Die lang anhaltende Trockenheit macht den deutschen Winzern zunehmend Sorgen. In fast allen Weinanbaugebieten sind die Böden ausgetrocknet. Die Reben beginnen zu verdursten. Blätter vergilben und fallen zu Boden. Vor allem in den flachen, sandigen Lagen ist die Bodenfeuchtigkeit durch die starke Sonneneinstrahlung bei nahe Null angekommen. Junge Reben, die noch keine tiefen Wurzeln gebildet haben, befinden sich dadurch in massivem Trockenstress. Das gilt zum Beispiel für Teile Rheinhessens und der Pfalz. Lehmige Böden, die ein grösseres Wasserspeicherungsvermögen besitzen, können die Reben noch versorgen. Doch wenn es nicht bald regnet, könnte es auch dort kritisch werden.
Im Rheingau sieht es für 80 bis 90 Prozent der Weinberge zwar noch gut aus. Doch eine Änderung der Wetterlage ist in den nächsten Tagen nicht zu erwarten. Auch an der Mosel dürsten die Reben nach Wasser. In den Steillagen, wo sich der Schiefer extrem aufheizt, rechnen die Winzer bereits mit deutlichen Mengeneinbußen. Grosse Sorgen machen sich auch die Winzer in Nordbaden. Der Weinbauverband fürchtet, dass die Traubenerträge von 92 auf 80 Hektoliter Wein pro Hektar sinken könnten. Am Kaiserstuhl und im Markgräflerland gibt es dagegen Entwarnung. Dort hat es in der vergangenen Woche ausgiebig geregnet. Auch die Franken atmen auf. Dort endete die Hitzeperiode gestern mit starken Regenfällen, die bis zu 25 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gebracht haben. Bei fränkischen Winzern waren schon Erinnerungen an das Hitzejahr 2003 wach geworden, als die Weine durch mehrere Hitzewellen alkoholisch und flach geworden waren.
Sollten endlich die erhofften Regenfälle kommen, sind die Aussichten für den Jahrgang 2015 gut. Die Trauben haben derzeit einen Reifevorsprung von etwa einer Woche, so dass die Rieslinglese bereits Mitte September beginnen könnte. Gute und Spitzenwinzer machen sich sowieso weniger Sorgen wegen der Trockenheit. Sie verfügen häufig über die besseren Böden und haben in der Regel grössere Bestände an alten Rebstöcken, die auch lange Trockenperioden unbeschadet überstehen. Ausserdem haben sie ihre Trauben längst ausgedünnt, so dass der einzeln Rebstock weniger belastet ist. Sie träumen auch nicht von 92 Hektolitern Wein pro Hektar, sondern sind mit 60 bis 70 Hektolitern zufrieden. Der Weinlese sehen sie relativ gelassen entgegen. „Die Qualität des Jahrgangs 2015 entscheidet sich sowieso erst auf der Zielgraden“, sagt Robert Haller, Direktor des Bürgerspitals in Würzburg. Und auf die Zielgerade einbiegen werden die Winzer frühestens Anfang Oktober.