Der verfluchte Jahrgang 2014: Gajas Barbaresco und Barolo

Gaja
Nach den vielen fetten Jahren folgte im Piemont mit 2014 ein mageres Jahr. Die Winzer nennen es ein verfluchtes Jahr. Jens Priewe probierte die Weine von Gaja – und konnte keinen Fluch entdecken.

Für Ita­li­ens Win­zer war 2014 ein annus hor­ri­bi­lis: ein ver­fluch­tes Jahr. Der Him­mel grau, das Kli­ma kühl, stän­dig Regen, wenig Licht und Trau­ben, die am Stock faul­ten (außer in Süd­ti­rol und am Ätna). Beson­ders pro­ble­ma­tisch war der Jahr­gangs­ver­lauf im Pie­mont. In der Barolo-Zone hat es im Juli 21 Tage am Stück gereg­net. Das Gespenst des Jah­res 2002 tauch­te bereits am Hori­zont auf. Und nach­dem sich das Wet­ter Ende Juli etwas gebes­sert hat­te, wur­de das Gebiet drei­mal hin­ter­ein­an­der in kur­zer Fol­ge von Hagel­schlä­gen getrof­fen. Fratel­li Cavallot­to hat über­haupt kei­nen Baro­lo im Kel­ler, Viet­ti kei­nen Bru­na­te, Ceret­to weder Bru­na­te noch Bric­co Roc­che, Gian­fran­co Ales­sand­ria kei­nen San Loren­zo, G. B. Bur­lot­to kei­nen Accli­vi. Auch Bro­via, Elio Gras­so und Parus­so ver­zich­te­ten auf ihre Lagen-Weine und brach­ten nur einen ein­fa­chen Baro­lo auf die Flasche.

Die Barbaresco-Zone war vom Klima begünstigt

Komisch nur, dass die Situa­ti­on in Bar­ba­res­co ganz anders war. Obwohl nur 15 Kilo­me­ter Luft­li­nie von Baro­lo ent­fernt, hat der Wet­ter­gott dort Mil­de wal­ten las­sen. Gereg­net hat es in der Barbaresco-Zone zwar auch. Aber die Nie­der­schlä­ge betru­gen nur ein Drit­tel der­je­ni­gen, die in Baro­lo ver­zeich­net wur­den. Mehr noch: Ab Mit­te August kam die Son­ne raus und schien, nur sel­ten von klei­nen Regen­fäl­len unter­bro­chen, bis in den Okto­ber her­ein. Die Trau­ben konn­ten lang­sam aus­rei­fen – eine Situa­ti­on, auf die die Nebbiolo-Traube äußerst dank­bar reagiert.

Barbaresco 2014 ist jeden Schluck wert

Ich habe im Novem­ber 2017 ein gutes Dut­zend Bar­ba­res­co des Jahr­gangs 2014 pro­bie­ren kön­nen. Leicht, aber duf­tig und sehr ele­gant die bei­den Lagen-Barbaresco Camp Gros und Gai­un von Mar­che­si de Gre­sy. Mitt­le­res Gewicht, aber mit viel Tie­fe Sot­ti­ma­nos Bar­ba­res­co Cot­tà. Über­ra­gend Bru­no Roc­cas Bar­ba­res­co Raba­jà und La Spi­net­tas Bar­ba­res­co Star­de­ri, bei­de mit fei­nem Tan­nin und ver­spiel­ter, süßer Frucht. Geschlif­fen und mit sat­ter Frucht der Bar­ba­res­co Bord­i­ni von Elvio Cog­no. Mit etwas sprö­dem Tan­nin, vie­len Ecken und Kan­ten, aber sat­ter Frucht Viet­tis Bar­ba­res­co Masseria.

Gaja: einer der besten Jahrgänge überhaupt?

Bei Gaja spricht man über 2014 sogar von einem der bes­ten Jahr­gän­ge über­haupt – bezo­gen zumin­dest auf die eige­nen Wein­ber­ge. Das scheint mir, ehr­lich gesagt, etwas hoch gegrif­fen. Der 2014er ist ein kräf­tig struk­tu­rier­ter Wein mit Mas­sen von rau­s­am­ti­gem Tan­nin, der ohne Dekan­tie­ren im Moment schwie­rig zu trin­ken ist. Es fehlt ihm in die­sem jun­gen Sta­di­um an jeg­li­chem Charme (den zum Bei­spiel der eben frei gege­be­ne 2015er reich­lich besitzt). Erst nach einer knap­pen Woche Ste­hen­las­sen öff­net er sich lang­sam, zeigt Ansät­ze von Bee­ren­frucht, Gra­nat­ap­fel­wür­ze, erdi­ger Mine­ra­li­tät. Sicher, in ein paar Jah­ren wird er sich geöff­net haben und sich dann als bes­tens fun­dier­ter, prä­zi­ser Wein zu erken­nen geben, der mehr Tie­fe hat als der vom Jahr­gang her höher bewer­te­te 2013er. Aber die Fül­le und Kom­ple­xi­tät des 2010ers, des 2007ers, gar des 1990ers besitzt er nicht. Davon bin ich überzeugt.

Überraschend: der Vergleich mit Gajas Barolo Sperss

Angelo und Gaia Gaja
Ange­lo und Gaia Gaja

Nach wie vor ist Gaja das gla­mou­rö­ses­te Wein­gut der Barbaresco-Zone. Das hat viel mit sei­ner Geschich­te und dem Cha­ris­ma des Inha­bers zu tun. Ange­lo Gaja, inzwi­schen 77, passt extrem genau auf, dass sei­ne Wei­ne dem Ruf und den Prei­sen, die sie kos­ten, gerecht wer­den. Und Gaia, sei­ne ältes­te Toch­ter, die immer mehr in den Vor­der­grund rückt, ist dies­be­züg­lich das Abbild ihres Vaters.

Sie hat mir eine Fla­sche 2014er Baro­lo Sperss geschickt – zum Ver­gleich mit dem Bar­ba­res­co. Ein Wein, der ganz anders ist, als ich erwar­tet hat­te: fein­duf­tig, zugäng­lich, offen, ja: mit Charme. Sicher, ihm fehlt die Kon­zen­tra­ti­on, die man von gro­ßen Baro­los gewohnt ist. Tan­nin­mäs­sig ist er eher zart besai­tet: ein Rie­sen­un­ter­schied zum Bar­ba­res­co. Aber die­ser Sperss ist weder bit­ter noch streng. Wenn es nicht eine so infla­tio­nä­re Cha­rak­te­ri­sie­rung wäre, wür­de ich sagen: Er ist bur­gun­disch. Oder im Wein­sprech von Som­me­liers: Ein Baro­lo, der Spaß macht. Kein ganz bil­li­ger Spaß, zuge­ge­ben. Aber mir ist wich­tig, dass die Beto­nung auf „Baro­lo“ liegt. Also kein Not-Barolo, der einer Deklas­sie­rung als ein­fa­cher Neb­bio­lo ent­ge­hen wollte.

Wie ist so ein Wein in einem verfluchten Jahr wie 2014 möglich?

Wie es mög­lich ist, in einem ver­fluch­ten Jahr wie 2014 so einen Wein auf die Fla­sche zu brin­gen? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass Rober­to Con­ter­no in 2014 kei­nen Baro­lo Casci­na Fran­cia abge­füllt hat, son­dern sei­ne Trau­ben offen­bar so gut waren, dass nur die Mon­fort­i­no Riser­va auf den Markt kom­men wird. Das hat es noch nie gege­ben. Für den Mon­fort­i­no wer­den mitt­ler­wei­le Prei­se von 700 Euro auf­wärts auf­ge­ru­fen. War­um soll Gaja da nicht für 220 Euro ein guter Sperss gelingen?


2014 Bar­ba­res­co | Gaja
Preis: 154,90 Euro
Bezug: www.lieblings-weine.de


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