Die Nachricht vom Tode Wilhelm Haags hat sich nur langsam in der Öffentlichkeit verbreitet. Die Bestürzung ist allenthalben groß. Der Moselwinzer aus Brauneberg war viele Jahre, ja Jahrzehnte eines der prominentesten Gesichter des deutschen Weins. Bis 2005 war er aktiver und verantwortlichier Winzer. Erst dann, mit 68 Jahren, hatte er sein Weingut Fritz Haag, wie es offiziell heißt, seinem Sohn Oliver überschrieben und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Vorher htte er fast 20 Jahre lang dem Bundesvorstand des VDP angehört. Bis 2004 stand er als Vorsitzender des VDP Mosel-Saar-Ruwer in der ersten Reihe der Moselwinzer.
Filigrane Weine von ungeheurer Aromaintensität
Seine größte Leistung aber waren die eigenen Weine. Sie haben jener Generation von Weintrinkern, die sich in den 1960er und 1970er Jahren von den gesüßten Spätlesen des Typs Kröver Nackarsch enttäuscht abgewandt hatten, die Augen geöffnet und das Interesse an qualitativ hochklassigen Rieslingen wieder wachsen lassen. Ich selbst zähle mich zu diesen Weintrinkern. Als ich Wilhelm Haag 1984 das erste Mal besuchte und seine 1983er Rieslinge trank, war ich überrascht und hingerissen zugleich von der Rasse und Klasse dieser schlanken, reduktiv ausgebauten Weine, die trotz ihrer Filigranität mit einer unglaublichen Aromaintensität aufwarteten. Solche Weine hatte ich nicht erwartet – egal ob trocken, halbtrocken (so hieß das damals noch) oder fruchtsüß.
Viel Neugier, kein Dünkel
Wilhelm Haag hatte früh, als es noch keine Klimaerwärmung gab und die Trauben an der Mosel höchstens in sieben von zehn Jahren reif wurden, die Bedeutung der Lagen erkannt. Juffer und Juffer-Sonnenuhr – das waren (und sind) die Lagen, aus denen die Rieslinge kommen, für deren Exzellenz er sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hat. Im Laufe der Jahre konnte er den Rebbesitz von 3,5 Hektar auf heute 19,5 Hektar ausweiten. Wilhelm Haag war aber nicht nur ein genialer Winzer, sondern ein temperamentvoller, hoch integrer Mensch, der mit seiner jovialen Art und Eloquenz Menschen anziehen konnte. Ich habe in den letzten Jahren mehrere Reisen mit ihm nach Italien gemacht und gestaunt, mit welcher Herzlichkeit und Neugier er mit sizilianischen, toskanischen und piemontesischen Winzern fachsimpelte. Dünkel kannte er nicht. In den letzten Monaten schwanden krankheitsbedingt seine Kräfte zunehmend. Sein Wunsch, die letzten Tage zu Hause mit Blick auf die Weinberge der anderen Moselseite zu verbringen, war ihm leider nicht vergönnt. Sein Humor, seine Jovialität und sein kräftiger Händedruck werden uns fehlen.
Dieser wunderschöne Nachruf trifft genau den Kern. Eine letzte Hommage an den großen Winzer. Der Große Wilhelm gab mir mal vor Jahren mit auf den Weg: “Wer 80 Jahre lang guten Wein trinkt, lebt lange!”