Vom Rausch- zum Genussmittel
Wann der Mensch begann, Reben zu kultivieren, und wo es war, daß aus den Trauben erstmals Wein erzeugt wurde, kann nur vermutet werden. Sicher ist, daß nicht in allen Gebieten, in denen Wildreben wucherten, auch Wein erzeugt wurde.
Die ältesten Hinweise auf die Existenz des Weins stammen aus Georgien. Dort hat man Reste von Tonkrügen gefunden, die aus der Zeit um 6000 v. Chr. stammen und mit Traubenreliefs dekoriert sind. Auch zwischen Euphrat und Tigris, in der südlichen Kaukasusregion, am Nil und später in Palästina gibt es Anzeichen dafür, daß die Menschen schon in der Frühzeit Wein zu erzeugen wußten. Daß es ein wohlschmeckendes Getränk war, darf bezweifelt werden. Weshalb sonst wurde es mit Honig gesüßt oder mit Kräutern wie Absinth gewürzt? Wahrscheinlich verehrten die Menschen den Wein allein seiner alkoholischen Wirkung wegen.
Entstehung der Vitis vinifera
Wahrscheinlich verdankt sich die Entdeckung des Weins einem Zufall. Die Menschen in Vorderasien bewahrten nämlich den Traubensaft in Krügen oder Schläuchen aus Ziegen- und Kamelleder auf, worin er, angesichts der heißen Temperaturen, schnell zu gären begann. Ob er durchgärte, süß blieb, oxydierte oder zu Essig wurde, ist unbekannt. Immer- hin spricht die bloße Existenz von Wein in diesem Raum dafür, daß die Trauben sehr zuckerreich waren und der Saft sich zu einem wohlschmeckenden und berauschenden Getränk vergären ließ. Deshalb haben die Botaniker später der europäisch-vorderasiatischen Rebe den Namen Vitis vinifera gegeben: die zur Weinerzeugung taugliche Rebe.
Wein bei den Griechen
Mit dem Aufstieg der griechischen Zivilisation wurde die Rebe ab 1600 v. Chr. im Mittelmeerraum systematisch kultiviert. Mykene und Sparta müssen die Zentren der Weinproduktion gewesen sein. Darauf deuten auch zahlreiche Darstellungen auf Vasen hin, die dort gefunden wurden. Wein war ein Kultgetränk, mit dem Siege gefeiert, Götter geehrt und Feste begangen wurden. Die Methoden der Weinbereitung waren damals schon erstaunlich weit entwickelt, obwohl es auch immer wieder vorkam, daß dem Wein während der Gärung salziges Meerwasser beigemischt wurde – angeblich, um ihn geschmeidiger zu machen. Die griechischen Kolonisatoren brachten Wein und Reben nach Syrien, Ägypten, Cádiz und Marseille (600 v. Chr.), später auch nach Sizilien (500 v. Chr.). Trotzdem sahen die Griechen ihren Weingott Dionysos nicht nur als Wohltäter an, der ihren Bauern die Kunst der Weinbereitung lehrte, sondern auch als Bedroher, der die Menschen in einen Rausch versetzt und mit Wahnsinn schlägt.
Verbreitung der Rebe durch die Römer
Nach dem Niedergang Griechenlands breitete sich der Weinkult rasch im Römischen Reich aus. Wein war Statussymbol, Währung, Medizin und mythisches Getränk zugleich, das zum Beispiel zur Besiegelung von Verträgen getrunken wurde. Der weiße Falerner war der berühmteste Wein der Antike. Seine Reben wuchsen nördlich von Neapel an Ulmen oder Maulbeerbäumen. Plinius berichtete, daß er mal süß, mal trocken, immer jedoch alkoholreich war. Zu jener Zeit experimentierte man bereits mit verschiedenen Erziehungsformen, mit verschiedenen Aufbewahrungsarten, und man begann, Rebsorten voneinander zu unterscheiden. Vergil schrieb, daß es so viele Sorten gäbe wie Sandkörner am Strand. Von Rom aus gelangte das Wissen vom Weinbau nach Südfrankreich, an die Mosel, den Rhein und in bestimmte Teile Spaniens. Spanier und Franzosen sind sich allerdings sicher, daß einzelne Stämme schon vorher Weinbau betrieben haben. Auch in Italien muß das berauschende Ge- tränk schon in vorrömischen Zeiten bekannt gewesen sein – zumindest in Mittelitalien. Dort siedelten die Etrusker, und bei ihnen war Wein schon im 3. Jahrhundert v. Chr. ein Symbol für Wohlstand und ausschweifendes Leben. Ob die Etrusker Reben anbauten oder Wildreben zur Weinherstellung benutzten, ist nicht bekannt, wohl aber, daß sie Handel mit Wein trieben.
Mittelalter und Neuzeit
In den Jahrhunderten nach Christus hatte sich der Weinbau in Europa wie ein Flächenbrand ausgebreitet. Im Mittelalter leisteten die Mönche Pionierarbeit. Vor allem unter den lebensfrohen Benediktinern erreichte das Wissen um den Anbau der Rebe und die richtige Erzeugung des Weins ein hohes Niveau, später unter den sich abspaltenden, asketischen Zisterziensern. Von ihren Klöstern in Cluny und Cîteaux ging die Entwicklung des Burgund zum Weinanbaugebiet aus. In der Renaissance waren es dann aufgeklärte Monarchen und wohlhabende Bürger, die den Weinbau vorantrieben, allen voran die italienischen Familien Antinori und Frescobaldi. Ihre größte Ausdehnung erreichte die europäische Rebfläche im 16. Jahrhundert. Sie war knapp viermal so groß wie heute, und der Weinkonsum muß bis zu 200 Liter pro Mensch und Jahr betragen haben. Danach war es allerdings vorbei mit der goldenen Weinära. Kriege und Krankheiten, auch die Abkühlung des Klimas sorgten dafür, daß sich der Weinbau auf jene wenigen Kerngebiete zurückzog, die mit den heutigen Weinanbaugebieten grob identisch sind.
Die Mehltau- und Reblauskatastrophe
Der größte Einschnitt in der jüngeren Geschichte des Weinbaus ist das Auftreten des Echten Mehltaus und der Reblaus gewesen. Der Mehltau trat erstmals 1847 in Frankreich auf und vernichtete ganze Ernten. Unvergessen ist der Jahrgang 1854, in dem in Frankreich nur ein Zehntel der normalen Menge geerntet wurde. Noch verheerender war das Werk der Reblaus. Sie fraß sich ab 1863 von Frankreich kommend durch die Weinberge Europas und vernichtete auf Jahrzehnte ganze Rebenbestände. Als um 1910 endlich ein Ge- genmittel gefunden wurde, waren unzählige Rebsorten, wahrscheinlich auch hochwertige, für immer verschwunden. Das heutige Rebensortiment ist nur noch ein schwaches Abbild der damaligen Vielfalt. Die Schädlinge kamen über Rebpflanzen, die Händler aus Amerika mitbrachten, nach Europa.
[…] Patrick; Krimm, Stefan: Die Geschichte der Rebe. Hg. v. Weinkenner.de. Online verfügbar unter https://www.weinkenner.de/weinschule/der-weinbau/die-geschichte-der-rebe/, zuletzt geprüft am […]