Die Weine und ihr Wert: Burgund, Italien, Übersee im Steigflug

Der Liv Ex 100
Der Liv Ex 100
Der Markt der feinen Weine ändert sich auffällig. Das Interesse für klassifizierte Bordeaux lässt nach, das für hochklassige Weine aus Burgund, Italien und aus Übersee steigt. Ein Paradigmenwechsel? Wer auf den Liv Ex 100 schaut, muss davon ausgehen.

Der Liv Ex 100 ist der „Dax“ der markt­stärks­ten Wei­ne. Er ist eine Kom­bi­na­ti­on aus drei Kri­te­ri­en. Ers­tens: der Anzahl der in Lon­don gehan­del­ten Kon­trak­te die­ser Wei­ne. Zwei­tens: die durch­schnitt­li­che Bewer­tung durch Robert Par­ker. Drit­tens: die Preis­per­for­mance. Aus die­sen drei Kri­te­ri­en resul­tiert der Rang, den ein Wein in die­sem Index einnimmt.

Ganz oben im Liv Ex 100 für das Jahr 2014 steht dies­mal Châ­teau Pavie, jener Pre­mier Grand Cru Clas­sé aus St. Emi­li­on, der im letz­ten Jahr in die Kate­go­rie „A“ erho­ben, also zu einem ech­ten Pre­mier beför­dert wur­de. Der damit ver­bun­de­ne Preis­an­stieg fällt die­ses Jahr nur des­halb gering aus, weil der Wein im vori­gen Jahr mas­siv zuge­legt hat.

„Der Markt wendet sich ab von Bordeaux“

Justin Gibbs
Jus­tin Gibbs

Ansons­ten aber sind die meis­ten Men­schen, die klas­si­fi­zier­te Bor­deaux im Kel­ler haben, in 2014 ärmer gewor­den. Am stärks­ten jene, die den 2010er Châ­teau Lafite-Rothschild (100 Par­ker­punk­te) in der Sub­skrip­ti­on gekauft hat­ten. Der Preis für eine 12er Kis­te ist von 14.800 Euro inzwi­schen auf 7.100 Euro gefal­len – ein Ver­lust von 52 Pro­zent. Eine klas­si­sche Fehl­spe­ku­la­ti­on. Und Lafite ist nicht der ein­zi­ge Bordeaux-Brand, der tief gefal­len ist.

Vor allem die Käu­fer der zwar guten, aber völ­lig über­teu­er­ten Jahr­gän­ge 2009 und 2010 sehen sich inzwi­schen der Tat­sa­che gegen­über, dass sie die­sel­ben Wei­ne heu­te wesent­lich bil­li­ger bekom­men könn­ten als damals. Jus­tin Gibbs, Direk­tor von Liv Ex, sag­te kürz­lich in einem Inter­view mit der eng­li­schen Zeit­schrift Drinks Busi­ness: „Der Markt wen­det sich ab von Bor­deaux. Er hat es satt, immer nur Geld zu verlieren…“

Der Liv Ex 100-Index für 2014 spie­gelt die­se Ent­wick­lung wider. Kamen frü­her 95 Pro­zent der in ihm gelis­te­ten Wei­ne aus Bor­deaux, so sind es heu­te nur noch 55. Und der Anteil wird wei­ter sin­ken, glaubt Gibbs: „Mehr als den Bordeaux-Châteaux lieb ist.“

Andere Provenienzen auf dem Vormarsch

Etikett Silvain CathiardAuf dem Vor­marsch sind ande­re Pro­ve­ni­en­zen, die bis­her nur als Bei­mi­schung zum Bordeaux-Portfeuille von Händ­lern, Spe­ku­lan­ten und Wein­lieb­ha­bern gedul­det waren. In ers­ter Linie Bur­gund, das der­zeit mit 16 Wei­nen im Index reprä­sen­tiert ist. Neben der Domaine de la Romanée-Conti, Domaine Leroy, Comte de Vogue und Armand Rous­se­au, die schon immer auf hohem Preis­ni­veau ope­rier­ten,  sind jetzt auch Han­dels­häu­ser wie Fai­v­eley, Bou­chard Pére, Jadot, Drou­hin gelis­tet – mit erstaun­li­chen Resul­ta­ten: Sie kön­nen wesent­li­che höhe­re Preis­zu­wäch­se ver­zeich­nen als fast alle Bordeaux-Gewächse.

Die höchs­ten Preis­stei­ge­run­gen ver­zeich­ne­ten jedoch klei­ne Domain­es wie Méo Camu­zet (9%), Geor­ges Rou­mier (12%), Hen­ri Boil­lot (13%), Alain Hude­lot Noel­lat (18%), Syl­vi­an Cathiard (23%) und Dujac (29%). Der Wein­trin­ker regis­triert es mit einem lachen­den und einem wei­nen­den Auge: Er wird in Zukunft wohl mehr für sei­ne gelieb­ten Bur­gun­der zah­len müssen.

Italien ist stark im Kommen

Auch Rhô­ne­wei­ne sind plötz­lich pro­mi­nent im Liv Ex ver­tre­ten: neben Gui­gal und Beau­cas­tel, die schon immer als Top-Adressen des Han­dels gal­ten, nun  auch Pegau, Chave, Chapou­tier, Clos des Papes.

Mas­se­to­Vor allem aber ist Ita­li­en stark im Kom­men. Der Sas­si­ca­ia hat sich auf Platz 3 vor­ge­ar­bei­tet, Ornell­a­ia auf Platz 13, der Mas­se­to auf Platz 25. Die­ser „King of Super­tu­scans“ war der Top-Performer im letz­ten Jahr und hat alle Bordeaux-Provenienzen aus­ge­sto­chen. In die­sem Jahr ist sein durch­schnitt­li­cher Han­dels­wert zwar leicht gesun­ken. Mit über 477 Euro pro Fla­sche lag er jedoch immer noch drei­mal so hoch wie vor fünf Jah­ren. Neu in den Index auf­ge­nom­men wur­den Gaja (Platz 14), Antino­ris Sola­ia (Platz 61) und des­sen Gua­do al Tas­so (Platz 100). Außer­dem im Liv Ex 100: Le Mac­chio­le, Tigna­nel­lo sowie die Baro­los von Gia­co­mo Con­ter­no und Bru­no Giacosa.

Henschke und Almaviva neu im Liv Ex 100

Stark aus­ge­wei­tet hat sich auch die Nach­fra­ge nach Spit­zen­wei­nen aus Über­see. Domi­nus, Opus One, Screa­ming Eagle und Pen­folds Gran­ge wur­den schon immer viel und hoch gehan­delt, haben sich jetzt aber weit nach vor­ne gear­bei­tet (Platz 15, 16, 44, 17). Aus Aus­tra­li­en ist Henschke mit sei­nen Shiraz-Granaten Hill of Grace und Mount Edel­s­tone neu hin­zu­ge­kom­men, aus Chi­le Alma­vi­va (aus dem Joint Ven­ture Mouton-Rothschild/Concha y Toro). Völ­lig unter­re­prä­sen­tiert ist komi­scher­wei­se Spa­ni­en. Vega Sici­lia ist die ein­zi­ge Bode­ga von der Ibe­ri­schen Halb­in­sel, die es in die Lis­te der Top 100 geschafft hat.

Domaine Dujac
Domaine Dujac

Die Fra­ge ist: Was sagt der Liv Ex 100 aus? Zunächst ein­mal nur, wie häu­fig die Wei­ne getra­det wur­den. Bei man­chen Wei­nen über­wog dabei das Ange­bot die Nach­fra­ge mit der Fol­ge hoher Ver­lus­te (trotz hohen Ran­kings). Bei­spiel: Lafite. Mit über 18% Ver­lust weist das Rothschild-Châteaux die schlech­tes­te Per­fo­mance aller 100 Wei­ne in die­sem Jahr auf. Den größ­ten Preis­an­stieg ver­zeich­ne­ten dies­mal die Wei­ne des Bur­gund: ganz vor­ne die Domaine Dujac mit fast 30 Pro­zent Steigerung.

Ein Gutes hat die Bordeaux-Baisse trotz schmerz­li­cher Ein­brü­che: Die Wei­ne ande­rer Appel­la­tio­nen und Län­der wer­den stär­ker wahr­ge­nom­men als frü­her. Oder wie Gibbs es sagt: „Bor­deaux muss begrei­fen, dass es nicht im Wett­be­werb mit sich selbst, son­dern mit dem Rest der Welt steht.“

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