Den Oscar für Originalität erhält man nicht, wenn man einen Wein des Weinguts Knipser empfiehlt. Seit über zwei Jahrzehnten gehören Werner und Volker Knipser mit ihren Weinen zur deutschen Wein-Elite. Doch Langeweile kommt deswegen nicht auf: Das Pfälzer Zwei-Familien-Weingut hat in seiner umfangreichen Sortimentsliste immer wieder Außergewöhnliches zu bieten.
Der Wein, der mir jetzt ins Auge fiel, heißt Gelber Orleans. Er wird aus der gleichnamigen Rebsorte gekeltert: eine uralte, fast vergessene Sorte, die nur noch von zwei Winzern in Deutschland angebaut wird: vom Weingut Georg Breuer in Rüdesheim und eben von den Knipsers.
Vom Riesling verdrängt
Die Geschichte des Gelben Orleans ähnelt ein wenig derjenigen der Sorte Aligoté in Burgund: Im Mittelalter und noch bis ins 18. Jahrhundert hinein wuchs sie in den berühmtesten Weinbergen der Côte d’Or, sogar am Montrachet. Erst danach wurde sie durch den Chardonnay verdrängt. Ähnlich ging es dem Gelben Orleans: Am Rüdesheimer Berg im Rheingau und am Roten Hang in Rheinhessen, aber auch in der Mittelhaardt, am Kaiserstuhl und in der Ortenau wuchs der Gelbe Orleans jahrhundertelang, ehe er König Riesling Platz machen musste.
Die Sorte wäre wahrscheinlich verschwunden, hätte sich nicht der damalige Geisenheimer Weinbauprofessor Helmut Becker in den achtziger Jahren auf die Suche nach ihr gemacht. In aufgelassenen Weinbergen am Rüdesheimer Berg fand er noch alte Orleans-Stöcke und begann diese erhaltungszüchterisch zu bearbeiten. Als einer der ersten pflanzte damals Bernhard Breuer einen kleinen Versuchsweinberg, der bis zum heutigen Tage existiert.
Breuer und Knipser die einzigen Orleans-Winzer
Einige Reiser des Gelben Orleans gelangten auch ins Pfälzer Weingut Knipser. 1989 legte Werner Knipser eine erste Versuchsanlage mit 20 Stöcken an. Da der Gelbe Orleans als sehr spät reifend beschrieben wird, war die Frage: Wird er in der Pfalz überhaupt reif? Er wurde. Er brachte sogar recht zuverlässig gesunde, schmackhafte Trauben hervor – allerdings mit immer hohen Säurewerten. Noch höheren als beim Riesling.
„Ich verstehe schon, dass der Gelbe Orleans vom Riesling verdrängt wurde“, erklärt Dirk Rosinski, der im Weingut für den Verkauf zuständig ist. „Die Säure, die er mitbringt, ist sehr markant.“ Zum Spargel wird der Gelbe Orleans im Weingut deshalb nicht ausdrücklich empfohlen. Doch was für den 2010er richtig sein mag, gilt nicht für den Folgejahrgang.
Genau die richtige Sorte für den säurearmen Jahrgang 2011
Der 2011er Gelbe Orleans, der hier empfohlen wird, zeigt die Sorte nämlich in Bestform. Die Witterung des Jahrgangs hat den Weißweinen ja bekanntlich eher verhaltene Säurewerte beschert – für den Orleans genau richtig. In einem saftigen, 11,5 Volumenprozent leichten Körper zeigen sich weinige, ganz leicht würzig unterlegte Aromen. Eine Traumkombination zum ersten Spargel!
Das schwer zu kombinierende Edelgemüse trifft mit seinen zarten Frühlingsaromen, die neben den nussigen Komponenten immer auch etwas leicht Vegetatives mit sich führen, punktgenau die dezente Würze im Wein. Überdies nimmt die gerbig angehauchte Stoffigkeit des Gelben Orleans die faserige Textur des Spargels wieder auf. Bei der Kombination Spargel und Gelber Orleans treffen zwei durch Feinheit brillierende Naturschönheiten aufeinander. Mein bisheriger Spargel-Favorit Silvaner jedenfalls liegt jetzt nur noch auf dem zweiten Platz.
Über Rebschulen nicht zu bekommen
Über diesem Genuss darf man ruhig weiter rätseln, woher die Sorte eigentlich stammt und mit welchen bekannteren Reben sie verwandt sein könnte. Genetische Untersuchungen haben bislang nur ergeben, dass der Gelbe Orleans aus einem völlig anderen Genpool stammen muss als die meisten mitteleuropäischen Sorten. Der Legende nach soll Karl der Große den Gelben Orleans verbreitet haben. Werner Knipser spekuliert daher, dass der Frankenkönig den Orleans vielleicht durch seine Handelskontakte in den Osten nach Zentraleuropa gebracht haben könnte. Eine seiner neuen Heimstätten ist jetzt jedenfalls die Lage Großkarlbacher Burgweg. Auf dem Kalkboden dort stehen im Moment 700 Stöcke im Ertrag: alle von den Knipsers aus den zwanzig ersten Stöcken selbst vermehrt. Von den Rebschulen wird der Gelbe Orleans nicht angeboten.
Dafür wächst die Beliebtheit des Weins unter Kennern: Den größten Teil der gut 1000 Flaschen, die bei Knipser gefüllt werden, teilen meist die wenigen, die den Wein kennen, unter sich auf. Auf der Preisliste des Gutes taucht der Wein deshalb gar nicht auf. Doch Neugierige haben eine Chance, ein paar Fläschlein von ihm zu erwerben, verspricht Rosinkski: Und für nächstes Jahr kündigt er an, doppelt so viele Flaschen zur Verfügung zu haben. Die Knipsers haben nachgepflanzt.