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Der Nebel lichtet sich: Die Weine von Liliac aus Transsilvanien


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Als der junge Miron Radic zum ersten Mal das menschenleere Hochland im Norden Rumäniens bereiste und das Weingut von Alfred Michael Beck erblickte, wurde ihm schnell klar: Wer hier investiert, hat eine Vision. Zwar wird im Schutz des Karpatenbogens seit Jahrhunderten Wein kultiviert. Doch heute fehlt dort jede Infrastruktur. Selbst Straßen müssen erst gebaut und Stromleitungen neu gelegt werden, bevor der erst Spatenstich erfolgen kann.

Der Wiener Architekt und Immobilienentwickler Beck hatte diese Vision, und er scheute auch nicht das Abenteuer. Er hat in diese wilde Landschaft ein Weingut gesetzt. Liliac heißt es. Und Radic, der auf seinen Spuren reiste, wurde schnell klar: Was der Österreicher da gemacht hatte, war mehr als nur ein Investment, es war eine Herzensangelegenheit. Genauer gesagt: Es wurde dazu. Denn Becks Plan war ursprünglich, in dieser verlassenen Ecke Rumäniens, die nur 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt, kostengünstig Wein zu produzieren und mit einer schönen Marge ins Ausland zu verkaufen. Von dieser Idee ist heute nicht mehr viel übrig, und das liegt größtenteils an Radic.

Der Preiskampf in Rumänien ist hart

Miron Radic
Miron Radic

Radic war damals noch Student, schrieb seine Bachelorarbeit über Weinmarketing. Sein Studienobjekt war Liliac (der Name bedeutet Fledermaus auf Rumänisch). Das war 2011. Im Jahr zuvor hatte Beck die ersten Rebflächen gekauft. „Nach meiner Arbeit habe ich Herrn Beck gesagt, er soll es lassen“, sagt Radic. Sich in Rumänien über den Preis zu behaupten, ist schwierig, denn das tut jeder. Der größte Teil der knapp 200.000 Hektar Rebfläche des Landes befindet sich im Besitz von Genossenschaften und anderen Großkellereien. Diese produzieren billige Massenweine, meist halbtrocken und für ältere Weintrinker. Das Ausland interessiert sich wenig bis gar nicht für solche Weine.

Liliac hat die Zielgruppe der jungen Weintrinker im Visier

Der junge Radic, ein bosnischer Serbe, der in Österreich aufgewachsen ist, hatte eine andere Idee. Der schlug vor, Wein für junge Menschen zu machen: knackig fruchtige, trockene Weine mit Qualitätsanspruch. Dem Investor Beck gefiel der Plan. Er bot Radic einen Job an. Seit zwei Jahren ist der nun Geschäftsführer des Weinguts Liliac. Auch für den Keller ist ein Nicht-Rumäne verantwortlich, Rudolf Krizan, ein Burgenländer, der schon für viele österreichische Weingüter gearbeitet hat.

Der Rebsortenspiegel des Weinguts entspricht Radic’ Strategie. Es dominieren internationale Sorten wie Sauvignon Blanc (10,3 Hektar), Chardonnay (3,2 Hektar) oder Pinot Gris (4,5 Hektar). Denn die trinken die Rumänen lieber als ihre eigenen, autochthonen Weine. Pinot Gris beispielsweise ist im Land äußerst beliebt. Meist kommt er aus Italien und kostet zwei, drei Euro. Radic wollte beweisen, dass man Pinot Gris auch in Rumänien erzeugen kann, in besserer Qualität, teurer. 13 Euro kostet das Liliac-Pinot Gris. Er kommt bei jungen Rumänen bestens an.

Für westliche Gaumen sind die authochtonen Weine interessanter

Spannender und für westeuropäische Gaumen interessanter sind allerdings die Weißweine aus Fetească Albă und Fetească Regală – beides authochtone rumänische Traubensorten. Sie sind stilistisch modern, brillieren mit blitzsauberer Frucht, sind frisch und frei von jeglicher Unwucht.

Überhaupt dominieren auf Liliac die Weißweine, was insofern nicht verwunderlich ist, als Transsilvanien eine traditionelle Weißweingegend ist. Das hat übrigens nicht nur mit der nördlichen Lage zu tun. Zwischen 12. und 16. Jahrhundert wurde die Gegend gezielt mit Moselanern besiedelt, die den Weinbau und die deutsche Sprache mitbrachten. Als „Siebenbürgener Sachsen“ sind sie in die Geschichte Rumäniens eingegangen. Seitdem gilt Transsilvanien alias Siebenbürgen als bestes Weißwein-Anbaugebiet des Landes.

„Jeder riet uns davon ab, Rotwein zu machen“, sagt Radic. Er tat es trotzdem und pflanzte Fetească Neagră, Merlot, Pinot Noir. Es funktionierte. Fetească Neagră, zu deutsch: die Schwarze Mädchentraube, bildet heute die Basis für Liliacs erfolgreichsten Rotwein, die „Red Cuvée“ (mit 30 Prozent Merlot). Liliacs reinsortiger Merlot wurde 2015 sogar zum besten Rotwein des Landes erklärt. Der Pinot Noir wird nur in kleinen Mengen erzeugt, dafür in höchster Qualität. Knapp 40 Euro kostet eine Flasche. Damit ist er einer der teuersten Rotweine Rumäniens.

Mit seinen 52 Hektar gilt Liliac als Boutique-Winery

Betriebe mit so hohem Anspruch wie Liliac sind noch selten in Rumänien. Radic schätzt, dass es vielleicht zehn Weingüter gibt, die in der gleichen Liga spielen wie Liliac. Und Liliac ist, trotz seiner 52 Hektar Reben, eine Boutique-Winery: „Jedes Jahr werden Rumänien rund 60 neue Weingüter gegründet. Drei von vier haben überhaupt eine Ahnung von dem, was sie da tun. Der Rest gehört reichen Investoren, die mit Neupflanzungen von 200 bis 300 Hektar anfangen, aber keinen Plan haben, wo und wie sie ihren Wein verkaufen sollen. Sie zahlen Geld, um in Restaurants auf die Karte zu kommen.“

Weingut Liliac
Weingut Liliac

Das hat Liliac nicht nötig. Inzwischen kann Liliac sich aussuchen, an welche Kunden es seine Weine verkauft. Das funktioniert, weil zwei Dinge zusammen kommen: Erstens stimmt die Qualität. Zweitens hat Liliac in Rumänien inzwischen einen hohen  Bekanntheitsgrad, was dazu geführt hat, dass 80 Prozent seiner Weine im Lande konsumiert werden, vor allem die aus internationalen Sorten wie Merlot, Pinot Gris, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Pinot Noir. Der Rest geht ins Ausland. Die zwanzigprozentige Exportquote hat das Ansehen Liliacs bei den rumänischen Konsumenten jedoch enorm gehoben und ist einer der Gründe für die starke nationale Nachfrage.

Die jungen Rumänen in der Großstadt gehen täglich aus

In den großen Städten des Landes hat sich mittlerweile eine Mittelschicht gebildet,  die deutlich mehr Geld zur Verfügung hat als jene durchschnittlichen 650 Euro, die ein durchschnittlicher Rumäne im Monat verdient. Und gespart wird nicht. „Die junge Generation“, erzählt Radic, „geht gerne aus, am liebsten jeden Tag, isst und trinkt und genießt das Leben.“ Außerdem ist Wein in den rumänischen Restaurants sehr kundenfreundlich kalkuliert. Für eine Flasche Pinot Grigio, die auf dem Weingut 11 Euro kostet, verlangt ein Wirt in Bukarest 22 Euro. In Deutschland wären dafür bis zu mindestens 40 Euro fällig. Viele Gäste kaufen am Ende des Abends ein ganze Flasche, fahren mit dem (billigen) Taxis nach Hause und konsumieren den Wein dort.

Beispielloser Aufstieg

All diese Umstände sorgen dafür, dass Liliac in den wenigen Jahren seiner Existenz einen beispiellosen Aufstieg erlebt hat. 2012 war Liliacs erster Jahrgang, 12 000 Flaschen füllte man damals ab. 2018 werden es voraussichtlich 400 000 sein. Um das zu schaffen, muss Radic Verträge mit Winzern aus der Umgebung abschliessen. Sie sollen nach den Vorgaben von Liliac produzieren und faire Preise bekommen. „Wir müssen wachsen“, erklärt er. „Der rumänische Markt hat kein Verständnis dafür, wenn Weine ausverkauft sind.“

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Die Weine


Liliac Fresh

2017 Young Liliac Fresh
Lifestylige „Einstiegsdroge“ von Liliac, komponiert aus Sauvignon Blanc und Muskat Ottonel, bewusst kohlensäurefrisch abgefüllt, daher leicht prickelnd, ansonsten durchaus stoffig: kein banaler Wein.
Preis: 8,20 Euro
Bezug: www.valachiaweine.com


Liliac Feteasca Alba

2016 Fetească Albă
Saftiger und recht stoffiger, aber nicht behäbiger Weisswein, ausdrucksvolle Frucht mit Anklängen an Wiesenblumen und Williamsbirne, vielleicht etwas spannungsarm, aber delikat.
Preis: 8,90 Euro
Bezug: www.valachiaweine.com


Liliac Feteasca Regala

2016 Fetească Regală
Recht eigenständiger, authentischer Wein mit leicht aromatischem Bouquet, feiner Kräuterwürze und mineralischem Unterton, der die (nicht gesicherte) These belegen könnte, dass die Fetească Regală eine Kreuzung von Sauvignon Blanc und Welschriesling ist.
Preis: 10,70 Euro
Bezug: www.valachiaweine.com


Liliac Cuvee Red 1200

2015 Red Cuvée
Dieser Rote aus Fetească Neagră, der Schwarzen Mädchentraube (mit 30 Prozent Merlot), besitzt Substanz und Feinheit zugleich: leicht zugänglich mit reifer (aber nicht überreifer) Frucht, weichem Tannin, zarten Tabaknoten. Insgesamt gut fundiert mit viel eigenem Charakter und ausgezeichnetem Preis-/Leistungsverhältnis.
Preis: 11,90 Euro
Bezug: www.valachiaweine.com


Liliac Pinot Noir

2014 Pinot Noir
Saftiger, feingliedriger Pinot Noir mit einem Bouquet von Pflaumen und Geleefrucht sowie einer zarten Sandelholzwürze, seidige Textur, glatte Länge, mit sicherer Hand gemacht – allerdings auch mit üppigen 14,5 Vol.% Alkohol ausgestattet.
Preis: 39 Euro
Bezug: www.liliac.com

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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