Der Wein zur Auster

Es muss nicht immer Champagner sein. Zu Austern passen einfache, herzhafte Weine am besten – und eine Bierspezialität. Paul Kern hat sechs Getränkevorschläge

Wer Aus­tern mag, kann sie eigent­lich immer essen: Früh­ling, Som­mer, Herbst und Win­ter. Zwar gibt es eine Regel, die besagt, dass man Aus­tern nur in Mona­ten mit r, also nicht im Hoch­som­mer essen sol­le. Aber die Regel ist nicht ganz halt­bar – es gibt auch im August groß­ar­ti­ge Exem­pla­re (wenn man nicht gera­de eine lai­chen­de Aus­ter in der Milch erwischt). Trotz­dem ist der Win­ter gefühlt die bes­te Aus­tern­zeit. Meist besinnt man sich gegen Ende des Jah­res auf den Genuss des tra­di­tio­nell roh ver­speis­ten Muschel­tiers. In Frank­reich ist die Aus­ter von kei­ner Weih­nachts­ta­fel weg­zu­den­ken, hier­zu­lan­de wird sie gera­de zu Sil­ves­ter und Neu­jahr immer belieb­ter, weil sie so gut zur Stim­mung von Schaum­wein, Fete und Stöß­chen passt.

„Austern für alle“

Dabei soll­te man nicht den Feh­ler machen, die edle Muschel den Snobs zu über­las­sen. Frü­her war sie ein Armeleut‘-Essen, das bri­ti­sche Hafen­ar­bei­ter nach Fei­er­abend im Pub mit ein paar Krü­gen Bier her­un­ter­spül­ten. In vie­len Küs­ten­ge­gen­den geht sie heu­te noch fast als Grund­nah­rungs­mit­tel durch. Der deutsch-französische 68er und spä­te­re grü­ne Euro­pa­ab­ge­ord­ne­te Dani­el Cohn-Bendit eck­te bei sei­nen konsum- (und genuss-)kritischen deut­schen Genos­sen an, als er „Aus­tern für alle!“ zum Ziel des Sozia­lis­mus ausrief.

Keine überkandidelten Weine zur Auster

Man muss zur Aus­ter kei­ne über­kan­di­del­ten Wei­ne trin­ken. Eine Aus­ter ist ohne­hin ein aro­ma­tisch sub­ti­les Genuss­mit­tel. Knackig-frische, tro­cke­ne Wei­ne eig­nen sich zu sei­ner Beglei­tung am bes­ten. Sie dür­fen gern herz­haft und ein­fach sein. Zu viel Frucht soll­ten sie nicht haben, weil die blu­mi­gen Noten den jodi­gen Geschmack der Aus­ter bra­chi­al und bit­ter wir­ken lässt. Ähn­lich unge­eig­net sind Wei­ne mit hohem Alko­hol­ge­halt. Zum Aus­tern­schlür­fen emp­feh­len wir des­halb fol­gen­de sechs Weine.

Der Unsnobistische: Muscadet

What grows tog­e­ther goes tog­e­ther lau­tet ein eng­li­sches Sprich­wort. Die Gegend um die Hafen­stadt Nan­tes, wo die Loire mün­det, ist einer­seits die Hei­mat der wei­ßen Muscadet-Traube (auch Melon de Bour­go­gne genannt). Ande­rer­seits wer­den im küh­len Atlantikwasser

Aus­tern gezo­gen. Bei­des passt her­vor­ra­gend zuein­an­der. Der Muscadet-Weißwein ist ein­fach struk­tu­riert, nie kom­pli­ziert, aber mit sei­nen sub­ti­len Zitrus­no­ten, der sanf­ten Fri­sche und mit dem cris­py Hefe-/Batonnage-Ton nie lang­wei­lig. Wer nie­man­dem etwas bewei­sen muss, wird in die­sem gänz­lich uns­no­bis­ti­schem Wein das per­fek­te Austern-Pairing finden.

2020 Mus­ca­det Sèv­re et Maine „Le Fleu­ron“, Domaine Girard
7,90 € bei Les Amis Du Vin

Die Schäumenden: Champagner und Cava

Cham­pa­gner ist völ­lig zu Recht ein Klas­si­ker zu Aus­tern. Die Hefig­keit und die zupa­cken­de Zitrus­fri­sche grei­fen dem Mee­res­be­woh­ner per­fekt unter die Arme. Die Basis-Cuvée von

Jac­quesson ist ein idea­ler Austern-Champagner, weil er fast mini­ma­lis­tisch ist, kaum Frucht­aro­men zeigt und statt­des­sen krei­di­ge, leicht sal­zi­ge Aro­men mit­bringt, die per­fekt zur Jodig­keit des Meers pas­sen. Ande­rer­seits: Wenn das Mot­to „Aus­tern für Alle“ hei­ßen soll, braucht es eine weni­ger teu­re, aber genau­so gut pas­sen­de Alter­na­ti­ve. Die wäre zum

Bei­spiel der Xarel·lo Brut Natu­re von den Natur­wein­win­zern Els Vinye­rons Pre­ga­déu aus Nord­spa­ni­en: ein wun­der­bar her­ber, natur­trü­ber, mit wil­den Hefen ver­go­re­ner Cava, der mit Aro­men von Apfel­scha­le und Hasel­nuss auf­war­tet – ein­fach, aber treffsicher.

Jac­quesson – Extra Brut Cuvée 744
ca. 55 € bei Cham­pa­gne Cha­rac­ters oder Loben­bergs Gute Weine

Els Vinye­rons Pre­ga­déu – Cava Brut Natu­re 2019
ca. 11 € bei Ori­gi­ne Kios­que oder Vinos

Der kleine Bruder des Chardonnay: Aligoté

Char­don­nay aus dem Chab­lis ist eben­falls ein Austern-Klassiker. Wenn man kein Pro­blem mit Holz zu Aus­tern hat, wür­de auch ein Meurs­ault zur Aus­ter pas­sen, etwa der legendär-flintige Kult­wein von Jean-Francois Coche (Coche-Dury) – den kann man aber weder bezah­len kann noch bekommt man ihn ein­fach so. Wir emp­feh­len statt­des­sen einen ein­fa­chen Ali­go­té aus dem Bur­gund, der eben­falls mit Feu­er­stein und Schieß­pul­ver­no­ten punk­ten kann. Die Win­zer Pierre und Anne Bois­son bau­en ihn ähn­lich wie ihre Char­don­nays im Holz­fass lan­ge auf der Hefe aus, was ihm reduk­ti­ve und sub­til cre­mi­ge Noten verleiht.

2018 Ali­go­té, Domaine Boisson-Vadot
21 € bei Pinard de Picard

Der tanninarme Rote: Poulsard

Man ist zu Aus­tern kei­nes­wegs auf Weiß­wein beschränkt. Rot­wein passt eben­falls, wobei man hier genau­er hin­se­hen muss, was man aus­wählt. Es emp­feh­len sich aus­nahms­los leich­te Rot­wei­ne mit wenig Gerb­stoff. Schwe­re, tann­in­hal­ti­ge Rot­wei­ne wür­den die Aus­tern schal schme­cken las­sen. Sehr gut pas­sen erstaun­li­cher­wei­se württembergische

Trol­lin­ger, sofern sie völ­lig tro­cken sind, einen bio­lo­gi­schen Säu­re­ab­bau durch­lau­fen haben, ohne Mai­schee­r­hit­zung ver­go­ren wur­den und ohne mar­me­la­di­ge Aro­men auf­war­ten. Das ist nur lei­der sel­ten. Poul­sard aus dem Jura ist der würt­tem­ber­gi­schen Reb­sor­te gar nicht so unähn­lich: blass­rot mit fei­nem, sub­ti­len Tan­nin und zurück­hal­ten­den­Jo­han­nis­beer­no­ten. Beson­ders zu emp­feh­len, wenn die Aus­tern mit einer Schalotten-Vinaigrette beträu­felt werden.

2020 Poul­sard „Plous­s­aper­li­po­pet­te“, Domaine de la Borde
24,50 € bei Vins Vivants

Das Obergärige: Dunkelbier aus dem Bamberger Land

Auch Wein­ken­ner müs­sen zuge­ben, dass Bier und Aus­tern vor­züg­lich har­mo­nie­ren. Ein han­dels­üb­li­ches Dosen­bier der Mar­ke Guin­nes Stout kann eine Offen­ba­rung sein. Mit sei­nen getrei­di­gen und rös­ti­gen Noten erwei­tert es den Geschmacks­rah­men der Aus­ter auf magi­sche Art. Nicht zufäl­lig fin­den in Groß­bri­tan­ni­en vie­le Stout & Oyster-Festivals statt. Auf der Insel ist Bier näm­lich die gän­gigs­te Beglei­tung zur Aus­ter. Wer Extra­va­gen­te­res und Hand­werk­li­che­res sucht, wird bei der frän­ki­schen Tra­di­ti­ons­braue­rei Kund­mül­ler nahe Bam­berg in Ober­fran­ken fün­dig, deren Schwärz­a­la wun­der­ba­re Kaffee- und Scho­ko­la­de­aro­men mit her­ber Bier­wür­ze ver­eint: die ober­frän­ki­sche Ant­wort auf das eng­li­sche Stout.

Wei­he­rer Schwärz­la Stout, Braue­rei Kundmüller
2,99 € bei Bier­va­na

1 Kommentar

  • Der ganz gro­ße Knal­ler, für mich, zu Aus­tern: Ton­do­nia Gra­vo­nia. Dan­ke für den span­nen­den, anre­gen­den und unter­halt­sa­men Artikel.

    Chris­ti­an v. D.

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