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En Primeur-Kampagne 2009: Bordeaux im Geldrausch

Der Subskriptionsmarkt für den 2009er Jahrgang schlägt alle Rekorde. Noch nie mussten Weinhändler und Käufer so lange auf die Offerten der Châteaux warten. Noch nie fand eine Primeur-Kampagne in einer so erhitzten Atmosphäre statt. Noch nie gingen die Preise dermaßen durch die Decke wie gerade jetzt. Ein Rückblick auf die letzte Woche von Ulrich Sautter.

Die Kampagne begann mit einem Affront: Auf der Internet-Plattform Liv-ex.com wurde bereits im Mai eine Kiste 2009er Lafite Rothschild gehandelt – zu diesem Zeitpunkt hatte das Château selbst seine Offerte noch gar nicht vorgelegt. Ein Leerverkauf wie am Aktienmarkt. Wie sich nun zeigt, hat der Käufer dieser Kiste ein gutes Geschäft gemacht. Er bezahlte für den gewissermaßen vor-subskribierten Lafite rund 850 Pfund Sterling (etwa 1000 Euro) pro Flasche. Der Marktpreis für Lafite ist mittlerweile jedoch bei rund 1400 Euro angelangt.

Dabei sind die rund zehn gefragtesten Weine am Markt praktisch nicht zu finden. Ganz besonders gilt dies für den Ausnahme-Pomerol Petrus, den kein einziger deutscher Weinhändler offiziell in seinen Subskriptions-Listen führt. International bewegen sich die Primeur-Offerten für Petrus zwischen 2000 und 3000 Euro (wobei offen bleibt, wieviele Flaschen jeweils hinter einem Angebot stehen). Bei den Premiers Crus classés des Médoc (Lafite, Mouton, Latour, Margaux und Haut-Brion) zeichnet sich überdies eine interessante Preis-Hierarchie ab. Lagen diese fünf Weine früher preislich immer etwa gleichauf, so ist jetzt eine deutliche Staffelung zu erkennen. Lafite (1400 Euro) und Latour (rund 1300 Euro) haben sich deutlich von den anderen Premiers abgesetzt. Auf den Plätzen folgen Margaux (1050 Euro), Mouton (900 Euro) und Haut-Brion (850 Euro). Auch bei den beiden höchst dotierten St-Émilions hat sich der Preisabstand vergrößert: Während eine Flasche Cheval blanc rund 900 Euro kostet, muss man für Château Ausone fast das Doppelte ausgeben (1700 Euro).

Dass gerade Lafite dermaßen erfolgreich ist, scheint das meist gehörte Gerücht der diesjährigen Primeurkampagne zu bestätigen: dass zum ersten Mal in der Primeur-Geschichte Bordeaux’ auch chinesische Weinhändler in Kauflaune seien. Bekanntermaßen sind die Weine der Lafite-Familie in China besonders hoch angesehen. Neben Lafite Rothschild erzielen auch der Zweitwein Carruades und das Lafite-Schwestergut Duhart Milon spektakuläre Preise. Carruades – um es nochmals zu betonen: ein Zweitwein! – wird mit erstaunlichen 200 Euro pro Flasche gehandelt, und auch Duhart Milon schoss nach 49 Euro für die winzigen Mengen der ersten Tranche auf rund 90 Euro in der zweiten und dritten Tranche.

Andererseits zitiert decanter.com in einer Meldung vom 8. Juli einige englische Weinhändler, die sich eher enttäuscht über den Verkaufserfolg in Asien äußern. Beispielsweise beziffert der Direktor des Londoner Brokers “Bordeaux Index” den Anteil Asiens am Primeur-Geschäft seines Unternehmens auf nur zehn Prozent. Noch im Februar hatte er an gleicher Stelle einen Anteil von 20 Prozent vorhergesagt.

Der englische Markt selbst – üblicherweise neben den USA der wichtigste Primeurmarkt – scheint umso besser zu laufen. Und dies nicht nur auf dem Niveau der Premiers Crus, sondern auch bei den teilweise ebenfalls massiv verteuerten Weinen, die im Ansehen unmittelbar hinter den Premiers stehen. So berichtet etwa Simon Staples, Kopf des Londoner Traditionshauses Berry Brothers & Rudd, dass er trotz des stolzen Preises von 224 Pfund (ca. 270 Euro) pro Flasche 600 Kisten Château Palmer verkauft habe – und das in nur dreißig Minuten nach Bekanntwerden der Offerte.

Lesen Sie nächste Woche in Teil 2: Was Deutschlands wichtigste Weinhändler zur Marktentwicklung sagen.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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