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Der populärste und kontroverseste Rotwein Österreichs: Zweigelt


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Zweigelt ist Geschmackssache. Die Österreicher lieben diesen Wein wegen seiner schönen Kirschfrucht und der milden Säure. Er ist unkomplizierter zu trinken als ein Blaufränkisch und nicht so teuer wie ein Pinot Noir. Außerdem gibt er dem Weintrinker das Gefühl, ein „Maulvoll Wein“ zu genießen.

Anspruchsvolle Rotweintrinker versetzt ein reinsortiger Zweigelt dagegen selten in Hochstimmung. Zu einseitig fruchtig, zu spannungslos, zu monothematisch kommt ihnen der Wein vor. Vor allem in den sogenannten höheren Qualitäten ist er oft zu fett mit zu vielen Tabak- und Toastnoten und zu viel Alkohol. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, findet ein Zweigelt selten Eingang in die Bestenlisten außerhalb Österreichs – zumindest nicht der reinsortige.  Ausnahmen, das sind die Zweigelt von Hans Schwarz („The Butcher“) und – mit Abstrichen – die von Josef Umathum, Walter Glatzer, Hans und Philipp Grassl sowie ein paar anderen.

Zweigelt fristet bei uns ein Supermarkt-Dasein

Kult-Zweigelt von Hannes Reeh
Kult-Zweigelt von Hannes Reeh

In Deutschland ist Hannes Reeh mit seinem „Rohstoff“ der Matador in der Zweigelt-Arena (kommt in Österreich als „Zweigelt Unplugged“ auf den Markt). Die zahlreichen anderen Zweigelt-Erzeuger aus Niederösterreich und aus dem Burgenland verkaufen in Deutschland dagegen nur geringe Mengen ihres Weins, und wenn, dann meist in der preiswerten Klassik-Version. In der Kategorie Zweigelt Reserve – also da wo der Spaß beginnen müsste – dreht sich relativ wenig. Die zehn Millionen Flaschen Zweigelt, die jedes Jahr nach Deutschland exportiert werden, spielen zum allergrößten Teil in der 2,99-Euro-Liga. Heißt: In Deutschland fristet der Zweigelt ein Supermarktdasein.

Kurze Info für alle, die nicht genau wissen, was Zweigelt ist: ein Rotwein, der praktisch nur in Österreich erzeugt wird und nach der gleichnamigen Traubensorte benannt ist. Amtlich heißt sie Blauer Zweigelt und ist eine Kreuzung Sankt Laurent x Blaufränkisch. Sie wurde 1922 von Friedrich Zweigelt gezüchtet und (später) nach ihm benannt. Sie hat sich schnell verbreitet und ist heute die mit Abstand häufigste rote Rebsorte Österreichs. 14 Prozent der österreichischen Weinbergsfläche ist mit ihr bestockt – doppelt so viel wie mit Blaufränkisch. Zweigelt wird vor allem im Weinviertel, um den Neusiedlersee herum und in Carnuntum abgebaut. Kleinere Bestände finden sich aber auch in allen anderen österreichischen Weinanbaugebieten.

Selten in den Bestenlisten zu finden

Für die führenden internationalen Weinkritiker ist Zweigelt praktisch nie ein Thema. Sie beschäftigen sich, wenn es um Österreich rot geht, lieber mit den zahlreichen experimentellen Cuvées aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah oder Blaufränkisch, also jenen Rotweinen, die das Burgenland berühmt gemacht haben. In Wirklichkeit ist in vielen dieser Weine Zweigelt als Cuvée-Partner enthalten – häufig als prominenter. Besonders in den hoch gelobten Pannobile-Weinen aus Gols. In ihnen spielt die „rote österreichische Nationalsorte“, wie David Schildknecht, der frühere Parker-Verkoster, sie genannt hat, oft die dominierende Rolle. Claus Preisingers Pannobile ist sogar ein reinsortiger Zwiegelt. Der Falstaff, Österreichs wichtigster Weinführer, gibt ihm respektable 93 Punkte. So banal, wie behauptet wird, können Zweigelt-Weine also nicht sein – zumindest nicht alle.

SALON – „Österreichs härtester Weinwettbewerb“

Auch ich war und bin kein großer Zweigelt-Fan. Ehrlich gesagt, trinke ich nie Zweigelt., außer zu Degustationszwecken. Neulich habe ich zum Beispiel 20 Zweigelt-Weine verkostet – und war überrascht, im positiven wie negativen Sinn. Die Weine gehörten teils zu den Siegerweinen des SALON 2015, teils hatten sie es zumindest bis ins Finale geschafft. SALON ist die jährlich stattfindende Mammut-Verkostung mehrerer tausend österreichischer Weine, sortiert nach Rebsorte und Stilistik. „Österreichs härtester Weinwettbewerb“ sagt man über den SALON. Um sich in die Siegerliste einzutragen, muss sich ein Wein erst in seinem lokalen Einzugsbereich, dann in seinem Anbaugebiet und schließlich auf nationaler Ebene durchsetzen. In Österreich selbst hat eine SALON-Prämierung große Bedeutung. In Deutschland wissen nur wenige über den SALON Bescheid.

Viel Wein für kleines Geld

Beim Zweigelt hat der SALON zwei Kategorien vorgesehen: klassisch & fruchtig“ (was der Klassik-Kategorie entspricht) und „dicht & gehaltvoll“ (was Reserve entspricht, auch wenn sich nicht alle Weine dieser Kategorie Reserve nennen). Die fünf Klassik-Zweigelt, die ich verkosten konnte (siehe Tabelle), waren allesamt untadelig und angesichts des Preises herausragend. Dabei waren die drei SALON-Sieger selbst gar nicht dabei: der Zweigelt von Hagn aus dem Weinviertel, der Silberberg Zena vom Remushof Jagschitz aus Neusiedlersee-Hügelland und der Zweigelt Bärnreiser von Hofschneider aus dem Wagram. Wohlgemerkt: alles Weine unter 7,50 Euro. Ein böser Gedanke beschlich mich: Warum Dornfelder trinken, wenn es solche Weine für kleines Geld gibt?

Zweigelt-Reben in Carnuntum | © ÖWM, Gerhard Trumler
Zweigelt-Reben in Carnuntum | © ÖWM

Reich, aber nicht komplex

Schwieriger war die Situation beim Zweigelt „dicht & gehaltvoll“. Da gefielen mir jene Weine am besten, die zwar strukturiert, aber gleichzeitig elegant sind: Zweigelt wie die von Grassl, Aumann, Landauer-Gisperg und K + K Kirnberger zum Beispiel. Sie haben Facetten, besitzen einen gewissen Spannungsbogen, zeigen spielerische Elemente. Interessant: Keiner dieser Weine konnte sich beim SALON letztlich in die Siegerliste eintragen. Prämiert wurden andere Weine. Weine, die ich als langweilige Blockbuster bezeichnen würde: etwa die von Allacher und Scheiblhofer. Ihr Alkoholgehalt liegt  bei deutlich über 14 Vol.%. Ihre Würze beziehen sie vom Neuholz. Die Säure ist marginal. Dafür strotzen sie vor Extraktsüße. Weine, die reich, aber nicht komplex sind.

Neue-Welt-Stilistik total obsolet

Mir ist klar, dass es viele Menschen gibt, für die solch bombastische Tropfen der ultimative Gaumenkick sind. Ich gehöre nicht dazu. Wäre es anders, befänden sich in meinem Keller nur kalifornischer Zinfandel, australischer Shiraz und argentinischer Malbec. Auch der Siegerwein, der Zweigelt Gigama von Leth aus dem Wagram (den ich nicht verkosten konnte), ist ein Wein dieser Schwergewichtsklasse.

Zweigelt-Anlagen am Neusiedlersee | © ÖWM, Armin Faber
Zweigelt-Anlagen, Neusiedlersee | © ÖWM

Vor 20 Jahren, teilweise auch noch vor zehn Jahren, räumten Weine dieses Typus alles ab, was es an Medaillen zu gewinnen gab. Aber heute? Inzwischen ist dieser Neue-Welt-Typ total obsolet. Die Winzer in Bordeaux, in Spanien, in Italien – sie alle kämpfen um Säure, Frische, Würze. Selbst in der Neuen Welt wollen die Menschen solche Muskelprotze nicht mehr trinken.

Schauen Sie, liebe Leser, sich auf den beiden folgenden Seiten die Rankings mit Verkostungsnotizen und Kommentaren an. Einige der aufgeführten Weine sind in Deutschland erhältlich, andere nicht. Zur Information sind die ab Hof-Preise eingefügt.

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Zweigelt Klassisch

Jahrgang Erzeuger Verkostungsnotiz Punkte Preis
2011 Blauer Zweigelt, Weingut Puhwein, Mailberg (Weinviertel) Blauer Zweigelt | Weingut PuhweinLeicht kräuterwürziger Wein mit kühler Beerenfrucht, frischer Säure, würzigem Pfeffer, ohne Überreife, dabei kräftig strukturiert. 87 € 7,00
2012 Neusiedlersee DAC, Jacqueline Klein, Andau, (Burgenland) Neu­sied­ler­see DAC | Jac­que­line Klein,Fruchtiger, kirschsaftiger Wein von einer hoffnungsvollen jungen Winzerin aus dem Seewinkel, ausdrucksvolles Bouquet, zarte Würze, feines Tannin: einfach gestrickt, aber nicht banal. 86 € 6,50
2013 Zweigelt Burgenland, Weingut Ronald Neissl, Eisenstadt (Burgenland) Zweigelt Burgenland | Weingut Ronald NeisslPowervoller Rotwein mit satter, reifer Frucht, reich am Gaumen bei relativ niedrigem Alkohol (unter 13 Vol.%), Stahltankausbau. 86 € 5,00
2013 Zweigelt „Ried Eckstein“, Weingut Winzerei Trippel, Feldkirchen Zweigelt "Ried Eckstein" | Weingut Winzerei TrippelZweigelt eines 24-jährigen Jungwinzers aus Kärnten: helle Farbe, Sauerkirsche pur mit zartem Kräuteraroma, herrlicher Buschenschankwein, unprätentiös. 86 € 7,00
2011 Zweigelt „Rebe“, Winzerschlössl Kaiser, Eisenstadt, (Burgenland) Zweigelt "Rebe" | Winzerschlössl KaiserSauberer, geradliniger Zweigelt aus biologischem Anbau, moderate Fülle, erstaunlich frisch noch, einfach, aber nicht banal. 86 € 6,20

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Zweigelt Reserve oder Selektion


Jahrgang Erzeuger Verkostungsnotiz Punkte Preis
2011 Zweigelt „Girmer“, K + K Kirnbauer, Deutschkreutz (Mittelburgenland) Zweigelt "Girmer" | K + K KirnbauerTiefe, fleischige Nase mit viel Brombeere, Johannisbeere, Rote Bete, Graphitnoten: ein großer, noch viel zu junger und doch schon perfekt balancierter Wein von den ältesten Reben des Gutes, in burgenländischer Eiche ausgebaut und mit einem Schuss Blaufränkisch abgerundet (so schmeckt er jedenfalls). 90 € 16,00
2012 Zweigelt „Schüttenberg“, Hans und Philipp Grassl, Göttlesbrunn (Carnuntum) Zweigelt "Schüttenberg" | Hans und Philipp GrasslToller, gut konzentrierter Wein mit viel frischer Blaubeere und Kirsche, aber auch zarten Bodennoten und Würze, wenig Schoko- oder Toastnoten, subtiler Holzeinsatz, guter Spannungsboden, nahezu perfekte Balance. 89 € 21,00
2011 Zweigelt Reserve, Weingut Leopold Aumann, Tribuswinkel (Thermenregion) Zweigelt Reserve | Weingut Leopold AumannTiefer, sehr komplexer, jedoch nicht überextrahierter Wein, in der Nase kräftige Kräuterwürze mit Brombeergelee, am Gaumen frisch mit feinen Tabaknoten: großartig und auch sehr trinkfreundlich. 89 € 15,00
2013 Zweigelt Selektion, Weingut Landauer-Gisperg, Tattendorf (Thermenregion) Zweigelt Selektion | Weingut Landauer-GispergTop-Zweigelt des Betriebs: Eleganter, geschliffener Wein, verspielt fruchtig mit Kirsche und orientalischen Gewürzen, klar gegliedert, trinkfreundlich, zarter Neuholzton. 88 € 16,50
2012 Zweigelt „Kaiserberg“, Weingut Unger, Halbturn (Neusiedlersee) Zweigelt "Kaiserberg" | Weingut UngerSatte Beerenfrucht, üppig und reich wie nicht anders zu erwarten unter der pannonischen Hitze, aber auch mit spielerischen Momenten, mit Frische, mit einem Hauch von schwarzem Pfeffer: gekonnt gemachter Wein. 88 € 11,50
2009 Blauer Zweigelt „Hofbreiten“, Weingut, Weingut Cobenzl, Wien Blauer Zweigelt "Hofbreiten" | Weingut, Weingut CobenzlAuf Schwere getrimmter Zweigelt mit massivem Holzeinsatz, 14 Vol.% laut Etikett, Trockenfrucht und Schokoladennoten in der Nase, am Gaumen jedoch noch erstaunlich frisch und zupackend. 88 € 12,00
2011 Zweigelt Reserve, Karl Plos, Sooß (Thermenregion) Zweigelt Reserve | Karl PlosHandwerklich perfekter Zweigelt mit sauberer Frucht und zarter Kräuterwürze, erstaunlich frisch angesichts seiner Schwere (14 Vol.%), insgesamt sehr glatt und homogen, aber auch sehr mainstreamig. 88 € 9,00
2011 Zweigelt Reserve „Silberberg“, Landesweingut Silberberg, Leibnitz (Südsteiermark) Zweigelt Reserve "Silberberg" | Landesweingut SilberbergSchwarzrot in der Farbe, extrem dicht und konzentriert auf der Zunge, im Bouquet fast neutral, massive Tanninstruktur, teils trocken am Gaumen – wirkt überextrahiert und wie von einem anderen Ufer: ein „Gewalt“-Zweigelt, schwer zu beurteilen. 87-89 € 13,00
2012 Zweigelt „100 days“, Keringer massive wine, Mönchhof (Neusiedlersee) Zweigelt "100 days" | Keringer massive wineEin weiterer 14-Prozenter, aber gut balanciert mit Frische und Säurebogen, Aroma von Schattenmorellen und süßem Tabak, fein zisiliert: mittlere Qualität in der Betriebshierarchie. 87 € 15,00
2012 Zweigelt Reserve, Weingut Anton Hundsdorfer, Neckenmarkt (Mittelburgenland) Zweigelt Reserve | Weingut Anton HundsdorferDunkel wie Stierblut, reife und reiche Beerenfrucht, opulent, schwer, alkoholreich (14,3 Vol.): schlafender Riese, sanft und ziemlich brav. 87 € 14,50
2012 Zweigelt Reserve „Göttweiger Berg“, Weingut Müller, Krustetten (Kremstal) Zweigelt Reserve "Göttweiger Berg" | Weingut MüllerGut gelungener, moderater Wein, kirschfruchtig, weiches Tannin, milde Säure, in sich stimmig, gehobene Mittelklasse. 87 € 8,50
2011 Zweigelt „Goldberg“, Reinhard und Edith Göschl, Gols (Neusieldersee) Zweigelt "Goldberg" | Reinhard und Edith GöschlFleischiger, etwas rustikaler Zweigelt mit feinkörnigem, gut verwobenem Tannin, dabei leicht toastig: etwas ermüdend (auch wegen des hohen Alkohols von 14 Vol.%), kriegt aber gerade noch die Kurve. 87 € 12,00
2011 Zweigelt 65 Neusiedlersee DAC, Robert Goldenits, Tadten (Neusiedlersee) Zweigelt 65 Neusiedlersee DAC | Robert GoldenitsGut gelungener, sauberer Wein mit erdig-warmer Frucht, kraftvoller Struktur, trotz reichlich süßem Extrakt noch frisch, allerdings mehr tanninbezogen als saftig-fruchtig, reich und opulent, aber nicht komplex. 87 € 30,00
2012 Zweigelt „Salzberg“, Gerhard u. Inge Allacher, Gols (Neusiedlersee) Zweigelt "Salzberg" | Gerhard u. Inge AllacherSchwarzrote Farbe, süßliches Schlehenaroma, getrocknete Datteln, Bitterschokolade, mit viel Neuholz versehen, schwer und behäbig, alkoholisch (14,8 Vol.%), Blockbustertyp, erinnert an kalifornischen Zinfandel. 85 € 20,00
2012 Zweigelt „Prädium“, Erich Scheiblhofer, Andau (Neusiedlersee) Zweigelt "Prädium" | Erich ScheiblhoferDunkle Fruchtmelange mit viel süßem Sandelholz und Toast: ein auf Schwere getrimmter Klotz, wenig Eleganz, keine Spannung, macht satt und müde. 85 € 17,50

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1 Kommentar

  1. Zwei­gelt wird vor allem um den Neu­sied­ler­see her­um und in Car­nun­tum abge­baut. Klei­ne­re Bestän­de fin­den sich aber auch in allen ande­ren öster­rei­chi­schen Wein­an­bau­ge­bie­ten.

    Wie kann man als sogenannter Weinjournalist so schlecht recherchierte Aussagen machen !!
    Das Weinviertel hat annähernd diesselbe Rebfläche Zweigelt wie der Neussiedlersee und Carnuntum ist weit abgeschlagen an vorletzter Stelle von den anderen 15 Weinbaugebieten in Österreich.

    !! Schande !!

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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