Wie er reift, so schmeckt er
Das am häufigsten verwendete Gefäß zur Reifung des Weins ist das Holzfaß. Seine wichtigste Eigenschaft ist, daß der Wein in ihm atmen kann. Die Sauerstoffzufuhr beschleunigt die Polymerisation. Dadurch wird der Wein weicher, harmonischer, komplexer.
Vor allem Rotwein wird im Holzfaß ausgebaut. Während die meisten Weißweine bei längerer Lagerung im Holzfaß an Frische verlieren und müde werden, kann der Sauerstoff, der durch die Faßwand eindringt, dem Rotwein wenig anhaben. Wegen des hohen Gehalts an Phenolen verträgt er den Sauerstoff nicht nur, er braucht ihn geradezu zur Reifung. Reifung ist, so betrachtet, nichts anderes als die Feinoxydation des Weins.
Die Größe des Fasses
Allerdings darf die Menge des Sauerstoffs, der durch die Faßdauben dringt, nur gering sein. Wie gering, hängt von der Größe des Fasses ab. Sie ist von entscheidender Bedeutung für das Tempo des Reifeprozesses. 1000 Liter Wein, die in einem großen Fass liegen, haben halb so viel Holzkontakt wie 1000 Liter, die auf vier kleine Barriques von 225 Litern Inhalt verteilt worden sind. In kleinen Fässern dürfen also nur Weine ausgebaut werden, die so phenolreich sind, daß sie der größeren Luftzufuhr standhalten. Die Premiers Grands Crus aus Bordeaux, die großen Rotweine aus dem spanischen Priorato, einige kalifornische Cabernet Sauvignons und die besten australischen Shiraz reifen in guten Jahren bis zu 24 Monate in diesen Fässern. Ein leichter Pinot Noir aus dem Elsaß würde vermutlich schon nach sechs Monaten erste Ermüdungserscheinungen zeigen. In großen Holzfässern läßt er sich jedoch entsprechend länger lagern. Die besten italienischen Brunello werden in großen Holzfässern sogar zwei bi9s drei Jahre ausgebaut, die größten Barolo teilweise fünf Jahre, ohne Schaden zu nehmen.
Die Dicke des Holzes
Die Größe des Fasses bestimmt auch die Dicke der Faßdauben. Je größer das Faß, desto dicker müssen sie sein, um das Gewicht der Flüssigkeitsmenge zu halten. Damit sie unter dem Druck des Weins nicht bersten, müssen sie mit Metallbändern zusammengehalten werden. Dauben, die 10 Zentimeter dick sind, wie bei großen 50-Hektoliter-Fässern, lassen nur minimale Mengen Sauerstoff passieren. Bei kleinen Barriques sind die Dauben dagegen nur 2,5 Zentimeter stark. Entsprechend mehr Sauerstoff dringt durch die Wandungen. Auch deswegen vollzieht sich der Reifeprozeß in kleinen Fässern rascher als in großen.
Der Einfluß neuen Holzes
Der Ausbau in kleinen Fässern hat noch einen anderen Effekt. Es werden Tannine aus dem Holz gelöst, die in den Wein übergehen und ihn geschmacklich mehr oder minder stark verändern. Zumindest gilt das, solange die Fässer neu sind. Die Menge des Tannins ist nicht gering. Im ersten Jahr gibt ein neues Barrique etwa 200 Milligramm an den Wein ab. Das entspricht etwa einem Zehntel des Tannins aus den Traubenschalen. Allerdings ist das Holztannin von völlig anderer Konstitution als das Schalentannin. Es polymerisiert nicht, ändert sich folglich mit zunehmendem Alter des Weins nicht und besteht aus anderen Kohlenwasserstoffverbindungen. Sie sind für die typischen Geruchsnoten von süßer Vanille, gerösteten Haselnüssen, Gewürznelken und Karamel verantwortlich. Leider unterstreichen diese Noten nicht immer das Eigenaroma des Weins, sondern dominieren es. Nach drei, spätestens fünf Jahren Gebrauch ist der Einfluß des Faßholzes auf den Geschmack des Weins gleich Null. Kommerzielle Weinmacher benutzen einfach Eichenholzspäne oder – billiger noch – chemische Essenzen, um einen Eichenholzton in den Wein zu bekommen. Seriöse Kellermeister lehnen solche Schminke ab.