Mittwoch, Dezember 11, 2024
0.9 C
München
spot_img

Die großen Weine von Le Soula: Ein Gespräch mit Mark Walford

Selten treffen geschäftliche Entscheidungen, die mit kühlem Kopf gefällt werden, so ins Herz wie bei Mark Walford. Der Mitgründer der Londoner Weinimportfirma Richards Walford (die 2012 an Berry Bros & Rudd verkauft wurde) investierte vor 14 Jahren in alte Weinberge einer völlig unbekannten Appellation namens Côtes Catalans im äußersten Süden Languedoc-Roussillons. Eine Gegend, die bis dahin nur für ihre Abgeschiedenheit und Armut bekannt war, aber nicht für die besonderen Qualitäten ihres Weins. Heute weiß Walford, dass es die beste Entscheidung seines Lebens war. Mehr noch: Er spürt, dass sein Herzblut für Le Soula fließt. So heißt das Weingut, das dort gegründet wurde.

Die Rolle von Gérard Gauby

Die Geschichte von Le Soula beginnt allerdings 40 Kilometer entfernt in dem Dorf Calce bei Perpignan. Dort feierte damals ein junger Winzer gerade seine ersten Erfolge mit heroischen, biodynamisch erzeugten, nahezu ungeschwefelten Weinen, die die Weinwelt in Staunen versetzten und die ganze schöne Ordnung, nach der aus dem Roussillon nur gesichtslose Massenweine kommen, durcheinander wirbelten. Sein Name: Gérard Gauby. Gauby kam damals zu Mark Walford und seinem Geschäftspartner Roy Richards nach London, um sie zu fragen, ob sie Interesse hätten, alte Weinberge in Fenouillèdes mit teilweise hundertjährigem Rebbestand zu kaufen. Das Besondere an den Weinbergen, so berichtete er, sei die Höhenlage und die verwitterten Granit- und Schieferböden. Dort könne man große Weine erzeugen, rote wie weiße, ähnlich gut wie seine eigenen.

Gérard Gauby
Gérard Gauby

Walford und Richards dachten einen Moment nach. Dann sagten sie Ja. Aber Walford sah die Investition unter dem Aspekt, dass Gauby sich um die Weinberge kümmerte, vor allem als Geldanlage an. Den Gedanken, auszusteigen aus seinem Beruf und sich selbst in Südfrankreich niederzulassen, hatte er nicht.

Ganz anders als die schwerblütigen Roten Roussillons

Heute gilt Walford als Retter des Weinbaus in dieser einsamen Bergregion weit weg von den Stränden des Mittelmeers. Mit seinem Geld und mit Gaubys Hilfe sind dort in den letzten Jahren Weine entstanden, wie sie Südfrankreich bisher nicht kannte. Rotweine aus Carignan, Syrah und Grenache Noir, die eine hohe Eleganz aufweisen und so gar nichts mit den schwerblütigen Roten zu tun haben, die sonst aus Roussillon kommen. Und Weißweine (aus Macabeu, Sauvignon blanc, Grenache blanc, Chardonnay, Malvoisie de Roussillon und Vermentino), von denen Kenner meinen, dass sie einzigartig in der Welt sind. Manche sagen auch: wie von einem anderen Stern.

Das Hochland von Fenouillèdes
Das Hochland von Fenouillèdes

Vor ein paar Tagen stellte Walford nun die neuen Jahrgänge in privatem Rahmen in London vor, und ich hatte Gelegenheit, mit ihm über das Projekt Le Soula zu sprechen. „Wir waren seit jeher die Importeure von Gérard Gauby”, sagt Walford. „Gérard wusste, dass es im Roussillon nicht an Sonne mangelt, oft aber an Säure im Wein. Als er in die Berge im Hinterland von Calce blickte, fiel ihm auf, dass die oft bereits vernachlässigten alten Reben in den höheren Lagen ein riesiges Qualitätspotenzial besitzen. Deshalb fragte Gérard uns, ob wir an einem Joint Venture interessiert seien. Er würde gern ein paar Hektar Reben in 350 bis 600 Meter Höhe kaufen.

„Es war keine große Investition“

Wir waren damals (und sind es auch heute noch) gewiefte, nüchtern kalkulierende Weinhändler. Wir wussten, dass die Qualität von Gaubys Weinen bemerkenswert war. Wir folgerten, dass die Weine aus den neuen Weinbergen vielleicht noch bemerkenswerter sein würden. Diese Chance wollten wir uns nicht entgehen lassen. Also gaben wir das Geld.“

Le Soula - Korken
Le Soula – Korken

Gauby startete das Projekt. Und es ließ sich gut an. Nachdem im Dorf bekannt geworden worden war, dass er drei Hektar kaufen wollte, wurde er von Angeboten örtlicher Winzer überflutet. Alle wollten verkaufen. Die lokale Genossenschaft hatte gerade aufgegeben und die Winzer hatten niemand mehr, der ihnen die Trauben abnahm. So boten sie ihre Weinberge zum Verkauf an: hochwertiges Rebland mit uralten Buschreben, die nur wenig Ertrag, aber hochwertige Trauben gaben.

Weinberge von Le Soula
Weinberge von Le Soula

„Nach und nach kauften wir weitere Weinberge dazu“, erzählt Walford. Auf die Frage, ob man in London nicht spottete über eine derart abenteuerliche Investition, schmunzelt er nur: „Ha, es war keine große Investition. Damals war Rebland billig. Wir bezahlten für bereits bepflanztes Land sogar weniger, als es uns gekostet hätte, wenn wir es hätten neu bepflanzen müssen.”

Biodynamisch bewirtschaftet

So sind aus den drei Hektar, mit denen Le Soula startete, mittlerweile 22 geworden. Gauby engagierte 2008 einen eigenen Verwalter, Gerald Standley, der seitdem ganz für Le Soula zuständig ist.

„Gauby ist ein Mann von großer Inspiration und mit kühnen Ideen, aber er konnte sich beim besten Willen nicht um zwei Weingüter kümmern. Auch wenn sie nahe beieinander liegen: Die gewundenen Bergstraßen bedeuteten, dass man mindestens eine Stunde von der Domaine Gauby bis zu Le Soula unterwegs ist. Standley machte dort weiter, wo Gauby aufgehört hatte. Er hat sich Le Soula voll und ganz verschrieben und ist inzwischen auch Gesellschafter.“

Buschreben von Le Soula
Buschreben von Le Soula

Inzwischen wird das Weingut biodynamisch bewirtschaftet. Ein eigener Keller ist dazu gekommen. Vor allem aber liegen erste Erfahrungen vor, wie die Weine sich auf der Flasche entwickeln. Dabei ist klar geworden, dass der weiße Le Soula der herausragende Wein der kleinen Domaine ist. Er besitzt genau das, was viele Weine  des Roussillon vermissen lassen: Säure. In den ersten Jahren mag er zwar ein wenig unfrisch, ja oxydiert wirken. Doch nach vier, fünf Jahren hat seine Stunde geschlagen: Da kommt eine Struktur und Mineralität zum Vorschein, wie sie sonst nur große weiße Burgunderweine an den Tag legen.

Großes Alterungspotenzial

„Die Weine können hervorragend altern“, berichtet Walford. „Sie sind vital, lebendig, schmecken immer wieder anders. Wenn man eine Flasche aufmacht, bleibt diese für fünf, sechs, sieben, sogar acht Tage frisch. Das kommt alles von der Höhenlage und den niedrigen Erträgen der alten Reben.”

Etikett Le Soula
Etikett Le Soula

Hört sich so jemand an, der lediglich finanziell involviert ist? „Nein, mein Mitwirken ist nicht rein finanziell“, bekennt Walford heute. „Ich bin so oft wie möglich im Weingut. Ich liebe dieses Land und seine Weine. Zuhause trinke ich sie die ganze Zeit. Immer wenn ich unterwegs bin und heimkomme, mache ich als erstes eine Flasche Le Soula auf.”

Doch mit der Qualität allein wäre dem Projekt kein Erfolg beschieden gewesen, meint Walford: „Le Soula funktionierte, da wir in London hier Zugang zu den Märkten haben und die Weine einem breiten Publikum präsentieren konnten.“


Die Weine (weiß und rot) von Le Soula sind erhältlich bei www.gute-weine.de. Sie kosten um die 25 Euro.

Die Zweitweine von Le Soula (weiß und rot) heißen Trigone und liegen preislich bei knapp 14 Euro.


- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img