Auf die Dosis kommt es an
Praktisch alle handelsfähigen Weine sind geschwefelt. Wäre das nicht so, würden sie schnell oxydieren und zu Essig werden. Freilich ist Schwefel kein Stoff, der dem Wein bedenkenlos zugefügt werden sollte. Er darf aber auch nicht verteufelt werden. Vielmehr gilt der Satz: Die Dosis macht, daß er dem Wein und dem Menschen keinen Schaden zufügt.
Schwefel wurde bei der Weinherstellung schon von den Griechen als Konservierungsmittel benötigt. Er verhindert, daß Wein oxydiert. Ein geschwefelter Wein hat daher saubere, klare Aromen, ein ungeschwefelter würde fade schmecken, unfrisch riechen und schnell braun werden. Die Schwefeldosen sind gering – so gering, daß der Schwefel weder zu schmecken noch zu riechen ist. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen sind weitgehend auszuschließen. Zwar ist Schwefel ein Gift, doch rühren Kopfschmerzen und Übelkeit eher von zu hohem Alkoholgenuß, Sodbrennen und Magenverstimmungen eher von einer Säure-Unverträglichkeit her. In Australien und Amerika ist dennoch ein Schwefelhinweis auf dem Weinetikett vorgeschrieben.
Weinkenner Empfehlungen für ungeschwefelte Weine
ungeschwefelte Weißweine
ungeschwefelte Rotweine
- Château du Cedre – Cahors rouge Extra Libre Vin Naturel 2017
- Barbera Monferrato Senza Solfiti DOC 2016
- Stellar Organics Merlot 2017
- Weingut Hubert Lay – Spätburgunder SL schwefelfrei 2014
Chemische Wirkungsweise
Kaum eine andere Substanz hat die Eigenschaft, so schnell auf Sauerstoff zu reagieren wie der Schwefel. Dadurch können die Attacken des Sauerstoffs auf die natürlichen Inhaltsstoffe des Weins verhindert werden. Das gilt nicht nur für den Moment der Schwefelung, sondern auch für die künftige Konservierung des Weins. Der Kellermeister muß den Wein mit so viel schwefliger Säure ausstatten, daß er möglichst lange frisch bleibt, seine natürlichen Aromen dabei aber nicht beeinträchtigt werden. Natürlich hält der Schwefel nicht ewig vor. Im Laufe des Reifeprozesses nimmt er kontinuierlich ab und ist irgendwann verbraucht. Das ist der Punkt, an dem der Wein durch Oxydation zu Essig wird. Schwefel kann in Gasform (SO2) aus der Stahldruckflasche kommen, als wässrige Lösung (H2SO3) oder aber auch als Kaliumdisulfit in Tablettenform (K2S2O5) zugesetzt werden.
Wann geschwefelt wird
Früher wurden die Fässer geschwefelt, bevor der Wein hineinkam. Heute wird der Wein geschwefelt, und zwar an drei Punkten seines Herstellungsprozesses: im Most- beziehungsweise Maischestadium, nach Beendigung der Gärung und vor der Flaschenabfüllung. Die Mostschwefelung dient dazu, die Enzyme (das sind sauerstoffübertragende Oxydasen) zu hemmen. Nach der Gärung bindet der Schwefel das im Wein enthaltene Acetaldehyd. Acetaldehyd entsteht beim Kontakt von Alkohol mit Sauerstoff und macht sich im Wein durch einen unangenehmen Alterston bemerkbar. Schwefel ist in der Lage, dieses Acetaldehyd zu neutralisieren. Die letzte Schwefelgabe vor der Füllung dient dazu, den Wein in der Flasche zu konservieren.
Hauptproblem Acetaldehyd
Der Hauptzweck der Schwefelung ist die Bindung des Acetaldehyds, ohne die kein Wein auskommt. Die Mengen sind jedoch gering: zwischen zehn und 30 Milligramm pro Liter. Weißweine benötigen wegen der erhöhten Oxydationsanfälligkeit etwas mehr Schwefel, Rotweine etwas weniger. Manchmal muß der Wein wegen kleinster Nachgärungen, die neue Acetaldehyde bilden, während des Ausbaus erneut geschwefelt werden: Dabei werden die Schwefelgaben noch geringer bemessen. Schwefel bindet aber nicht nur das Acetaldehyd. Er reagiert auch mit anderen Inhaltsstoffen des Weins, etwa der Benztraubensäure, der Ketoglutar- säure und der Glucose. Schwefel verändert und beeinträchtigt also das Aroma des Weins. Schon aus diesem Grund bemühen sich die Erzeuger feiner Weine, die Schwefelgaben so niedrig wie möglich zu halten.
Gebundener und freier Schwefel
Der im Wein enthaltene Schwefel läßt sich in zwei Kategorien einteilen: den freien und den gebundenen Teil. Der gebundene Schwefel ist derjenige Teil, der mit dem Acetaldehyd und anderen Inhaltsstoffen reagiert hat. Er ist sensorisch nicht wahrnehmbar und gesundheitlich ohne Bedeutung. Anders der freie Schwefel: Er liegt im Wein als Sulfit vor, also in Salzform oder als freie schweflige Säure. Dieser freie Schwefel ist es, der eventuell riechbar ist und gesundheitliche Beschwerden hervorrufen kann, falls der Wein zu hoch geschwefelt wurde. Für die gesundheitliche Bewertung kommt es deshalb auf den Gehalt an freier schwefliger Säure an.
Schwefelung vor der Abfüllung
Nach der Gärung wird der Wein normalerweise nur so schwach geschwefelt, wie es für die Bindung der Acetaldehyde nötig ist. Erst bei der Abfüllung wird dem Wein dann jene Schwefelmenge beigefügt, die ihn vor Oxydation auf der Flaschen schützen soll. Dieser Schwefel ist in ihm dann als freie schweflige Säure enthalten. Ein Weißwein enthält, nachdem er abgefüllt wurde, zwischen 35 und 45 Milligramm Schwefel pro Liter, ein Rotwein zwischen 20 und 35 Milligramm. Die höchsten Mengen enthalten edelsüße Weine mit 60 bis 80 Milligramm. Die Werte sind umso niedriger, je gesunder das Traubengut war (möglichst wenig faule Trauben) und je sorgfältiger ein Wein vinifiziert wurde (etwa durch Reduzierung der Acetaldehyd-Bildung). Bezogen auf den Gesamtschwefel macht die freie schweflige Säure knapp 20 Prozent, der gebundene Schwefel über 80 Prozent aus.
Schwefelarme oder schwefelfreie Weine
Bis heute ist kein wirksamer Ersatz für den Schwefel gefunden worden. Schwefelfreie Weine zu produzieren, ist deshalb ohne erhebliche Einbußen an Qualität beziehungsweise an Haltbarkeit nicht möglich. Immerhin verwenden einige Weinerzeuger – vor allem in den Ländern der Neuen Welt – vor der Flaschenfüllung oft Ascorbinsäure statt Schwefel. Ascorbinsäure ist Vitamin C und besitzt ebenfalls eine oxydationshemmende Wirkung. Allerdings hemmt sie nicht die Enzyme. Deshalb kann die Zugabe von Ascorbinsäure die Mostschwefelung nicht ersetzen. Wichtig ist es jedoch, die Schwefelgaben so niedrig wie möglich zu halten: Durch zügige Verarbeitung der gelesenen Trauben kann eine Mostschwefelung vermieden oder zumindest weitgehend minimiert werden. Vor allem auf eine Schwefelung der Trauben sollte verzichtet werden – wie sie in warmen Massenanbaugebieten mit langen Wegen zwischen Weinberg und Kellerei leider immer noch üblich ist. Schwefel mindert deutlich die Traubenqualität.
Gesetzliche Höchstmengen an Gesamtschwefel für die Länder der Europäischen Union (in Milligramm pro Liter) | |
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trockener Rotwein (bis 5 g Zucker) | 160 |
trockener Weißwein (bis 5 g Zucker) | 210 |
trockener Weißwein (über 5 g Zucker) | 260 |
Spätlesen | 300 |
Auslesen | 350 |
Beeren-, Trockenbeerenauslesen, Eisweine, Süßweine | 400 |