Jahren ein Belgier namens Jacques Thienpont die Trauben seines kleinen Weinbergs in Pomerol zu vinifizieren. Der Wein erlangte rasch Weltruf. Schon die ersten Jahrgänge kosteten gleich mehrere hundert Mark. Für die jüngsten Jahrgänge muss man sogar über 2000 Euro pro Flasche ausgeben.
Ähnlich rekordverdächtig war auch die Länge der Umwege, die ein ortsunkundiger Besucher einschlagen musste, um das Weingut im Labyrinth der Straßen, Sträßchen und Feldwege Pomerols zu finden. Denn das alte Haus war nur über eine unbefestigte Piste zu erreichen. Am besten man orientierte sich an den zwei imposanten Pinien, die sich neben dem heruntergekommenen Haus in den Himmel reckten. Sie gaben dem Wein den Namen: Le Pin. Leider war, wenn man endlich vor dem Weingut stand, selten jemand da, der die Tür öffnete: Ziel erreicht, Besuch vergeblich.
Le Pin wurde zum Vorbild für eine ganze Schar von Kleinstwinzern in Bordeaux, die scherzhaft als „Garagen-Winzer“ in die Bücher eingegangen sind. Viele dieser Weine sind inzwischen wieder vom Markt verschwunden. Nicht Le Pin: Jacques Thienpont erzeugt inzwischen sogar 7000 Flaschen, die von (mittlerweile) zweieinhalb Hektar Reben in bester Lage auf dem Sand- und Lehmplateau Pomerols kommen.
Abschied von der Vergangenheit
Der Prototyp des Garagenweins feiert in diesen Tagen Abschied von der Vergangenheit: Das alte Gemäuer existiert nicht mehr. Schon im Frühjahr während der Primeurverkostungen standen die beiden Pinien allein auf weiter Flur. Anstelle des alten Gemäuers wurde rechtzeitig zum Herbst ein neuer Keller hochgezogen. Zwar nur die Miniatur-Ausgabe eines Château, aber ganz bestimmt keine Garage mehr und noch weniger eine Waschküche. Nach dreißig Jahren war die Zeit reif, das Garagen-Image abzustreifen. Genügend Kleingeld hatte sich auch in der Portokasse angesammelt.
Das neue Kellereigebäude, in diesen Tagen eingeweiht, wurde von dem Belgischen Architekten Paul Robbrecht im Stil der Neuen Einfachheit gebaut. Simpel ist das aus Beton und Natursteinen errichtete Gebäude jedoch nicht: Mit seiner geschwungenen, gewölbten Dachkonstruktion duckt es sich vor den Blicken neugieriger Edelweintouristen und passt sich harmonisch in die Umgebung ein.
Nur das Türmchen erinnert an ein Château
Ein kleiner, rund acht Meter hoher Turm nimmt auf verspielte Weise das traditionelle Châteaus-Motiv auf. Im Erdgeschoss hat das knapp dimensionierte Gebäude Platz für sieben Gärbehälter aus Edelstahl, im unterirdischen Teil für rund achtzig Barriques – die Menge zweier Ernten.
Der 2011er Le Pin wurde bereits im neuen Gemäuer vinfiziert. „Am 16. September wurden die Gärbehälter installiert, drei Tage später haben wir die ersten Trauben gelesen“, berichtet Jacques Thienpont. Und: „Schon jetzt erkennen wir, welche Präzision bei der Arbeit uns der neue Keller gestattet.“ Le Pin, der Garagenwein, ist also tot. Es lebe Le Pin, der Châteauwein – auch wenn das Château nur die Größe einer Boutique hat und man den Wein in Zukunft noch seltener denn je ins Glas bekommen wird.