Blank gemacht
Bevor der Wein auf die Flasche kommt, muß sichergestellt werden, daß er stabil ist. Stabil heißt: Er muß dauerhaft frei von Trübungen und Schlieren sein. Er darf nicht nachgären und keine Bestandteile enthalten, die später unerwünschte Veränderungen bewirken können.
Weißweine müssen in einem relativ kurzen Zeitraum stabil gemacht werden, weil die meisten bereits im Februar oder März nach der Lese auf den Markt kommen. Die Stabilisierung ist ein Prozeß, der sich aus vielen einzelnen Schritten zusammensetzt und schon lange vor der Flaschenabfüllung einsetzt. Er beginnt mit der Klärung des Weins. Die Klärung hat den Zweck, den Wein von Schwebeteilchen zu befreien und optisch „blank“ zu machen, wie der Kellermeister sagt. Danach muß er in einen Zustand versetzt werden, der ihn vor mikrobiologischen Veränderungen dauerhaft schützt. Früher wurden Weine zu diesem Zweck pasteurisiert. Heute erreicht man dasselbe Ziel durch Filtern und Separieren oder – schonender – durch Kühlen und Absetzenlassen.
Erster Abstich und Klärung
Die Stabilisierung beginnt mit der Klärung des Jungweins nach dem Ende der alkoholischen Gärung. Dabei wird der Wein von der groben Hefe getrennt, die in einem dicken Satz auf dem Boden des Fasses liegt. Genau betrachtet, handelt es sich um ein Gemisch aus toten Hefezellen, Bakterien, Weinsteinkristallen, Schalenresten und Fruchtfleischteilchen. Geläger lautet der Fachausdruck. Der mehr oder minder klare Wein über dem Geläger wird abgezogen und in ein anderes Faß gelegt. Mit diesem ersten Abstich erfolgt also zugleich eine erste Klärung (sie findet übrigens immer unter Sauerstoffkontakt statt, um den Wein zu belüften). Oft ist diese Klärung sogar schon ziemlich vollständig, besonders dann, wenn der Wein beim Umziehen filtriert oder gar zentrifugiert wird. Allerdings werden die Weine dadurch stark strapaziert. Für einfache Konsumweine mag das recht sein, für hochwertige, teure Weine nicht.
Die Hefesatzlagerung
Viele ehrgeizige Kellermeister legen geradezu Wert darauf, daß die Weine sich möglichst langsam klären. Sie zögern den ersten Abstich hinaus, um den Wein noch ein paar Wochen auf der Hefe liegen zu lassen. Dadurch gelangen zusätzliche Gäraromen in den Wein, die ihn voller und delikater machen. Besonders Weine, die in kleinen Holzfässern vergoren werden, profitieren von dieser Hefesatzlagerung. Sie sollen sowieso eine malolaktische Gärung durchmachen, und die Bakterien, die diese auslösen, befinden sich in den Hefezellen am Boden der Fässer. Deshalb wird der Hefesatz auch mit einem „Stock“ regelmäßig aufgerührt. Bâtonnage heißt diese Maßnahme im Burgund. Durch das Hefesatzaufrühren wird der Wein zugleich belüftet. Das Risiko, daß er unangenehme Gerüche annimmt, ist dann gering. Erst danach wird der Abstich vorgenommen.
Die Kaltstabilisierung
Eine häufig ausgeübte Praxis ist es, den Weißwein nach dem Abstich von der Hefe in den kältesten Teil des Kellers zu legen oder ihn im Stahltank auf null Grad zu kühlen. Bei derart niedrigen Temperaturen wird überschüssige Weinsäure ausgefällt und sinkt als Weinstein auf den Boden des Fasses. So ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß der Wein später auf der Flasche Weinsteinkristalle bildet, die wie Glassplitter aussehen und beim unkundigen Verbraucher Irritationen hervorrufen können. Weinstein ist Kaliumhydrogentartrat und stellt weder eine Verunreinigung des Weins dar noch beeinträchtigt er dessen Geschmack.
Die Schönung des Weißweins
Ein geklärter Wein ist freilich kein stabiler Wein. Er enthält noch zahlreiche organische Verbindungen, die unter bestimmten äußeren Bedingungen reagieren und den Wein negativ verändern können. Dazu gehören zum Beispiel Proteine. Sie sind im Wein gelöst und nur unter dem Mikroskop erkennbar. Um sie zu entfernen, muß der Wein geschönt wer- den. Die Schönung dient also nicht dazu, den Wein „schön“ zu machen, sondern Enzyme oder andere Polymere in einen festen Zustand zu überführen, so daß sie auf den Boden sinken und leicht entfernt werden können. Das am häufigsten verwendete Schönungsmittel für Weißweine ist Bentonit, eine Tonerde aus Silizium- und Aluminiumoxid. Sie wird in Wasser aufgeschlämmt und dem Wein zugegeben. Folge: Das Protein flockt aus und sinkt zu Boden. Ohne Schönung würden die Proteine später, wenn der Wein abgefüllt und wärmeren Temperaturen ausgesetzt ist (etwa im Regal einer Weinhandlung), koagulieren und Schlieren in der Flasche bilden. Früher wurde zur Schönung auch häufig Fischleim (Hausen- oder Störblase) verwendet. Dieser gehört zu den erlaubten Behandlungsmitteln und hinterläßt im Wein ebensowenig Geschmacksspuren wie Bentonit.
Schönung als Geschmacksverbesserung
Unter Schönung wird aber auch die Beseitigung etwaiger Geruchs- und Geschmacksfehler verstanden, die Weine nach der Gärung manchmal aufweisen. Dabei werden ihnen kleine Mengen von Kohle oder Gelatine beigemischt (etwa gegen Schwefelwasserstoffgeruch), seltener von Hefe, Tannin, Kieselsol oder von gelbem Blutlaugensalz (zur Entfernung von Schwermetallen). Alle diese Substanzen sind offiziell zugelassen. Sie sind geruchlos und haben keinen Eigengeschmack. Allerdings müssen sie eher als Behandlungs- denn als Schönungsmittel angesehen werden. Sie dienen lediglich dazu, unsachgemäß vergorene Weine zu „reparieren“. Geruchs- und Geschmacksfehler sind stets das Resultat von Vinifikationsfehlern.
Der zweite Abstich
Etwa acht Wochen nach dem ersten Abstich wird der Wein ein zweites Mal abgestochen – diesmal unter Luftabschluß. Bei diesem Abstich wird er vom Feintrub getrennt. Der Feintrub besteht aus kleinsten, noch im Wein verbliebenen Schwebeteilchen, wie Hefereste oder Kaliumsalzkristalle sowie den Ausflockungen der Schönungsmittel. Wenn die Klärung nach dem ersten Abstich nur sehr grob war, ist entsprechend mehr Feintrub im Wein. Manche Weißweinwinzer legen sogar Wert darauf, ihren Wein lange auf der Feinhefe auszubauen. Dazu gehören nicht nur die französischen Muscadet-Winzer, die sogar sur lie auf ihr Etikett schreiben. Für viele österreichische und deutsche Riesling-Winzer ist ein surlie-Ausbau selbstverständlich – ohne dies groß zu erwähnen. Gegen Ende der Ausbauzeit ist der größte Teil dieser Stoffe auf den Boden des Fasses gesunken. Der darüberliegende Wein ist klar. Ein dritter oder vierter Abstich ist ganz selten nötig. Der letzte Trub wird durch Filtern vor der Flaschenabfüllung entfernt. Der Wein ist dann nicht nur blank, er ist auch stabil.
Was wird aus den leeren Fässern?
Fässer, die lange leerstehen, womöglich erst im nächsten Jahr wieder gebraucht werden, müssen mit Wasser oder einer Wasser-Wein- Lösung gefüllt werden, damit die Dauben nicht austrocknen und sich zusammenziehen. Das Faß würde undicht werden. In manchen Weinanbaugebieten wird dem Wasser ein Teil des Hefetrubs zugegeben. In ihm befinden sich zum Beispiel jene Bakterien, die die malolaktische Gärung bewerkstelligt haben. Auf diese Weise überleben die Bakterien und können ein Faß für den nächsten Weinjahrgang „präparieren“. Am besten ist es jedoch, das Faß stets mit Wein zu füllen – oder es gleich auszurangieren. Kleine Eichenholzfässer werden zum Beispiel entsorgt, nachdem drei bis fünf Jahrgänge in ihnen gelegen haben.