Start WineHappens Portrait Der Libanon und sein bester Wein: Château Musar

Der Libanon und sein bester Wein: Château Musar

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Bei den großen Raritätenproben, die in den 1990er Jahren in London, am Arlberg, in München veranstaltet wurden, wurde immer ein „Pirat“ eingeschmuggelt. Oft war es der Wein von Château Musar. Warum gerade dieser Exot aus dem Libanon? Weil auch erfahrene Weinverkoster ihn oft für einen großen Bordeaux halten.

Der Château Musar ist ein Nasenwein

Dabei ist er nicht aus einem klassischen Bordeaux-Blend gekeltert. Neben Cabernet Sauvignon finden sich in ihm Cinsault und Carignan wieder. Oft machen diese Rhône-Sorten sogar den Hauptanteil aus. Und in kühleren Jahren sind sie die Basis der guten Qualität dieses Weins.

Südlicher als Süditalien

In kühleren Jahren? Der Libanon gehört zum Nahen Osten. Die Temperaturen steigen dort im Sommer auf über 45°C. Doch der Wein von Château Musar wächst nicht im heißen Beirut, sondern im Bekaa-Valley, einem 900 Meter hoch gelegenen Tal zwischen dem Libanon-Gebirge (mit 3.000 Meter hohen, schneebedeckten Gipfeln) und dem Anti-Libanon-Gebirgszug an der Grenze zu Syrien. Dort ist es tagsüber warm und nachts kühl – gut für den Obst- und Weinbau.

Weinberg im Bekaa-Valley

Château Musar wurde 1930 von der französisch-stämmigen Familie Hochar gegründet. Ihre Weinberge liegen im Süden des Bekaa-Tals – südlicher als die Südspitzen Italiens und Spaniens. Wegen der Höhenlage ist es in diesem Teil des Bekaa-Tals jedoch kühler als dort.

Phänomenale Alterungsfähigkeit

Unter Serge Hochar, dem Sohn des Gründers, erlebte Château Musar einen beispiellosen Aufstieg. Nachdem Michael Broadbent, damals Direktor der Weinabteilung von Christie’s in London, auf einer Weinmesse in Bristol den Jahrgang 1967 als „find of the fair“ bezeichnet hatte, fand Château Musar schnell Eingang in die Sortimenter des europäischen Weinhandels. Immer wieder bewundert wurde die phänomenale Alterungsfähigkeit des Weins. Einige Jahrgänge lagerten 30 Jahre im Keller (in Flaschen), bevor sie freigegeben wurden. Die 1984er und 1976er Jahrgänge befinden sich noch immer unter Verschluss.

Marc Hochar

Erstaunlich auch, dass die politischen Wirren im Nahen Osten sich wenig auf den Weinbau ausgewirkt haben – sieht man von der Zeit des Bürgerkriegs (1975 bis 1990) im Libanon ab. „Reben kümmern sich nicht um Krieg“, stellte Marc Hochar in München fest, einer der Söhne von Serge Hochar. „Sie tragen weiter Trauben.“

Sieben Jahrgänge Château Musar

Marc Hochar war es auch, der in der vergangenen Woche sieben Jahrgänge Château Musar nach München mitbrachte und dort einer kleinen Gruppe von Weinfreunden kredenzte. Jens Priewe war dabei. Seine Verkostungsnotizen lesen Sie auf der nächsten Seite.

Die jüngsten Jahrgänge des Weins kosten zwischen 29 und 36 Euro. Das Schöne ist, dass auch die älteren Jahrgänge noch am Markt sind. Bis zum Jahrgang 1997 überschreiten die Preise normalerweise nicht die 50-Euro-Schwelle. Erst danach werden sie teurer.

Rebstöcke von Château Musar

Bezugsquellen: Lobenbergs Gute Weine, Kölner Weinkeller, Nussbaum-Weine, Geisels Weingalerie, Weinhandlung Drexler


Die Weine von Château Musar


2007 Château Musar Der jüngste auf dem Markt befindliche Jahrgang und noch entsprechend unentwickelt: schon in der Nase etwas streng, an junge Bordeaux erinnernd, auf der Zunge bricht sich jedoch die Frucht die Bahn mit deutlichen Anklängen an Brom- und Blaubeeren, dazu Reifenoten, wie man sie von einem Amarone kennt. Insgesamt ein gut strukturierter, mit Frucht- und Würzaromen vollgepackter Wein, der am Ende eher an einen Châteauneuf-du-Pape als an einen Bordeaux erinnert.
Bewertung: 91 Punkte


2004 Château Musar Entgegen den Beteuerungen der Besitzer, dass man einen 2004 Château Musar
nicht jung trinken könne, präsentierte sich der 2004er  in einer Form, die zumindest ahnen ließ, was in den Weinen dieses Erzeugers steckt: abgetöntes Granatrot, transparent und in der Nase bereits die typische Gewürzmischung von Kardamom, Muskatnuss und getrockneter Orangenschale zeigend, am Gaumen weich, süß mit sirupartigen Nuancen, im Hintergrund dann feines, gesundes Tannin. Ein „femininer“ Wein, sehr viel offener als vergleichbare Bordeaux dieses Jahrgangs.
Bewertung: 90 Punkte


1998 Château Musar Ein Wein, der laut Marc Hochar aus einem kühlen Jahrgang kommt, was zu seinem Bouquet passt: ziemlich animalisch, fast stallig auf der einen Seite, auf der anderen rund und süß mit Aromen vom Granatapfel, von Bitterschokolade, von schwarzem Pfeffer. Cinsault hat den Jahrgang gerettet, sie konnte vollreif geerntet werden, während Cabernet Sauvignon nicht ganz reif geworden ist.
Bewertung: 91 Punkte


1989 Château Musar Bei diesem nunmehr 25 Jahre alten Wein haben sich die Tertiäraromen die Bahn gebrochen: nur noch Reste von frischer Frucht, vorherrschend Trockenpflaumen, Räucherschinken und ein Hauch Penicillin, im Abgang lang und malzig-süß. Ein Musar mit riesigem Potenzial und ein denkwürdiger Wein auch deshalb, weil die Kriegswirren damals den Libanon heimgesucht hatten und der Keller von Château Musar mehrfach als Bunker diente.
Bewertung: 93 Punkte


1981 Château Musar Der erste, wirkliche reife Wein, in der Farbe braun mit letzten granatroten Reflexen, in der Nase dekadent süß mit anfänglichen Kamillenoten, die nach und nach aber verschwinden, sicherlich etwas gezehrt schon, dafür aber mit einem Würzbouquet, wie es einen beim Gang durch einen orientalischen Gewürzbasar verfolgt: Zimt, Kardamom, Masala. Ein „Nasenwein“, der an süßen, hundertjährigen Balsamessig erinnert, für die Masse der Weintrinker wahrscheinlich grenzwertig, für Altweintrinker höchster Genuss.
Bewertung: 92 Punkte


1974 Château Musar Die Farbe blasses Granatrot, ins Zwiebelfarbene tendierend, die Nase eine Wolke von Muskatnuss, Zimt, Nelken und anderen orientalischen Gewürzen, dazu ein Hauch von Champignons und Backpflaumen: ein großer, jetzt langsam verblühender Wein mit schöner Säure und mürbem Tannin – so lieben die Hochars ihren Musar, und mit ihnen alle Musar-Fans. Denn der Wein wurde erst 2004 freigegeben, also nach 30 Jahren auf der Flasche im Keller.
Bewertung: 94 Punkte


1966 Château Musar Blassrot in der Farbe mit deutlichen Brauntönen, in der Nase wie ein gereifter Chambertin, mit Noten von Pflaumenmus, Melasse, nassem Waldboden, schwarzem Pfeffer, im Mund schon ziemlich ausgetrocknet, aber mit Resten einer einstmals lebendigen Säure. Es gibt Flaschen, die von erfahrenen Testern mit 98/100 Punkten benotet wurden, andere bleiben im Bereich um 90/100 Punkte. Sicher ist, dass dieser Wein eher höher als niedriger bewertet würde, wäre er ein Bordeaux.
Bewertung: 91 Punkte


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