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„Einstiegsdroge“ in die Welt der feinen Burgunderweine

Es heißt, unter 30 Euro gäbe es keine großen Burgunder. Die Aussage ist falsch. Für große Burgunder muss man 100 Euro auf den Tisch legen. Mindestens. Aber das Faszinierende ist, dass die Magie der Sorte Pinot Noir auch in kleinen Weinen zum Ausdruck kommen kann, dann nämlich, wenn ein Winzer sich auf diese Sorte versteht.

Chanson ist eine bekannte, aber keine berühmte Domaine im Burgund. Ihre Weine sind moderat im Preis. Ihr einfacher Bourgogne Pinot Noir kostet zum Beispiel nur 13,99 Euro. Aber schon der erste Riechkontakt macht Lust: die typische Pinot-Nase. So nennen die Burgunderliebhaber dieses schwer zu beschreibende Duftgemisch von Pflaumenkonfitüre, Himbeerdrops, Weichselkirschen, Rosenblättern und einem Hauch süßer Lakritze, das aus dem Glas strömt und einen Vorgeschmack auf das zu erwartende Trinkvergnügen gibt.

Angenehm leicht und mit spielerischer Eleganz

Zugegeben, die Duftkomplexität dieses Weins erreicht nicht ganz die beschriebene Stärke. Aber für einen Wein dieser Preisklasse ist das Bouquet erstaunlich gut ausgepägt, vor allem sauber und in keiner Weise verkünstelt. Auf die penetrant blumigen Noten, die deutsche Spätburgunder oft so parfümiert erscheinen lassen, kann dieser Wein erfreulicherweise verzichten. Auch ist er im Mund nicht nur weich und samtig, sondern besitzt ein feines, aber festes Tanninrückgrad. Mit anderen Worten: ein bodenständiger, im besten Sinne rustikaler Wein, durchaus mit Biss, aber auch mit spielerischer Eleganz.

Im Besitz von Champagne Bollinger

Domaine Chanson
Domaine Chanson

Die gute Qualität dieses kleinen Burgunders ist kein Zufall. 1999 hat das Champagnerhaus Bollinger die Domaine Chanson mitsamt ihrer 45 Hektar Weinberge gekauft. Ein junges, hochmotiviertes Team wurde installiert, das sofort begann, die Weinproduktion neu zu ordnen: parzellengenaue Handlese, Kaltmazeration, Ganztraubenvergärung, langsames Ausgären und vorsichtiges Abpressen.

Die Resultate blieben nicht aus. Aus der verschlafenen Domaine wurde innerhalb von wenigen Jahren ein moderner Burgundererzeuger, der auch an der Basis seiner Qualitätspyramide höchst respektable Weine erzeugt. Vor allem in den letzten Jahren hat die Qualität der Chanson-Weine deutlich zugelegt.

Wen es nach Beaune verschlägt, der kann sich vor Ort davon überzeugen. Der Probenraum der Domaine in der alten Bastion de l’Oratoire in der Rue Paul Chanson 10 ist immer offen. Ein Besuch ist auch ohne Voranmeldung möglich – eine Seltenheit im Burgund.

45 Hektar eigene Weinberge

Chanson besitzt 45 Hektar eigene Weinberge an der Côte de Beaune. Um ihr Sortiment zu komplettieren, kauft die Domaine Trauben von Vertragswinzern zu. Auf diese Weise kann sie auch Weine aus der Côte de Nuits anbieten. Die Trauben für den Bourgoge Pinot Noir kommen aus eigenen Weinbergen um Beaune, teils auch von benachbarten Winzern, wie es im Burgund guter Brauch ist.

Süchtig nach Pinot Noir

Pinot Noir-Traube
Pinot Noir-Traube

Sicher, dieser Wein ist nur die Einstiegsdroge in die Welt der feinen Burgunderweine. Aber sie zeigt, dass der Esprit der Pinot Noir auch schon in kleinen Weinen zum Ausdruck kommen kann. Wer ein Meeresfrüchte-Risotto liebt oder trotz der nervenden Diskussionen, ob und wieviel Fleisch man essen darf, einfach mal wieder Lust auf ein Kalbsfrikassé oder ein Hühnchencurry hat, wird sich an diesem Wein durchaus delektieren können. Die Gefahr ist lediglich, süchtig nach Pinot Noir zu werden und dann nach höheren Qualitäten Ausschau zu halten, was – davor sei ausdrücklich gewarnt – teuer werden kann. Eine Flasche Beaune 1er Cru kostet schnell mal 50 Euro, Grands Crus wie Bonnes Mares oder Chambertin Clos de Bèze das Doppelte.

Noch zwei Trinkempfehlungen zu diesem Wein: ihn bitte mit 14° Celsius, also eher kühl servieren, und nicht aus einem Burgunderkelch, sondern aus einem kleineren Glas genießen, etwa einem Weißweinglas. Und ganz wichtig: nicht lange lagern, sondern jetzt und in den nächsten 12 Monaten konsumieren. 2011 war im Burgund ein schwieriges Jahr. Das Reifepotenzial der Weine ist nicht sonderlich groß.


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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