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Der teuerste Knoll, den es je gab – im Regal bei NORMA

Mit Aktionspreisen beim Wein wollen Discounter die betuchte Kundschaft über die Schwelle ihrer Filialen locken – ganz besonders NORMA. Da machen sich die Weine von Emmerich Knoll aus der Wachau gut. Leider kosten sie bei NORMA fast doppelt so viel wie das günstigste Angebot im Fachhandel.

Grüner Veltliner Steinfeder und Riesling Federspiel von Emmerich Knoll
Knoll-Weine bei NORMA

„Erstklassige Weine zum Sensationspreis“ heißt es im neuen Online-Weinshop des Discounters NORMA. Erstklassig stimmt, wenn man die Weine des Wachauer Kultwinzers Emmerich Knoll nimmt, die NORMA derzeit anbietet. Doch sensationell ist nur die Fehlkalkulation der Marketingabteilung. Das Riesling Federspiel von der Ried Loibenberg kostet bei NORMA 23,99 Euro pro Flasche. Bei keinem der deutschen Anbieter kostet dieser Wein mehr als 20 Euro, bei den meisten deutlich weniger. Beim Württemberger Weinversender Nussbaum in Murr ist derselbe Wein aus demselben Jahrgang beispielsweise für 16,90 Euro erhältlich, beim österreichischen Weinversender weinshop24.at derzeit sogar für 12,10 Euro.

„Das dürfen Sie nicht verpassen…“

Ähnlich groß sind die Preisunterschiede bei Knolls Grünem Veltliner. NORMA bietet die einfache Steinfeder-Version für 17,99 Euro an. Bei Rotweissrot in München kostet dieser Wein 11,90 Euro, beim weinshop24.at sogar nur 10,70 Euro. Was immer die NORMA-Weinexperten geritten hat, als sie den Satz „Das dürfen Sie nicht verpassen“ über ihre Sonderangebote gesetzt haben – die Intention ist klar: Sie wollen Betuchte über die Schwelle ihrer rund 1.000 Filialen locken, die sie vor allem im Süden, im Osten und im Westen Deutschlands besitzen.

Brut Premier von Louis Roederer
Brut Premier

Mit bekannten Weinnamen geht das am leichtesten – Namen, die auch in den Regalen von Luxuskaufhäusern wie KaDeWe in Berlin, Alsterhaus im Hamburg, Dallmayr in München zu finden sind. Die Assoziation „Discounter = billig“ könnte verfangen. Die Schnäppchenjagd ist das Hobby der Mittelschichten. Und wenn die Betuchten erst einmal im Laden sind, kaufen sie – so das Kalkül – auch ihr Klopapier und ihre Joghurts dort.

Beim Roederer-Champagner könnte die Rechnung aufgehen

Bei den Weinen von Emmerich Knoll geht diese Rechnung nicht auf. Aber beim Brut Premier von Louis Roederer könnte die Strategie Erfolg haben. Dieser Marken-Champagner wird bei NORMA für 29,99 Euro angeboten. Die Fachhandelspreise liegen um 35 Euro – eine erkleckliche Ersparnis für den, der beispielsweise sechs Flaschen bestellt. Doch der Hinweis „Nur solange der Vorrat reicht“ lässt ahnen, dass die vorhandenen Mengen so begrenzt sind wie das Zeitfenster, für das dieses Angebot gilt. Im Übrigen gibt es auch im Fachhandel regelmäßig Aktionswochen, während derer die magische Preisgrenze von 30 Euro für Markenchampagner unterschritten wird.

Reinhartshausen-Riesling mit Abschlag

Reinhartshausen-Riesling trocken und halbtrocken
Reinhartshausen-Riesling

Auch bei einem trockenen und halbtrockenen Riesling aus dem Rheingau, den die NORMA-Einkäufer trickreich in ihr Online-Sortiment geschleust haben, könnte die Rechnung aufgehen. Beide sind mit 7,99 Euro ausgepreist. Als Erzeuger wird die Administration Prinz von Preussen angegeben. Hinter dem Namen verbirgt sich Schloss Reinhartshausen. Dessen Gutsweine, die den NORMA-Weinen stark ähneln (oder sogar identisch sind), kosten mit 9,50 Euro deutlich mehr. NORMA-Kunden machen also ein Schnäppchen – vorausgesetzt sie akzeptieren einen Adelsbonus für die Prinz-von-Preussen-Weine.

Ohne diesen wären 7,99 Euro kein ungewöhnlich niedriger Preis für eine Basisqualität. Viele Rheingauer Weingüter bieten Riesling Qualitätswein zwischen 6,50 und 8,50 Euro an und beliefern ihre Kunden ebenso schnell und preisgünstig, wie der Discounter es verspricht. Das restliche NORMA-Sortiment liegt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der 4,99- bis 6,99-Euro-Klasse und unterscheidet sich weder preislich noch qualitativ von dem, was bei Fachhändlern im Regal steht.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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