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Die Vorklärung

Trübe Moste, klare Sache

Bevor der Most weißer Trauben vergoren wird, muß er entschleimt werden. So lautet der Fachausdruck für das Vorklären. Doch Vorsicht ist geboten. Wenn der Most zu stark geklärt wird, besteht die Gefahr, daß der Wein hinterher wie „ausgezogen“ schmeckt: mager, eindimensional, ohne Körper.

Most, der von der Kelter fließt, ist gelbgrün, dickflüssig und trüb. Er enthält Fruchtfleischteilchen, Schalenfragmente, Stielreste, Erde und andere Schmutzpartikel. Wird er von diesen Feststoffen nicht befreit, leidet die Qualität des späteren Weins darunter, fürchten viele Kellermeister. Deshalb muß der Most entschleimt werden: Sie setzen dem Most bei- spielsweise Enzyme zu, die das Pektin lösen. Pektin ist für die Dickflüssigkeit verantwortlich. Es befindet sich in jedem Most, und zwar umso mehr, je später die Trauben gelesen wurden. Die hohe Viskosität des Mostes verlangsamt das Absinken der Feststoffe. Ohne Pektine ist der Most dünnflüssiger. Er kann schneller entschleimt und dann sofort vergoren werden. Für große Weingüter ist ein rasches Entschleimen schon aus praktischen Gründen wichtig: Sie müssen in kurzer Zeit sehr große Traubenmengen verarbeiten. Aber auch kleinere Weingüter legen auf eine schnelle Vergärung Wert. Weißweinmost ist nämlich oxydationsanfällig. Wegen des geringen Gehalts an Phenolen reagiert er leicht mit dem Sauerstoff in der Luft, wird braun, verliert an Frische. Ein frühzeitiges Angären verringert die Oxydationsgefahr.

Ungeklärte Moste

Das Vorklären des Mostes ist umstritten – genauer: die Art des Vorklärens. Früher wurden alle Weißweine ohne Vorklärung vergoren – mit dem Risiko, daß die Weine wenig reintönig sind. Auch heute noch entstehen einige der bedeutendsten Weißweine der Welt nahezu ohne Vorklärung, zum Beispiel viele Burgunder Weißweine wie Meursault, Puligny-Montrachet und Corton-Charlemagne. Allerdings sind die Moste dieser Weine durch sorgfältiges Verlesen der Trauben, durch vorsichtiges Pressen und dadurch, daß sie überwiegend aus Vorlaufmost bestehen, meist von vornherein relativ sauber. Und nicht alle Weißweine besitzen die Statur weißer Burgunder. In der Regel ist eine gewisse Vorklärung des Mostes jedenfalls nötig, besonders in Jahren mit einem hohen Anteil an faulem Lesegut. Es kommt nur darauf an, nicht durch zu scharfes Vorklären andere, qualitätsfördernde Inhaltsstoffe zu zerstören. Deshalb werden ambitionierte Kellermeister ihre Moste immer möglichst schonend zu klären versuchen.

Die Absetzmethode

Die einfachste und natürlichste Methode ist das Absetzen. Der frisch gepreßte Most wird in einen Absetztank gepumpt, in dem er einen Tag lang ruht. Schon nach wenigen Stunden ist ein Teil der Feststoffe auf den Boden gesunken. Die mosteigenen Enzyme spalten die Pektine gar nicht oder nur teilweise. Der Most behält weitgehend seine Viskosität. Nach 24 Stunden sind alle Feststoffe auf den Boden des Tanks gesunken. Der Most hat sich selbst geklärt. Voraussetzung für diese Selbstklärung ist, daß der Most auf 5° C oder 8° C gekühlt wird, damit er nicht zu gären beginnt. In kühlen Weinregionen genügt es, den Absetztank im Freien aufzustellen, da die Nachttemperaturen niedrig sind. Der Nachteil der Absetzmethode ist, daß der Most häufig leicht geschwefelt werden muß, um eine Oxydation zu verhindern. Nur bei hochwertigen, phenolhaltigen Mosten (etwa nach einer kurzen Hülsenmaischung) ist das Oxydationsrisiko gering.

Andere Vorklärmethoden

Ist keine Kühlmöglichkeit vorhanden, muß der Most mit anderen Methoden vorgeklärt werden. Er kann zum Beispiel durch Zugabe von Bentonit geschönt werden. Allerdings wird dadurch nur das Eiweiß gebunden, nicht aber der Trub beseitigt. Viele Kellermeister schwören deshalb auf eine mechanische Klärung. Dabei werden Separatoren oder Vakuum-Drehfilter eingesetzt, die 10 000 Liter Most in einer Stunde klären können. Dadurch kann der Most schnell vergoren werden. Das Oxydationsrisiko ist gering, eine Mostschwefelung häufig nicht erforderlich. Zumindest kann die Schwefeldosis gering gehalten werden, weil der Most nur sehr kurz Luftkontakt hat – wesentlich kürzer als bei der Absetzmethode. Der Nachteil ist, daß beim Zentrifugieren wertvolle Inhaltsstoffe verlorengehen können: Kolloide zum Beispiel. Diese Polymere machen oft die Klasse feiner Weißweine aus. Sie geben ihnen Körper, Langlebigkeit und eine Vielschichtigkeit des Geschmacks, wie sie einfache Konsumweine nicht besitzen. Schließlich gehen durch die Fliehkraft des Separators beziehungsweise durch die Saugkraft des Vakuum-Drehfilters auch Hefen verloren. Der Most muß dann mit Reinzuchthefen vergoren werden. Ehrgeizige Erzeuger empfinden das als einen Verlust, weil eigene Hefen den Charakter eines Weins mitprägen.

Die Kieselgur-Filtration

Viele Großkellereien und Genossenschaften benutzen einen Vakuum-Drehfilter zur Vorklärung des Mostes. Der ungeklärte Most wird mit Hilfe einer Vakuumpumpe durch einen dicken Kieselgurkuchen gesaugt, in dem Feststoffe und Trub hängenbleiben. Mit dieser Methode können große Mengen Most in kurzer Zeit geklärt werden. Kieselgur ist ein weißer, locker verfestigter, hochporöser Stoff, der aus natürlichen Ablagerungen fossiler Kieselalgen besteht.

Der Separator

Kammer- oder Teller-Separatoren sind Zentrifugen, bei denen die Festteile des ungeklärten Mostes durch die Fliehkraft von der Flüssigkeit getrennt werden (immerhin kann der Most bis zu 15 Prozent aus Festteilen bestehen). Bei hoher Umdrehungszahl (10000 Umdrehungen/Minute) wird der Most stärker, bei niedriger Drehzahl (4000 Umdrehungen) weniger stark geklärt. Im Vergleich zur schonenderen Absetzmethode strapazieren Separatoren den Most zweifellos stärker.

Zusammensetzung des Weißweinmostes
70–85 % Wasser
15–27 % Zucker
0,3–1,8 % Wein- und Apfelsäure, Bernstein- und Milchsäure
0,3–0,6 % Kalium, Natrium, Phosphat und andere Mineralstoffe
0,01–0,2 % Tannine
0,03–0,5 % Aminosäuren, Proteine
unter 0,01 % Vitamine, Aldehyde, höherwertige Alkohole
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