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Domaine Boudau: Grenache Noir aus Roussillon

Roussillon liegt da, wo Frankreich aufhört und Spanien noch nicht ganz begonnen hat. Eine malerische, sonnenbeschienene Landschaft, auf der einen Seite von den Pyrenäen, auf der anderen vom Mittelmeer eingefasst. An der Küste ist Roussillon quirlig, laut und heiß, im Hinterland einsam und von wilder Schönheit. Am schönsten ist Roussillon freilich da, wo der Wein wächst: in den Hügeln hinter Perpignan, der Hauptstadt, wo sich kleine Parzellen mit meist alten Rebstöcken aus rostroten Böden die Hänge hinaufziehen, eingeklemmt zwischen zerfurchten Kalkfelsen und wilder garrigue, der typischen mediterranen Krüppelvegetation.

Der Weinbau gehört zu den wenigen landwirtschaftlichen Kulturen, die im Roussillon überlebt haben – allerdings mit Mühe. Die Pflege der Weinberge ist aufwendig, die Erträge sind niedrig, und mit der langsamen Umstellung von alkoholverstärkten Süßweinen vom Typ Vin Doux Naturel auf trockene Rotweine ist die Konkurrenz zu den Weinen aus dem Languedoc, den Côtes-du-Rhône und dem benachbarten Spanien größer geworden. Doch es gibt im Roussillon gute, ja sehr gute Weine, die den Weg auf die feinsten Weinkarten Frankreichs gefunden haben und auch von den Deutschen schon entdeckt wurden. Einige der besten kommen aus der Domaine Boudau.

Die Basis bildet immer die Grenache Noir

Die Boudau-Weine, das sind ein schlanker, würziger Weißwein, ein Rosé, zwei Süßweine und eine Serie von Rotweinen. Letztere bilden das Rückgrat und sind das Aushängeschild dieses 100 000 Flaschen-Weinguts. An den Rotweinen fällt dreierlei auf: Auch die einfachsten sind überraschend dicht, fast kompakt. Sie besitzen ein feines, weiches Tannin, das am Gaumen weder trocken ist noch pelzt. Sie sind auch nicht alkoholisch, was angesichts der hohen Temperaturen, die im Roussillon herrschen, durchaus vermutet werden könnte. Und noch etwas zeichnet die Weine aus, was nicht ganz unwichtig ist: Die Weine sind preisgünstig. Exzesse à la Bordeaux gibt es im Roussillon nicht, obwohl sich die besten Boudau-Gewächse qualitativ mit manchem Cru Bourgeois messen können. Alle Rotweine sind übrigens Cuvées. Die Basis bildet immer die Grenache Noir. Diese Sorte, aus dem Chateauneuf importiert, ist heute der wichtigste Qualitätsträger im Roussillon. In der Assemblage macht die Grenache Noir mindestens 40 Prozent aus. Dazu kommen Carignan und Syrah.

Zum Aprikosenfest füllen sich die Gassen

Die Domaine Boudau (www.domaineboudau.fr) liegt in Rivesaltes, einem verschlafenen Städtchen von knapp 9000 Einwohnern nicht weit vom Mittelmeer entfernt. Der internationale Flughafen von Perpignan liegt gleich vor der Haustür. Meistens sind es Touristen, die dort landen, und die zieht es direkt an die weißen Strände des Mittelmeeres mit ihren riesigen Hotelburgen. Der Airport hat Rivesaltes keinen Aufschwung beschert. Höchstens zum Aprikosenfest im Juli füllen sich die Gassen des Städtchens mit Menschen. Sie kommen, um Aprikoseneis, Aprikosencrêpes, Aprikosenkonfitüre und Aprikosentarte zu genießen. Danach kehrt wieder Ruhe ein. Der süße, alkoholverstärkte Weißwein aus Muscattrauben, für den Rivesaltes einst in ganz Frankreich berühmt war, ist heute kaum mehr eine Attraktion. Der moderne Franzose trinkt lieber einen Whisky als einen dieser anspruchsvollen Vins Doux Naturels. Es sei denn, dieser wird mit Aprikosensaft aufgegossen. Abricotade heißt dieses unheilige Gemisch, dessen Rezept der örtliche Tourismusverein voller Stolz hütet. Schade um den Wein.

„Newcomer des Jahres 2010“

Die Domaine Boudau befindet sich direkt im historischen Zentrum des Ortes: ein alter, aus Naturstein errichteter Komplex mit großem Innenhof, in deren Mitte eine mächtige, schattenspendende Platane steht. Im Verkostungsraum hängen die jährlichen Auszeichnungen des Guide Hachette an der Wand, des wichtigsten Weinführers Frankreichs. Im Regal steht die gläserne Trophäe des deutschen Gourmet-Magazins Feinschmecker, der Véronique Boudau und ihren Bruder und Pierre im März zum Newcomer des Jahres 2010 gewählt hat. Bei dem Wort Newcomer muß Véronique ein wenig schmunzeln: „Seit 1993 leite ich das Weingut schon mit meinem Bruder, und vorher kümmerten sich unser Vater und Großvater um den Wein.“ Stimmt. Aber international Furore gemacht haben ihre Weine erst in den letzten Jahren.

Le Clos – ein fantastischer Einstiegswein

Heute umfasst die Domaine Boudau über 48 Hektar Anbaufläche rund um Rivesaltes. Die Hälfte ist mit Grenache Noir bestockt. Diese Sorte hatte Henri, der Vater Véroniques und Pierres, in den 50er Jahren gepflanzt. In einer Region, in der damals ausschließlich Süßweine aus Muscattrauben erzeugt wurden, sah er ein großes Potenzial für trockene Weine. Eine Vision, die Wirklichkeit wurde. Die Boudausche Rebfläche ist heute auf zwei Lagen verteilt: Die Lage Le Clos liegt an den Ausläufern der Corbières-Berge am Eingang zum Agly-Tal.

Dort wachsen die Reben an schroffen, südostwärts gerichteten Hängen auf hellen, ton- und kalkhaltigen Böden mit felsigem Untergrund. Hier weht oft der Tramontane, ein heißer, trockener Nordwestwind, der die Rebstöcke vor Krankheiten schützt. Nur 15 bis 20 Hektoliter Wein pro Hektar bringen die Grenache- und Syrah-Rebstöcke hervor. Schon der einfache Le Clos, ein Côtes du Roussillon AOC, ist ein wunderbar fruchtiger Wein mit einem unübertreffbaren Preis-/Leistungsverhältnis. Im zweiten Rotwein dieser Lage, dem Henri Boudau, einem Côtes-du Roussillon Villages AOC, kommt dann die ganze Kraft und Glut der Erde Rousillons zum Ausdruck, ohne dass der Wein schwer wirkte, gar Kopfschmerz bereitet.

Beide Weine sind in ihrer Preisklasse von verblüffender Qualität. Etwas fruchtbetonter und weniger komplex sind der Closi Rouge und Closi Rosé, beides Landweine. Sie stammen ebenfalls aus der Lage Le Clos. Die Bezeichnung „Closi“ verdankt sich übrigens einem glücklich-unglücklichen Zufall. Der Rosé war beim renommierten französischen Weinwettbewerb Saint-Bacchus prämiert worden. Die Boudaus freuten sich – bis plötzlich ein Anruf kam: Der Wein müsse aus der Auswahl wieder herausgenommen werden, da auf dem Etikett „Le Clos“ stünde. Nur ein AOC-Wein, nicht aber ein Vin de Pays, also ein Landwein, dürfe diese Angabe tragen. Das Geschwister waren geschockt – sie hatten bereits Etiketten für die nächsten zwei Jahre in Auftrag gegeben. Lediglich ein einziger Buchstabe ließ sich noch hinzufügen, ohne das Etikett komplett überarbeiten zu müssen. Die Boudaus entschieden sich für ein „i“. Seitdem heißt der Wein „Closi“.

Patrimoine statt süßer Grenat

Die andere Lage, La Pinède geheißen, liegt südlich von Rivesaltes auf der Hochebene von Baixas. Dort erzeugen die Boudaus einen süßen Muscat de Rivesaltes Classique, einen Vin Doux Naturel aus Alexandermuskat. Dieser traditionelle, leicht aufgespritete Wein mit natürlicher Restsüße ist ein Überbleibsel aus der alten Zeit – ein hochfeines allerdings. Der größte Teil der Muskateller-Trauben wird heute jedoch zu einem schlanken, trockenen Wein verarbeitet, dem Muscat Sec. Mit 13 Vol.% ist er kräftig, aber nicht schwer.

Der zweite Süßwein ist der Sur Grains, ein Rivesaltes Grenat. Also ebenfalls ein Vin Doux Naturel, aber aus roten Grenache-Trauben gekeltert ähnlich wie ein Banyuls. Er duftet raffiniert nach schwarzen Oliven, Rumtopf, Veilchen, schwarzen Kirschen und Lakritz. Beide Süßweine – übrigens streng reduktiv ausgebaut – sind eine Reminiszenz an das frühere Hauptgeschäft der Domaine: Sowohl Großvater als auch Vater haben Süßweine verkauft – im Fass an die Kooperative. Über den Rivesaltes Grenat kamen Pierre und Véronique auf die Idee, von dieser Lage einen trockenen Rotwein zu erzeugen.

Die großen Flusskiesel strahlen nämlich die tagsüber gespeicherte Wärme nachts wieder ab. Damit sind die Böden für die 50 Jahre alten Grenache-Rebstöcke perfekt geeignet. So entstand Jahr 2000 erstmalig der Patrimoine ein Côtes du Roussillon Villages, zu 80 Prozent gewonnen aus Grenache Noir von 50 Jahre alten Rebstöcken, zu 20 Prozent aus Syrah. Er ist der Spitzenwein der Domaine. Nur 8000 Flaschen gibt es vom 2007er. „Für mich ist er der pure Ausdruck eines Grenache Noir aus dem Roussillon“ schwärmt Véronique.

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