Freitag, Oktober 11, 2024
9.9 C
München
spot_img

Edeka ist so frei: roter Bordeaux für 7,99 Euro von Michel Rolland

Edeka hat einen Coup gelandet. Der Filialist bietet einen Roten aus Bordeaux an, der die Handschrift des Star-Önologen Michel Rolland trägt. „Herausragend“ bejubeln ihn die Edeka-Verantwortlichen. Stimmt – jedenfalls im Vergleich zu den anderen Bordeaux-Weinen des Edeka-Sortiments.

Michel Rolland

Einmal einen Wein von Michel Rolland trinken – das ist der Traum vieler Bordeaux-Liebhaber, deren Budget zu schmal ist, um Weine zu trinken, die zwischen 70 und 1.500 Euro kosten.

Der französische Star-Önologe berät ungefähr 90 Weingüter, der größte Teil in Bordeaux. Châteaux wie Evangile, Le Pin, Ausone, Trolong-Mondot, Pape-Clément, Pontet-Canet, die allesamt zum Adel der berühmtesten französischen Appellation zählen, hören auf seinen Rat.

Der Wein kommt von einem Négoçiant

Aber Rolland gibt auch weniger berühmten Châteaux keinen Korb, wenn sie sich an ihn wenden. Er lässt seinen Rat sogar einem Bordelaiser Négoçiant zuteil werden: dem Handelshaus Raymond Huet, das in Landiras südlich von Bordeaux domiziliert. Raymond Huet hat sich auf Handelsmarken spezialisiert: Rotweine, die in großen Mengen für gewerbliche Kunden unter verschiedenen Etiketten abgefüllt werden. Es vertreibt einen einem Haut Médoc, einen St. Emilion Grand Cru und einen roten Bordeaux générique. Von Letzterem wurden in 2012 rund 600.000 Flaschen abgefüllt.

Der größte Teil dieses einfachen Bordeaux AC (inzwischen AOP geheißen) ist für den Export bestimmt und geht nach China. Aber 150.000 Flaschen dieses Weins hat sich Edeka gesichert. Der Lebensmittelfilialist mit seinen 11.700 Filialen in Deutschland hat den Wein in eine superschwere Flasche füllen und mit einem echten Zinnetikett ausstatten lassen. Es trägt den Schriftzug von Michel Rolland. Seit Ende Oktober steht dieser Wein in den Edeka-Filialen. Ausgepreist ist er mit 7,99 Euro.

Ein 2012er ohne „grüne“ Noten

2012 Bordeaux AOP „Michel Rolland“

Der Wein ist laut Raymond Huet eine Merlot-/Cabernet Sauvignon-Cuvée. „Herausragend“ sei der Wein, schreiben die Edeka-Experten, was vor dem Hintergrund, dass die anderen von Edeka zum Weihnachtsfest empfohlenen Bordeauxweine zwischen vier und sechs Euro liegen, unwidersprochen bleiben soll. Zynismus beiseite: Der Michel-Rolland-Wein ist ein wahrer Gaumenschmeichler: saftig, weich, rund, ohne störendes Tannin, ohne jede „grüne“ Note. Richtig lecker, um diese prollige Vokabel zu benutzen.

Wie es möglich war, im „Katastrophenjahr“ 2012 einen solchen Wein auf die Flasche zu bringen, weiß nur Michel Rolland selbst. Viele fünfmal so teure Grands Crus, vor allem in den Merlot-lastigen Appellationen Bordeaux’, zeigen unreife Töne im Bouquet und am Gaumen – dieser Wein nicht, obgleich seine Basis auch aus Merlot besteht. Dass ein kleiner Anteil 2011er in ihm verschnitten worden sein könnte (was erlaubt wäre), scheint unwahrscheinlich. Denn der Wein wirkt extrem jung. Fast könnte man sagen: noch mostfrisch. Außerdem war der 2011er Jahrgang auch nicht viel besser.

Viel Geschmack, wenig Bordeaux

Kurz: Für Leute, die endlich mal einen schmackhaften Bordeaux trinken wollen, ohne zehn Jahre warten zu müssen, kommt dieser Wein gerade richtig. Mit Terroir hat er nichts zu tun, mit Tradition noch weniger. Und mit Adel, Nobilität und ähnlichem Gesumms überhaupt nichts. Eigentlich hat er auch mit Bordeaux wenig zu tun. Aber macht das was? Er schmeckt trotzdem.

So gesehen sollten diejenigen, die sich den echten Bordeaux-Adel nicht leisten können (oder wollen), es mit diesem Wein einmal versuchen. In der 7,99-Euro-Preisklasse gibt es kaum Besseres. Auf jeden Fall lehrt dieser Wein, was die Hand eines Star-Önologen zu zaubern in der Lage ist.

Übrigens: Michel Rolland war derjenige, der in dem Film „Mondovino“ von Jonathan Nossiter im Kreuzfeuer der Kritik stand – wegen seiner Nähe zu Robert Parker.


2012 Bordeaux AOP „Michel Rolland“, abgefüllt von Raymond Huet
Preis: 7,99 Euro
Bezug: in allen größeren Edeka-Filialen


- Anzeige -spot_img

4 Kommentare

  1. Keine Frage ein hervorragender Wein! Ich würde gerne mehr davon kaufen.

    ABER die Flasche ist eine FRECHHEIT! Warum muss dieser Wein in eine 1,2 Kg schwere Flasche gefüllt werden? Selbst Sekt oder Champagner wird in nur 600 g schwere Flaschen gefüllt und das reicht völlig, um dem hohen Druck Stand zu halten.
    Haben Sie Angst, dass die Flaschen explodieren?

    Es ist eine Frechheit mit wie viel Verantwortungslosigkeit dieser Hersteller mit unseren Ressourcen umgeht. Weniger ist MEHR: Ist weniger Energieverbrauch, weniger CO2 Ausstoß. WENIGER ENERGIEVERBRAUCH beim TRANSPORT!!

    Es würde uns alle freuen, wenn Sie auch einmal darüber nachdenken würden und eine sinnvolle Verpackung nutzen.

    PS.: Sie könnten dabei sogar Geld sparen

- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img