Zufall oder nicht: Gerade hat der als „Rettungslotse“ bei Captain Cork an Bord gegangene Weinblogger und Winzer Dirk Würtz ein Loblied auf die Scheurebe angestimmt und den Sinn deutscher Sauvignons Blancs in Frage gestellt. Da möchte sich auch Weinkenner.de für die ungeliebte, offensichtlich als altmodisch empfundene Rebsorte ins Zeug legen, die, wenn sie in guten Lagen steht, Weine ergibt, die einen Sauvignon Blanc nicht nur manchmal, sondern meistens deutlich überragen. Ein kühnes Urteil? Vielleicht. Aber während der „Rettungslotse“ nur eine Scheurebe als Beweis heranzieht, haben wir deren 40 probiert und uns immer wieder in unserer Auffassung bestätigt gesehen.
Kreuzung Riesling x Bukettraube
Georg Scheu züchtete die später nach ihm benannte Traube bereits im Jahr 1916. Aus einer Kreuzungsreihe mit den Elternsorten Riesling und Bukettraube (die ihrerseits eine Kreuzung von Silvaner und Trollinger ist) las er den „Sämling 88“ (so wird die Scheurebe noch heute in Österreich genannt) als erfolgversprechenden Züchtungs-Nachkommen aus. Im Jahr 1956 wurde die Scheurebe ins Sortenregister eingetragen und zum Anbau freigegeben. Dass zwischen der Züchtung und dem Beginn der kommerziellen Nutzung zwanzig Jahre und mehr vergehen, ist bei Neuzüchtungen nicht unüblich. Im Fall der Scheurebe haben auch noch zwei Weltkriege den Praxiseintritt verzögert. Jedenfalls war die Scheubrebe in den siebziger und achtziger Jahren aufgrund ihrer delikaten Frucht so beliebt, dass sie es in ganz Deutschland auf eine Ertragsfläche von mehr als 3000 Hektar brachte.
Davon sind heute nur mehr 1500 Hektar übrig geblieben. Denn anders als die meisten Neuzüchtungen, stellt die Scheurebe hohe Ansprüche an ihren Standort. So ist sie von B-Lagen weitgehend wieder verschwunden. Am besten eignen sich kalkreiche Böden – und Lagen mit einem Wärmehaushalt, der auch den Elternsorten Silvaner und Riesling das Ausreifen gestatten würde. Dabei stellt die Scheurebe immer wieder unter Beweis, dass sie stark mineralisch geprägte Weine hervorzubringen vermag.
Sauvignon im Vormarsch
Sauvignon Blanc wächst in Deutschland zwar nur auf 500 Hektar. Doch hat sie diese Größenordnung innerhalb von zehn Jahren erreicht. Solange ist sie nämlich erst zum Anbau in Deutschland freigegeben. Die ältesten Sauvignon-Reben sind also erst zehn oder 15 Jahre alt (nur einige wenige Betriebe hatten zuvor eine Sondergenehmigung zum Anbau). Alte Scheureben-Anlagen mit einem Alter von 40 Jahren oder mehr gibt es dagegen zuhauf im deutschen Weinbau – ganz besonders bei jenen Betrieben, die diese Neuzüchtung schon immer als eine Spezialität angesehen haben.
Sicher, in ihren besten Qualitäten ergibt die Sauvignon Blanc auch in Deutschland hervorragende Weine, die mit einem duftigen, ausdrucksstarken Bukett punkten: strahlend fruchtig mit Noten von Cassis, Stachelbeere und Kiwi. Leider verstehen es nur wenige Winzer, mit dieser Sorte solche Weine zu erzeugen – und ganz offensichtlich gedeiht die Sauvignon Blanc auch nicht überall gleich gut. In manchen Regionen bleibt die Frucht matt und der Gaumeneindruck mager. Wird der Sauvignon dazu mit etwas Botrytis und leichter Restsüße bereitet, quasi nach dem Vorbild des Rieslings, fallen die Weine plump und geradezu kitschig aus.
Scheurebe nur in guten Lagen gut
Auch ist die Scheurebe keine leicht anzubauende Traube – siehe oben. Aber wenn sie in gute Lagen gestellt wird, dankt sie sorgfältige Pflege mit kernigen, trockenen Weinen, deren Aromenspektrum von Cassis und Passionsfrucht bis zu rosa Grapefruit reicht – nicht unähnlich demjenigen des Sauvignon Blanc, nur feiner und vielschichtiger.