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Domaine Michel Gaunoux: Burgunder der feinen, alten Art

Es gibt Weingüter auf der Welt, in denen die Zeit stehen geblieben ist. Manchmal ist das gar nicht schlecht. Es kann nämlich sein, dass diese Weingüter heute einen Vorsprung haben gegenüber jenen, die unbedingt mit der Zeit gehen wollten und irgendwann merken, dass sie in ein Fahrwasser geraten sind, in das sie eigentlich nicht wollten. Das gilt teilweise auch für das Burgund. Dann heißt das Kommando: zurück.

Keine Schokoladen- und Tabakaromen

Die Domaine Michel Gaunoux in Pommard muss keine Kehrwende vollziehen. An ihr sind die Stürme der letzten drei Jahrzehnte weitgehend vorübergezogen. Sie produziert Burgunder im alten Stil, feingliedrig, zart und mit einer natürlichen Eleganz, wie sie die neuen, dunklen, vom Weinhandel und der Weinkritik hoch gepriesenen Burgunder selten zeigen. Modische Schokoladen- oder Tabakaromen findet man in ihren Weinen nicht, ebenso wenig Neuholz-Noten. Die Gaunoux-Weine sind mineralischer, schlanker, säurebetonter, ja strenger als die meisten modernen Burgunder. Deshalb sind sie in den ersten Jahren oft schwer zu trinken. Aber sie sind langlebig und bieten nach einigen Jahren einen Trinkgenuss, den viele andere Burgunder nicht bieten. Und das Schöne: Der Keller der Domaine ist noch ziemlich voll mit alten Jahrgängen.

Eigentlich haben Gaunoux’ Pommards Grand Cru-Status

Die Domaine Michel Gaunoux (nicht zu verwechseln mit der Domaine Jean-Michel Gaunoux) ist in den beiden besten Premiers Crus von Pommard vertreten. In der Lage Grands Epenots besitzt sie 1,74 Hektar, in Rugiens 0,75 Hektar. Wer mit Burgund-Kennern redet, hört oft, dass diese beiden Premiers längst Grand Cru-Status verdient hätten, vor allem die tiefer gelegenen Parzellen. In ihnen ist Gaunoux begütert. Außerdem besitzt die Domaine 0,77 Hektar in drei anderen Premiers Crus von Pommard (Les Charmots, Les Combes, Les Arvelets) sowie 0,63 Hektar im Grand Cru Corton Renardes.  Dazu kommen mehrere kleine Parzellen im Bereich Beaune Villages und Bourgogne Rouge: eine Domaine mit überschaubarem, aber hochwertigen Lagenbesitz.

Bei der Weinkritik ist die Domaine nicht existent

Dass die Uhren dieser Domaine anders gehen, ist schon äußerlich zu erkennen. Man findet sie nämlich nur schwer, obwohl sie nur wenige Schritte  von der Place de l’Eglise in Pommard entfernt liegt. Kein Hinweisschild im ganzen Dorf, kein Name am Hoftor. Man muss erstmal im Telefonbuch nachschlagen, um die Adresse zu finden. Wenn der Besucher dann endlich vor dem Weingut steht, zeigt ihm nur ein kleines, unscheinbares Messingschild an einer Nebentür, dass er richtig ist. Eine Klingel gibt es nicht. Und das Hoftor ist meistens verschlossen.

Für die meisten Weinkritiker war die Domaine bisher nicht existent. Michel Bettane und Thierry Desseauve, die beiden renommiertesten französischen Verkoster, haben sie nicht auf dem Zettel. Die Révue du Vin de France, Frankreichs am weitesten verbreitete Weinzeitschrift, hat die Weine vor zwanzig Jahren das letzte Mal probiert. Bei Parker und Antonio Galloni („Vineous“) war und ist Michel Gaunoux nicht gelistet.

Vor 40 Jahren waren die Weine Legende

Dass die Domaine so konsequent übergangen wird, hat seine Gründe. Michel Gaunoux ist 1984 gestorben. Er galt als der genialste Winzer in Pommard, manche behaupteten damals sogar: der ganzen Côte d’Or. Das mag übertrieben sein. Aber seine Weine waren vor 40 Jahren Legende.

Alexandre und Madame Gaunoux
Alexandre und Madame Gaunoux

Da Sohn Alexandre, als der Vater starb, zu jung war, um die Domaine zu übernehmen, führte Madame Gaunoux das Werk ihres Mannes fort. Mit Hilfe des langjährigen Kellermeisters wurden die Reben genauso bearbeitet wie in den Jahren zuvor und der Wein genauso vinifiziert: die Lese (für heutige Verhältnisse) untypisch spät, Vergärung spontan in großen, alten, offenen Cuves, Pigéage von Hand, hohe Gärtemperaturen, um die Extraktion zu optimieren, zweijähriger Ausbau (zumindest für die Premiers Crus) in gebrauchten Piècen.

Das Resultat: Weine im klassischen Stil, komplex, bodengegeprägt, robust und bewusst so konzipiert, dass sie erst nach einigen Jahren auf der Flasche die optimale Trinkreife erreichen. Große Jahrgänge wie 2005 und 2002 brauchen zwanzig Jahre, um auf ihren Höhepunkt zu kommen. Als ältesten Wein verkostete ich den Pommard Rugiens 1er Cru aus dem großen 1969er Jahr: keine Spur von Oxydation. Im Gegenteil: immer noch frisch mit packender Säure und einer frivolen Pinot-Süße im Finale. Hier trifft das Wort “Gänsehautwein” einmal wirklich zu.

Bodenunterschiede deutlich herausgearbeitet

Seit 1990 leitet Alexandre die Domaine zusammen mit seiner Mutter. Die Stilistik der Weine ist geblieben. Der Keller trägt inzwischen allerdings museale Züge. Wer Rebler und Presse sieht, wundert sich, wie es mit solch Gerätschaften gelingt, die feinen Unterschiede zwischen den Weinen so gut herauszuarbeiten: der Grands Epenots der üppigere, Rugiens der finessereichere, der Corton Renardes der robustere, aber auch delikatere Wein. Doch wenn das Lesegut perfekt ist, ist Technik zweitrangig.

Die Crus von Pommard
Die Crus von Pommard

 

Auch an dem zurückhaltenden Auftritt der Domaine hat nichts geändert. Die jungen Jahrgänge werden äußerst restriktiv vermarktet zugunsten großer Stocks, die im Keller angelegt werden. Und von den älteren Jahrgängen werden jeweils nur kleinste Tranchen freigegeben, dies allerdings regelmäßig.

Auch die Vertriebspolitik ist noch ziemlich altmodisch

Wer nun glaubt, einfach mit dem Auto vorfahren und sich den Kofferraum vollladen zu können, der irrt. Madame Gaunoux verkauft nicht, sie teilt zu. Nach welchem Schlüssel, ist ihr Geheimnis. Die Preise teilen sie oder Alexandre mündlich mit: Tarif sur demande. Sie liegen deutlich über dem Durchschnittsniveau der Appellation.


Die Weine

Bourgogne

2013 Bourgogne Rouge

Sehr hellfarbig mit schönem Bouquet, aber jahrgangsbedingt auch mit hoher Säure, derzeit schwierig zu trinken

Bewertung: 87 Punkte

Preis: ca. 20 Euro


Beaune

2013 Beaune

Village-Wein mit betörender Nase, aber hartem, unaufgeschlossenen Tannin, strenger Säure, grüne Tomaten.

Bewertung: 89 Punkte

Preis: ca. 35 Euro


Pommard 1er Cru

2013 Pommard 1er Cru

Tolle, gut entwickelte Nase mit Kirsch- und Beerenfrucht, am Gaumen gradlinig, ja puristisch mit schöner, weiniger Säure: Cuvée von 3 Premiers Crus, sollte sich gut entwickeln.

Bewertung: 90 Punkte

Preis: ca. 80 Euro


Pommard Grands Epenots

2013 Pommard Grands Epenots 1er Cru

Völlig verschlossenen noch mit jungem Tannin und derzeit etwas spröde wirkender Säure, aber auch mit spürbarer Dichte: nicht so reich wie sonst, dafür mit mehr Spannung.

Bewertung: 92+ Punkte

Preis: ca. 100 Euro


Pommard Rugiens

2013 Pommard Rugiens 1er Cru

Relativ zugänglich zum Zeitpunkt der Verkostung, viel Sauerkirsche, Veilchen, erdige Würze, etwas schlanker als normal, aber gut balanciert und von samtigem Tannin durchzogen: könnte mal sehr fein werden.

Bewertung: 92+ Punkte

Preis: ca. 100 Euro


Corton Renardes

2013 Corton Renardes Grand Cru

Muskulöser, breit angelegter Wein mit relativ weichem, samtigen Tannin, viel roten und blauen Früchten, aber auch strengen, leicht fleischigen Aromen: kein kräftiger, aber ein energiegeladener Wein mit beträchtlichem Charme.

Bewertung: 93 Punkte

Preis: ca. 105 Euro


Pommard Grands Epenots

2011 Pommard Grands Epenots 1er Cru

Zarter Duft von Himbeere und Pflaume, dazu ein Hauch von Rote Bete, am Gaumen noch etwas streng, aber mit gut verschmolzenem, weichem Tannin: starker Wein mit großem Spannungsbogen.

Bewertung: 92 Punkte

Preis: 106,47 Euro


Pommard Grands Epenots

2008 Pommard Grands Epenots 1er Cru

Schwieriger Rotweinjahrgang, kühl und säurebetont, nach acht Jahren noch weit von seiner Bestform entfernt, in der Nase rohes Fleisch und Leber, am Gaumen noch verschlossen, schwierige Prognose.

Bewertung: 88-90 Punkte

Preis: ca. 80 Euro


Pommard Rugiens

2007 Pommard Rugiens 1er Cru

Bescheidenster Jahrgang des bisherigen Jahrhunderts: in der Farbe hell, im Mund spröde mit teilweise unreifer Säure, transparente Frucht: im Alter bis jetzt nicht besser geworden.

Bewertung: 88-91 Punkte

Preis: ca. 80 Euro


Corton Renardes

1998 Corton Renardes Grand Cru

Sehr homogener Wein, bereits schön gereift mit reifer, süßer Beerenfrucht, leicht orientalischer Würze und einem Hauch von Orangenzeste, dabei leicht wildig und streng mit rustikalem Tannin: noch lange nicht am Ende seiner Tage.

Bewertung: 93 Punkte

Preis: ca. 85 Euro


Pommard Rugiens

1969 Pommard Rugiens 1er Cru

Farbe schon etwas aufgehellt, aber eindrucksvolles Bouquet mit süßer Erdbeerkonfitüre, Minze, getrockneten Rosenblüten, intakte, kräftige Säure, die den Wein frisch hält, noch viel Druck am Gaumen, langes süßes Finish

Bewertung: 96 Punkte

Preis: noch unbekannt


 

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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