Die etwas anderen Rieslinge des Martin Müllen

Artikelbild Trarbach
Martin Müllen aus Kröv an der Mosel glaubt nicht, dass man viel Technik braucht, um gute Rieslinge zu erzeugen. Man braucht nur Zeit, Geduld und eine gute Lage. Alles drei hat er. Das macht seine Weine so besonders.

Mar­tin Mül­len, 50, ist weder ein Tech­nik­feind noch ein Nost­al­gi­ker. Er weiß, dass man den Ries­ling nicht neu erfin­den kann. Aber er glaubt, dass es nicht falsch sein kann, ihn so zu machen wie vor hun­dert Jah­ren, als er teu­rer war als ein Mar­gaux oder ein Lafite-Rothschild. Zumin­dest so ähn­lich. Jetzt hat er eine uner­war­te­te Bestä­ti­gung bekom­men. Im Wine Advo­ca­te von Robert Par­ker erhielt einer sei­ner Ries­lin­ge mit 96 von 100 Punk­ten die höchs­te Punkt­zahl eines tro­cke­nen deut­schen Weins über­haupt. Ste­phan Rein­hardt, der seit einem knap­pen Jahr für Par­ker deut­sche Wei­ne bewer­tet, schreibt über Mül­lens Ries­ling: „Ein gro­ßer Wein für min­des­tens zwei Generationen.“

Cremig durch langes Hefelager

Die Rede ist von der 2012er Trar­ba­cher Hüh­ner­berg Ries­ling Spät­le­se tro­cken*. Zwei Gene­ra­tio­nen, das wäre für einen tro­cke­nen Wein unglaub­lich. Das Schö­ne ist, dass die­se Spät­le­se auch jetzt schon ihre Qua­li­tä­ten zeigt: hoch­mi­ne­ra­lisch auf der einen Sei­te, cre­mig auf der ande­ren Sei­te durch das lan­ge Lagern auf der Hefe. Nichts an ihr ist vor­der­grün­dig. Kein lau­tes Bou­quet, kei­ne reduk­ti­ven Noten, kein Primärfrucht-Blockbuster. Ein Wein, der die Sub­stanz sei­ner Lage pur zum Aus­druck bringt. Dass er sofort aus­ver­kauft war, als Par­kers Bewer­tun­gen her­aus­ka­men, über­rascht nicht. Aber der 2011er liegt noch in Mül­lens Kel­ler, eini­ge ande­re kaum weni­ger gute Wei­ne auch.

Mül­lens Phi­lo­so­phie ist ein­fach. Er kon­zen­triert sich dar­auf, gute Trau­ben zu pro­du­zie­ren und die­se so scho­nend wie mög­lich zu ver­ar­bei­ten. Sie wer­den bei ihm in Bot­ti­chen ange­lie­fert und von Hand mit einer Spe­zi­al­for­ke in die Trau­ben­müh­le beför­dert. Mit einer Schne­cke gin­ge das ein­fa­cher. Aber Mül­len weiß, dass Trau­ben in die­sem Sta­di­um beson­ders ver­letz­lich sind.

Weinbereitung nach Großväter Art

In der Müh­le wer­den die Trau­ben leicht ange­quetscht und mit den Stie­len in eine alte Korb­pres­se gege­ben – aber nicht gepumpt. Mül­len will ver­hin­dern, dass durch den Pump­vor­gang Stie­le, Scha­len und Ker­ne beschä­digt wer­den und die Qua­li­tät, die der Wein­berg pro­du­ziert hat, ver­lo­ren geht. Die Korb­pres­se wird statt­des­sen mit Eimern befüllt. Ein müh­sa­mer, aber loh­nen­der Vor­gang. Das Pres­sen selbst dau­ert dann bis zu 20 Stun­den. Das Resul­tat ist ein hoch­wer­ti­ger Most, der sofort zum Abset­zen in alte Fäs­ser gefüllt wird. Zen­tri­fu­gie­ren oder Ent­sch­lei­men mit Enzy­men sind tabu. Danach wird der Wein im Holz ver­go­ren, spon­tan und lang­sam. Der küh­le Kel­ler bremst die Gärung. Manch­mal gären Mül­lens Wei­ne bis in den August hin­ein. Manch­mal sind sie, wie eini­ge 2014er, schon im April fer­tig und wer­den gefüllt. In die­ser Zeit wird jedes Fass wöchent­lich ver­kos­tet, um Fehl­tö­ne wie flüch­ti­ge Säu­re und ähn­li­ches zu ver­mei­den: „Ich muss kon­trol­lie­ren, ob es dem Wein gut geht.“

So alt­mo­disch und arbeits­in­ten­siv die Kel­ler­ar­beit ist – die Wei­ne, die Mül­len bekommt, sind sau­ber, grad­li­nig, aus­ba­lan­ciert, ohne jeden Retro-Kitsch. Sie besit­zen eine gro­ße Fri­sche und eine per­fek­te Balan­ce. Wäh­rend der lan­gen Gärung machen man­che Ries­lin­ge einen leich­ten bio­lo­gi­schen Säu­re­ab­bau durch und ent­wi­ckeln so eine zar­te Cre­mig­keit. Ande­re behal­ten ein paar Gramm Rest­zu­cker und kom­men als fein­her­be Wei­ne auf die Fla­sche. Der Anteil der tro­cke­nen Wei­ne über­wiegt jedoch.

Geheim­nis der Qua­li­tät ist der Hühnerberg

Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um bei Mül­len, der im Gault Mil­lau als 3-Trauben-Betrieb ein­ge­stuft wird, sind jedoch die Lagen, ins­be­son­de­re der Hüh­ner­berg. Von den knapp 4,2 Hektaren, die er besitzt, lie­gen 2 Hekt­ar in die­ser alten, ter­ras­sier­ten Steil­la­ge in einem Sei­ten­tal der Mosel, nur weni­ge Kilo­me­ter von Trar­bach entfernt.

Der Unter­grund besteht aus bräun­lich schim­mern­dem Schie­fer, in dem Mül­len Ein­la­ge­run­gen von Eisen ver­mu­tet. Die Bewirt­schaf­tung die­ser Lage ist extrem auf­wen­dig, die Erträ­ge sind gering. 2013 hat Mül­len zum Bei­spiel nur 15 Hektoliter/Hektar geern­tet. Aber was für Trau­ben: klein, gold­gelb, zart gesprenkelt.

Etikett mit historischer Lagenkarte
Eti­kett mit his­to­ri­scher Lagenkarte

 

 

In der berühm­ten Mosel-Weinbaukarte von 1897, die von der Preu­ßi­schen Regie­rung als Grund­la­ge für die Besteue­rung von Wein­bergs­be­sitz ver­wen­det wur­de, erscheint der Hüh­ner­berg als Klas­se 1-Lage – wie der Bern­kas­te­ler Doc­tor­berg oder die Weh­le­ner Son­nen­uhr. Wegen sei­ner Steil­heit und man­gels Wirt­schafts­we­gen, die die Vor­aus­set­zung für den Ein­satz von Seil­zug­an­la­gen wären, war ein Teil des Hüh­ner­berg von den Vor­be­sit­zern offen gelas­sen wor­den, bevor Mül­len sei­ne Par­zel­len erwarb. Ande­re Tei­le waren mit Neu­züch­tun­gen bestockt und muss­ten gero­det wer­den. Den­noch ver­fügt Mül­len über Par­zel­len mit 50 und mit 100 Jah­re alten Reb­stö­cken, die ihm die Basis für sei­ne gran­dio­sen Spät­le­sen und edel­sü­ßen Wei­ne geben.


Die Weine


2013 Krö­ver Para­dies Kabi­nett Ries­ling fein­herb | Wein­gut Mar­tin Müllen
Mit nur 9,5 Vol.% Alko­hol einer sei­ner leich­tes­ten Wei­ne, den küh­len Jahr­gang deut­lich wider­spie­gelnd: sehr schlank mit Noten von grü­nem Apfel und Kräu­tern, kon­tra­punk­tiert durch eine spür­ba­re Rest­sü­ße, ins­ge­samt noch etwas aus­ein­an­der­stre­bend, aber ver­mut­lich schon im Som­mer per­fekt zum Trinken.
Bewer­tung: 87 Punkte
(noch ohne Preis)
2013 Ries­ling Revi­val QbA tro­cken | Wein­gut Mar­tin Müllen
Auch wenn offi­zi­ell nur ein Qua­li­täts­wein, ist der Revi­val ein kräf­ti­ger Ries­ling mit mar­kan­ter Säu­re und zar­ter Frucht. Er kommt aus ver­schie­de­nen Wein­ber­gen des Müllen’schen Besit­zes, ein klei­ner Teil auch aus dem Hüh­ner­berg. Mit dem Aus­druck Revi­val, den Mül­len hat schüt­zen las­sen, will er auch gegen­über dem Kon­su­men­ten auf die alten Vini­fi­zie­rungs­tech­ni­ken hin­wei­sen, die er anwendet.
Bewer­tung: 89 Punkte
Preis: 11,90 Euro
2012 Trar­ba­cher Hüh­ner­berg Ries­ling Spät­le­se A&J tro­cken | Wein­gut Mar­tin Müllen
Einer der bes­ten Spät­le­sen des Jahr­gangs, teils von ältes­ten Reben am Fuß des Hüh­ner­bergs, teils von jun­gen Reben auf den mitt­le­ren Ter­ras­sen kom­mend: ein Monu­ment von Wein, in der Nase duf­tig mit flo­rea­len Noten, am Gau­men vol­ler Mine­ra­lik mit rei­fer Säu­re, bis August auf der Hefe gelegen.
Bewer­tung: 94 Punkte
Preis: 18,90 Euro

 

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