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Der Wein zur Auster

Wer Austern mag, kann sie eigentlich immer essen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Zwar gibt es eine Regel, die besagt, dass man Austern nur in Monaten mit r, also nicht im Hochsommer essen solle. Aber die Regel ist nicht ganz haltbar – es gibt auch im August großartige Exemplare (wenn man nicht gerade eine laichende Auster in der Milch erwischt). Trotzdem ist der Winter gefühlt die beste Austernzeit. Meist besinnt man sich gegen Ende des Jahres auf den Genuss des traditionell roh verspeisten Muscheltiers. In Frankreich ist die Auster von keiner Weihnachtstafel wegzudenken, hierzulande wird sie gerade zu Silvester und Neujahr immer beliebter, weil sie so gut zur Stimmung von Schaumwein, Fete und Stößchen passt.

„Austern für alle“

Dabei sollte man nicht den Fehler machen, die edle Muschel den Snobs zu überlassen. Früher war sie ein Armeleut‘-Essen, das britische Hafenarbeiter nach Feierabend im Pub mit ein paar Krügen Bier herunterspülten. In vielen Küstengegenden geht sie heute noch fast als Grundnahrungsmittel durch. Der deutsch-französische 68er und spätere grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit eckte bei seinen konsum- (und genuss-)kritischen deutschen Genossen an, als er „Austern für alle!“ zum Ziel des Sozialismus ausrief.

Keine überkandidelten Weine zur Auster

Man muss zur Auster keine überkandidelten Weine trinken. Eine Auster ist ohnehin ein aromatisch subtiles Genussmittel. Knackig-frische, trockene Weine eignen sich zu seiner Begleitung am besten. Sie dürfen gern herzhaft und einfach sein. Zu viel Frucht sollten sie nicht haben, weil die blumigen Noten den jodigen Geschmack der Auster brachial und bitter wirken lässt. Ähnlich ungeeignet sind Weine mit hohem Alkoholgehalt. Zum Austernschlürfen empfehlen wir deshalb folgende sechs Weine.

Der Unsnobistische: Muscadet

What grows together goes together lautet ein englisches Sprichwort. Die Gegend um die Hafenstadt Nantes, wo die Loire mündet, ist einerseits die Heimat der weißen Muscadet-Traube (auch Melon de Bourgogne genannt). Andererseits werden im kühlen Atlantikwasser

Austern gezogen. Beides passt hervorragend zueinander. Der Muscadet-Weißwein ist einfach strukturiert, nie kompliziert, aber mit seinen subtilen Zitrusnoten, der sanften Frische und mit dem crispy Hefe-/Batonnage-Ton nie langweilig. Wer niemandem etwas beweisen muss, wird in diesem gänzlich unsnobistischem Wein das perfekte Austern-Pairing finden.

2020 Muscadet Sèvre et Maine „Le Fleuron“, Domaine Girard
7,90 € bei Les Amis Du Vin

Die Schäumenden: Champagner und Cava

Champagner ist völlig zu Recht ein Klassiker zu Austern. Die Hefigkeit und die zupackende Zitrusfrische greifen dem Meeresbewohner perfekt unter die Arme. Die Basis-Cuvée von

Jacquesson ist ein idealer Austern-Champagner, weil er fast minimalistisch ist, kaum Fruchtaromen zeigt und stattdessen kreidige, leicht salzige Aromen mitbringt, die perfekt zur Jodigkeit des Meers passen. Andererseits: Wenn das Motto „Austern für Alle“ heißen soll, braucht es eine weniger teure, aber genauso gut passende Alternative. Die wäre zum

Beispiel der Xarel·lo Brut Nature von den Naturweinwinzern Els Vinyerons Pregadéu aus Nordspanien: ein wunderbar herber, naturtrüber, mit wilden Hefen vergorener Cava, der mit Aromen von Apfelschale und Haselnuss aufwartet – einfach, aber treffsicher.

Jacquesson – Extra Brut Cuvée 744
ca. 55 € bei Champagne Characters oder Lobenbergs Gute Weine

Els Vinyerons Pregadéu – Cava Brut Nature 2019
ca. 11 € bei Origine Kiosque oder Vinos

Der kleine Bruder des Chardonnay: Aligoté

Chardonnay aus dem Chablis ist ebenfalls ein Austern-Klassiker. Wenn man kein Problem mit Holz zu Austern hat, würde auch ein Meursault zur Auster passen, etwa der legendär-flintige Kultwein von Jean-Francois Coche (Coche-Dury) – den kann man aber weder bezahlen kann noch bekommt man ihn einfach so. Wir empfehlen stattdessen einen einfachen Aligoté aus dem Burgund, der ebenfalls mit Feuerstein und Schießpulvernoten punkten kann. Die Winzer Pierre und Anne Boisson bauen ihn ähnlich wie ihre Chardonnays im Holzfass lange auf der Hefe aus, was ihm reduktive und subtil cremige Noten verleiht.

2018 Aligoté, Domaine Boisson-Vadot
21 € bei Pinard de Picard

Der tanninarme Rote: Poulsard

Man ist zu Austern keineswegs auf Weißwein beschränkt. Rotwein passt ebenfalls, wobei man hier genauer hinsehen muss, was man auswählt. Es empfehlen sich ausnahmslos leichte Rotweine mit wenig Gerbstoff. Schwere, tanninhaltige Rotweine würden die Austern schal schmecken lassen. Sehr gut passen erstaunlicherweise württembergische

Trollinger, sofern sie völlig trocken sind, einen biologischen Säureabbau durchlaufen haben, ohne Maischeerhitzung vergoren wurden und ohne marmeladige Aromen aufwarten. Das ist nur leider selten. Poulsard aus dem Jura ist der württembergischen Rebsorte gar nicht so unähnlich: blassrot mit feinem, subtilen Tannin und zurückhaltendenJohannisbeernoten. Besonders zu empfehlen, wenn die Austern mit einer Schalotten-Vinaigrette beträufelt werden.

2020 Poulsard „Ploussaperlipopette“, Domaine de la Borde
24,50 € bei Vins Vivants

Das Obergärige: Dunkelbier aus dem Bamberger Land

Auch Weinkenner müssen zugeben, dass Bier und Austern vorzüglich harmonieren. Ein handelsübliches Dosenbier der Marke Guinnes Stout kann eine Offenbarung sein. Mit seinen getreidigen und röstigen Noten erweitert es den Geschmacksrahmen der Auster auf magische Art. Nicht zufällig finden in Großbritannien viele Stout & Oyster-Festivals statt. Auf der Insel ist Bier nämlich die gängigste Begleitung zur Auster. Wer Extravagenteres und Handwerklicheres sucht, wird bei der fränkischen Traditionsbrauerei Kundmüller nahe Bamberg in Oberfranken fündig, deren Schwärzala wunderbare Kaffee- und Schokoladearomen mit herber Bierwürze vereint: die oberfränkische Antwort auf das englische Stout.

Weiherer Schwärzla Stout, Brauerei Kundmüller
2,99 € bei Biervana

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