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Die Maischegärung

Nieder mit dem Tresterhut

Es gibt nur wenige Grundregeln für die Rotweinvergärung, aber viele Maßnahmen, die jedes Jahr neu erfunden werden müssen. Der französische Önologe Emile Peynaud hat die Schwierigkeiten im Umgang mit Rotwein einmal so zusammengefaßt: Ein mittelmäßiger Jahrgang wird ganz anders vinifiziert als ein großer Jahrgang.

Zu den Grundregeln gehört, daß die roten Trauben entrappt und gemahlen werden. Die so entstehende Maische fermentiert dann in Edelstahltanks oder in offenen Holzkufen. Ist der gesamte Zucker vergoren, wird der Wein von der Maische gezogen und die Maische abgepreßt. Damit ist die Vinifikation beendet. In der Praxis ist die Maischegärung allerdings viel komplizierter. Denn sie umfaßt mehr als nur die alkoholische Gärung. Sie beinhaltet die Extraktion von Farbe und Gerbstoff aus den Traubenschalen. Früher verwendete der Kellermeister auf diesen Teil der Maischegärung wenig Gedanken. Die Extraktion verläuft nämlich fast parallel zur alkoholischen Gärung, und es bedarf, damit Farbe und Tannin in den Wein übergehen, keiner besonderen Vorkehrungen von seiner Seite. Heute wird der Mechanismus der Extraktion genau beobachtet und ihr Ablauf präzise gesteuert. In kleinen Jahren, wenn die Schalen wenig Farbe und Tannin enthalten, darf der Wein nicht zu lange auf der Maische stehen, sonst gelangen zu viele harte, unreife Tannine in den Wein.

Offene Maischegärung

Rotweine gären normalerweise schneller an als Weißweine. Bereits nach wenigen Stunden bilden sich erste Bläschen auf der Maische, nach zwölf Stunden „blubbert“ sie, nach einem Tag befindet sie sich in voller Fermentation. Ursache des zügigen Angärens: Die Gärgefäße sind offen. Die Maische hat Luftkontakt und unter Sauerstoff vermehren sich die Hefen schneller als unter Sauerstoffabschluß. Offen sind die Gärgefäße deshalb, weil das Kohlendioxid, das bei der Gärung entsteht, nach oben entweicht und die in der Flüssigkeit schwimmenden Schalen mitreißt. Sie bilden schnell einen festen „Tresterhut“ im oberen Teil des Gärtanks. Dieser „Tresterhut“ muß immer wieder nach unten gedrückt werden. Der gärende Wein hat sonst zu wenig Kontakt mit den Schalen. Früher geschah das von Hand, indem Kellerarbeiter auf die hölzernen Gärbottiche kletterten und mit langen Stangen und Stampfern den Tresterhut zerkleinerten oder gar selbst mit den Füßen den Tresterhut nach unten drückten. Im Burgund wird diese Form der pigeage noch heute praktiziert. Ansonsten wird der Wein unten am Faß abgezogen, in einem Gefäß aufgefangen, von dort mit einem Schlauch nach oben gepumpt und über den Tresterhut gespült. Im Zeitalter der Edelstahltanks ist das Umwälzen von Hand freilich durch einen geschlossenen Pump-Kreislauf ersetzt worden.

Länge der Maischegärung

Wie lange der Rotwein auf der Maische gärt, hängt vor allem von der Gärtemperatur ab. Je niedriger sie ist, desto langsamer gärt die Maische. Umgekehrt gilt: Je höher sie ist, desto rascher geht die Gärung vonstatten. Da heute fast alle Rotweine temperaturkontrolliert vergoren werden, kann der Kellermeister die Länge der Maischegärung genau steuern. In Edelstahltanks ist es am leichtesten, die Maische zu kühlen. Wo noch traditionelle große Holzcuves zur Vergärung verwendet werden (wie zum Beispiel auf vielen Bordeaux- Châteaux), sind diese im Inneren mit Kühlschlangen ausgestattet. Manchmal werden auch einfach nur Kühlplatten oder Plastikbeutel mit Eis in den Gärbottich gehängt, um zu verhindern, daß die Temperaturen allzu stark ansteigen. Einfache Rotweine wie Valpolicella oder Beaujolais gären etwa vier Tage auf der Maische. Gehaltvollere Rotweine wie Elsässer Pinot Noir, Badischer Spätburgunder oder Blaufränkisch aus dem österreichischen Burgenland haben etwa acht Tage Schalenkontakt. Schwerere Rotweine machen eine fünfzehntägige Maischegärung durch. Traditionelle Barolos oder Cabernet Sauvignons werden vier Wochen auf der Maische belassen.

Ende der Maischegärung

Der größte Teil der Farbstoffe ist schon nach wenigen Tagen aus den Schalen extrahiert. Das bedeutet: Der Wein ist dunkelrot, die Schalen sind hellviolett. Gelöst werden die Farbstoffe durch den Alkohol, der durch die Umwandlung des Zuckers entsteht. Unterstützt wird der Extraktionsprozeß durch die Gärungswärme. Die Tannine brauchen etwas länger, um ausgewaschen zu werden. Wenn der Kellermeister der Meinung ist, daß der Wein genügend „Struktur“ besitzt, wird er von der Maische abgezogen. Die Schalen sinken, weil die Gärung sich verlangsamt und kein CO2 mehr produziert wird, auf den Boden. Der Kellermeister öffnet ein Ventil im Gärbehälter und läßt die Maische ablaufen. Schalen, tote Hefen und Fruchtfleischteilchen, die sich am Boden des Gefäßes gesammelt haben, werden in eine Presse gepumpt und ausgepreßt. Ist noch Zucker in der Flüssigkeit, wird sie ohne Schalen weitervergoren. Sonst ist die Gärung beendet.

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