Seine Rotweine hat Friedrich-Wilhelm Metzeler nach den Geliebten berühmter deutscher Dichter benannt. Einer heißt Faustina nach der jungen, herrlich unkomplizierten Gespielin Goethes, deren Wollkleid sich, wie der Dichterfürst lustvoll bemerkte, sehr leicht hochheben ließ, weil es nicht mit Bändchen und Schnüren verziert war wie die Kleider herrschaftlicher Damen. Ein anderer Rotwein heißt Letizia in Erinnerung an eine alternde Puffmutter aus Lucca, in die Heinrich Heine sich verguckt hatte. Der dritte Wein trägt den Namen Eleonora auf dem Etikett. Mit Elenora ist die Duse gemeint. In die weltberühmte Opersängerin hatte sich Rilke unsterblich verliebt.
Italiens blasseste Weinregion
Man mag die Namensgebung als bildungsbürgerlichen Spleen bezeichnen. Doch der Inhalt der Flaschen ist bemerkenswert. Der Eleonora, eine Cuvée aus Sangiovese mit einem kleinen Anteil Merlot, düftelt so fein nach Beeren, Zimt, Vanille und Kaffee, dass man sich im Restaurant glatt das Dessert und den abschließenden Espresso sparen kann. Besonders erfreulich ist ist: Man muss diesen Wein nicht jahrelang lagern, um in den vollen Trinkgenuss zu kommen. Er blüht schon nach ein, zwei Jahren auf und lässt all das schmecken, was mittelitalienische Rotweine gemeinhin auszeichnet – fruchtig-reife Aromen, salzige Würze, milde Säure und Tiefe.
Villa Caviciana heißt das Weingut. Es liegt am Bolsena-See in Latium, das als die blasseste Weinregion Italiens gilt. Prominent ist die Region nur wegen der Hauptstadt Rom, aber nicht wegen ihrer Weine. Der bekannteste ist der Frascati – ein Weißer, vor dem man nicht in die Knie gehen müsste.
Klima und Böden ähnlich wie in der Südtoskana
Doch Latium ist groß, und es gibt viele Ecken, die weinbaulich hochwertig sind, ohne dass dies bekannt wäre. Villa Caviciana liegt im Norden, nur wenige Kilometer von der Südgrenze der Toskana entfernt. Das Klima dort ist ähnlich mild, die Böden ähnlich wie in Montalcino. Doch erzeugt wurden am Bolsena-See bis vor kurzem nur schlichteste Weißweine aus Trebbiano-Trauben und ein Roter namens Aleatico, ein süßer Dessertwein. Nichts, mit dem man berühmt werden könnte.
Metzeler, ein Insolvenzanwalt aus Düsseldorf, wollte auch gar keinen Wein machen, als er 1989 das erste Mal an den Bolsena-See kam. Er wollte ein Haus bauen, um mit seiner Frau Mocca, einer bekannten Sammlerin moderner Kunst, ein paar Monate im Jahr dort den Ruhestand zu genießen.
Größter Arbeitgeber in Grotte delCastro
Aus dem Haus ist ein landwirtschaftliches Gut von 70 Hektaren geworden und aus der Ruhe ein gepflegter Unruhestand. In Grotte del Castro, wie der Ort heißt, ist Metzeler plötzlich der größte Arbeitgeber. Neben dem Wein hält er eine große Herde ungarischer Zackelschafe, und in den Wäldern um das Gut laufen bis zu 100 Managalitza-Wollschweine frei herum. Das Fleisch beider Tierrassen verkauft er in einige der besten Restaurants Italiens und Deutschlands. Dazu kommen 5.000 Olivenbäume. Das Öl, das aus ihren Früchten gepresst wird, ist hoch dekoriert und wird in alle Welt verkauft. Außerdem wird es, wie auch der Wein, biologisch hergestellt.
Basis Sangiovese
Der Wein: Sangiovese ist die Hauptrebsorte der Villa Caviciana. Ob sie auf den Böden von Grotte del Castro gut gedeihen würde, war dem Düsseldorfer nicht klar, als er die Sorte einst pflanzte. Heute weiß er, dass sie hervorragende Weine ergeben kann, wenn die Reben richtig gepflegt und die Erträge niedrig gehalten werden.
Allerdings setzt Metzeler nicht ausschließlich auf Sangiovese. Sein Letizia besteht aus Cabernet franc, Cabernet Sauvignon und Merlot, der Faustina aus Sangiovese und Tannat. Sie sind seine Spitzenweine. Daneben erzeugt er einen Weißwein, einen Rosé und einen Schaumwein – plus einen roten Aleatico. Den Bewertungen der einschlägigen italienischen Weinführer zufolge ist er der beste Aleatico der Gegend.
Doch der frivolste Rote ist der nach der Opernsängerin benannte. Er besitzt vielleicht nicht die Eleganz eines Chianti Classico, noch weniger die Struktur eines Brunello. Dafür ist er voller, sinnlicher als diese beiden Weine, ja fast opulent. Während Rilkes Liebe für die Eleonora eine heimliche war, ist die Hemmschwelle bei diesem Wein eher niedrig. Ein schlechtes Zeichen ist das nicht.
Die Weine
2012 Eleonora, Villa Caviciana, € 13,10
2011 Letizia, Villa Caviciana, € 23,20
2010 Faustina, Villa Caviciana, € 31,00
Bezug:
Kristin Eisenberg, Eltville-Rauenthal
Tel. 06123-2079990
Mobil 0162-5810734
eisenberg@villacaviciana.com
www.villa-caviciana.de