Dieser Rotwein kommt aus der weinmäßig blassesten Region Italiens: Latium. Es ist die Region um die Hauptstadt Rom. Eigene autochthone Rebsorten gibt es dort nur wenige, und die wenigen sind nicht unbedingt dazu angetan, den Ruhm Latiums zu mehren. Orvieto, Est! Est!! Est!!! und Frascati sind die bekanntesten Weine aus Latium, und es ist nicht bekannt, dass die Menschen reihenweise in Ohnmacht fallen, wenn sie die Namen dieser Weine hören.
Natürlich wird, wer sich näher mit Latium beschäftigt, auch ein paar sehr gute Weingüter finden. Eines davon heißt Falesco und liegt in dem Städtchen Montechio gleich hinter der Grenze in Umbrien. Berühmt ist das Weingut vor allem wegen seiner Besitzer. Sie heißen Riccardo und Renzo Cotarella. Renzo ist im Hauptberuf Chefönologe von Antinori, Riccardo ist Italiens wohl bekanntester Weinberater. Rund 50 Weingütern geht er zur Hand, die meisten in Italien, aber auch mehrere in Bordeaux und den USA.
Kontroverser Weinmacher
Cotarella ist zum Beispiel der Vater des Montiano, des Spitzenweins des Weinguts Falesco und eines der besten italienischen Merlots. Auf Verkostungen sorgt der Wein immer wieder für Schlagzeilen – positive und negative. Viele nehmen es Cotarella übel, dass er die autochthonen Sorten so wenig protegiert und so häufig Merlot oder Syrah anpflanzen lässt. Dabei hat er seine guten Gründe: „Wo keine hochwertigen Sorten existieren, arbeite ich lieber mit Merlot, als schlechte Weine aus autochthonen Sorten zu machen.“
Riccardo Cotarella ist auch der Vater des Tellus. Diesen Wein gibt es schon seit mehreren Jahren. Er war immer eine Cuvée aus Merlot und Syrah. Mit dem Jahrgang 2009 wird er erstmals nur noch aus Syrah gekeltert. Die Syrah-Reben sind inzwischen alt genug, um den Wein allein zu tragen. Merlot braucht er nun nicht mehr.
Die Sensation ist der Preis
Der Wein hat dadurch gewaltig gewonnen: blaurot in der Farbe, Duft von Brombeeren und Rote Bete, Edelhölzern und Nelkengewürz, am Gaumen druckvoll, aber gleichzeitig frisch mit feinem, perfekt verschmolzenen Tannin und feiner Extraktsüße, der bei aller Vielschichtigkeit leicht und unkompliziert zu trinken ist. Vom Montiano ist er gar nicht weit entfernt. Nur kostet dieser rund 25 Euro, während der Tellus für 6,75 Euro angeboten wird.
Um falschen Erwartungen vorzubeugen: Der Tellus ist kein Terroir-Wein, obwohl er aus einem einzigen Weinberg stammt. Er kommt ohne spezielle Würz- und Bodennoten aus. Auch fehlt ihm die Strenge und Mineralität der Syrah-Weine von der Nördlichen Rhone. Er ist kein „Hermitage für arme Leute“, wie ein italienischer Journalist einmal geschrieben hat, um besonders originell zu sein.
Mediterraner Syrah
Er ist ein mediterraner Syrah: straff gewoben, gut konzentriert und mit zartem, fruchtigen Schmelz ausgestattet und – um in der Umgangssprache zu bleiben – ungeheuer lecker. Es dürfte nur ganz wenige italienische Weine geben, die eine so hohe Qualität zu einem so niedrigen Preis bieten. Auch Menschen mit gut gefülltem Bankkonto würden diesen Wein mit Sicherheit mehrheitlich einem Hermitage vorziehen.
Bleibt die Frage, wieso der Wein so preiswert sein kann. Cotarellas Erklärung lautet: „Das Mittelsegment und selbst die Basis der italienischen Weine sind schlicht und ergreifend so gut geworden, dass die Konsumenten keinen Grund sehen, mehr auszugeben als unbedingt nötig.“