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Der Sommer, die Hitze, der Blutdruck: lieber Wein als Bier

Deutschland liegt unter einer Hitzeglocke. Man sehnt sich nach etwas Kühlem, nicht nach etwas Schwerem. Wenn schon Wein bei diesen Temperaturen, dann einen Weißen oder einen Rosé.


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Doch egal was für einen Wein – die Frage ist, was passiert eigentlich im Körper, wenn wir bei dieser Hitze Wein trinken. Die medizinische Antwort ist einfach: dasselbe, was auch sonst passiert – im Herbst, im Winter, im Frühjahr. Die Gefäße weiten sich, das Blut fließt in die Körperperipherie. Der Blutdruck sinkt.

Bei Hitze sinkt der Blutdruck

Jeder fünfte Bundesbürger leidet unter Bluthochdruck. Insofern ist die Wirkung eigentlich nicht schlecht, auch wenn der Abbau des Alkohols den Körper natürlich belastet. Doch im Sommer ist alles ein wenig anders. Da sackt der der Blutdruck wegen der Hitze schon automatisch ab, was für bestimmte Personenkreise durchaus ein Risiko darstellen kann: speziell für ältere Menschen und für junge Frauen, die oft einen niedrigen Blutdruck aufweisen. Ein zusätzlicher Blutdrucksenker wie Wein kann die Mattigkeit und Kraftlosigkeit verstärken, im Extremfall einen Hitzekollaps beschleunigen. Hypertonikern (so nennt man Menschen mit dauerhaft hohem Blutdruck) geht es dagegen besser.

Doch nach ein paar Stunden dreht sich die Situation. Unser Zwischenhirn hat nämlich registriert, dass sich der Kreislauf einem kritischem Wert nähert. Es schüttet Blutdruck-steigernde Hormone aus, damit das Blut wieder gut zirkuliert und unser Gehirn genügend Sauerstoff bekommt. Der obere Blutdruckwert (systolisch) steigt statistisch um 7 Punkte, der untere (diastolisch) um etwa 5 Punkte, haben die Fachleute der Deutschen Hochdruckliga gemessen. Wenn es also richtig heiß wird, können ein Glas Wein oder zwei den Organismus wieder beleben.

Das Herzrasen kommt erst nachts

Dieser Belebungseffekt tritt allerdings mit Verzögerung ein: je nach Konstitution nach drei, sechs oder mehr Stunden. Wer an heißen Tagen abends Wein trinkt, wird die Belebung erst in der Nacht spüren, wenn er schläft und es sich draußen längst abgekühlt hat. Er wacht  dann mit Herzrasen auf und merkt, dass sein Blutdruck Kapriolen schlägt. Niedrigdruck-Patienten verkraften in diesem Fall den Alkohol besser als Hochdruck-Patienten.

Ob es Rotwein oder Weißwein war, den sie getrunken haben, spielt dabei keine Rolle. Allein der Alkohol macht, dass der Blutdruck steigt. Gleiches gilt daher für Biertrinker und Schnapsdrosseln. Bei ihnen tritt derselbe Effekt ein, gegebenenfalls sogar noch stärker.

Natürlich spielt die Menge des konsumierten Alkohols eine große Rolle. Wer eine ganze Flasche Prosecco auf einmal niedermacht, trinkt eindeutig zu viel. Ganz wetterunabhängig. Wenn er die Flasche dazu noch leert, während er auf dem Teutonengrill an der Adria schmort, wird der Kreislauf, der sowieso schon Schwerstarbeitet leistet, um den erhitzten Körper zu kühlen, noch mehr geschwächt.

Ein bisschen Wein, aber viel Wasser

Sicher, robuste Naturen wird das nicht gleich umhauen. Aber sowie irgend ein kleines Virus oder eine unerkannte Altlast im Körper schlummert, reagiert dieser mit Schwindel, Übelkeit, kaltem Schweiß. Wenn also Wein, dann bei Hochsommertemperaturen moderat. Und viel Wasser dazu.

Dieselbe Massregel gilt für Biertrinker. Eine Halbe ist okay. Aber drei bis vier Halbe setzen dem  Kreislauf ziemlich zu – auch wenn die Leber mit den angefluteten Alkoholmengen fertig werden sollte. Und der Körper über die zugeführte Flüssigkeitmenge sogar froh ist.

Was aber ist moderat? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dem zuträglichen Alkoholkonsum enge Grenzen gesetzt. Sie empfiehlt 20 Gramm Alkohol pro Tag für Frauen, 30 Gramm für Männer. Bezogen auf Wein, entspricht das 2 beziehungsweise 3 Glas à 0,1 l. Wer diese Mengenvorschriften respektiert, ist allen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge gegen jegliche Blutdruckerhöhung gefeit.


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Lieber gar keinen Wein als nur Minimengen

Das mag Ärzte und Ängstliche beruhigen. Allerdings wird sich eine Frau, wenn ihr der Wein schmeckt, vermutlich nicht mit zwei Pfützen à 0,1 l zufrieden geben. Sie wird ihren Mann stehen und auch drei Glas trinken wollen, ihr männliches Pendant vielleicht sogar vier. Bevor man nur Minimengen trinkt, trinkt man lieber gar nichts.

Riskant? Eher nicht. Erstens sind die WHO-Empfehlungen unter der Prämisse formuliert, jedwedes Risiko auszuschließen – auch Risiken, die bei bestimmten Personenkreisen gar nicht vorhanden sind. Zweitens gibt es zwar viele wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Alkohol und Blutdruck, aber mit völlig widersprüchlichen Ergebnissen. Keine hat schlüssig erklären können, wieviel Alkohol gut ist für den Menschen.

In den USA wird es ab 3 Glas Wein gefährlich

Da ist zum Beispiel die groß angelegte amerikanische Studie ARIC aus den neunziger Jahren. Über 8000 Probanten aus vier Bundesstaaten der USA wurden genauestens untersucht. Befund: In der Gruppe der Menschen mit einer Tagesdosis Alkohol von unter  30 Gramm (3 Gläser Wein oder etwas über einem halben Liter Bier) ist der Blutdruck niedriger als bei der Vergleichsgruppe, die gar keinen Alkohol trinkt. In der Gruppe derer, die mehr trinkt, ist der Anteil der Hypertoniker allerdings deutlich höher. Nach dieser Untersuchung hätte die WHO also Recht.

In Deutschland scheinen diese Werte jedoch nicht zu gelten. Der Nationale Gesundheitssurvey, den das Bundesgesundheitsministerium 1999 veröffentlicht hat, fand heraus, dass relevante (systolische) Blutdrucksteigerungen bei Biertrinkern erst ab 40 Gramm Alkohol pro Tag feststellbar sind. Das hieße: zwei Weißbiere oder knapp drei Pils (ein Liter) könnten problemlos getrunken werden.

In Deutschland beginnt das Risiko erst ab einer Flasche

Bei Wein liegt der Wert laut Untersuchung sogar doppelt so hoch. Dort steigt der Blutdruck erst ab 80 Gramm Alkohol in nennenswertem Umfang. 80 Gramm – das entspricht täglich einer Flasche Merlot oder Spätburgunder mit 13 Vol.% Alkohol! Kaum zu glauben: ein Liter Bier und eine ganze Flasche Wein – beides liegt weit über dem, was man als normalerweise als „moderaten Alkoholkonsum“ bezeichnet. Und dass eine Flasche Wein Kreislauf-kompatibler ist als zwei Flaschen Weißbier, bedürfte auch nochmal einer genaueren Überprüfung.

Man muss nicht alles verstehen, was Wissenschaftler von sich geben. Aber selbst wenn wir ihnen glauben würden, rufen wir jetzt weder den Berlinern vom Wannseestrand noch den Nackten vom Englischen Garten in München zu: Trinkt mehr Wein! Prüfen Sie lieber selbst, was Wein und Bier bei Ihnen anrichten. Im Guten wie im Schlechten. Vielleicht belassen Sie es – unser Tipp – während der augenblicklichen Hitzeperiode bei zwei oder drei Glas Wein am Tag. Nächste Woche soll es kühler werden. Da dürfen Sie wieder zuschlagen.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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