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Deep Blue: Der außergewöhnliche Rosé des Doktor Martin Tesch

Es gibt einen Satz, der nicht immer, aber oft wahr ist: „Wer zu dumm ist, einen ordentlichen Rotwein zu machen, macht einen Rosé.“ In einem gewissen Sinne gilt dieser Satz auch für Martin Tesch. Der Winzer aus Langenlonsheim an der Nahe, bekannt für seinen Riesling „Unplugged“ und das „Weiße Rauschen“ (letzterer für die Rockband „Tote Hosen“ gemacht), hat auch einen Rosé im Angebot. Allerdings nur, weil er so klug war, auf einen Rotwein zu verzichten, der seinen Ansprüchen nicht genügt hätte. Teschs ganzer Ehrgeiz gehört dem Riesling. 90 Prozent seiner Weinberge sind mit ihm bestockt. Die Weine, die dort wachsen, stehen in Spitzenrestaurants in New York, Yokohama, Stockholm auf der Weinkarte. Tesch hat also einen Ruf zu verteidigen.

Älteste Spätburgunder-Rebstöcke an der Nahe

Gegen die These mit der Dummheit spricht auch die Tatsache, dass Tesch ein promovierter Mikrobiologe ist. Nicht dass Akademiker gegen Torheiten gefeit wären. Aber so einer wie er überlegt sich genau, was er macht, bevor er es in Angriff nimmt. In diesem Fall war es folgendes Kalkül, das er anstellte: „Ich bin ein Weißwein-Winzer. Um einen großen Rotwein zu machen, müsste ich mich in die Materie hineinknien, was angesichts der gerade mal fünf Prozent Spätburgunder in meinen Weinbergen ein unverhältnismäßiger Aufwand wäre.“

Fünf Prozent – das sind genau 1,5 Hektar. Nicht viel. Sein Vater hatte die rote Sorte 1970 gepflanzt. Es sind heute die ältesten Spätburgunder-Reben an der Nahe. Vielleicht könnte man aus ihren Trauben wirklich einen bedeutenden Spätburgunder machen. Anfangs wollte Tesch es auch. Aber er wog kühl ab: „Dann kommen die Spanier um die Ecke mit ihren Rotweinen, die billiger sind als meine, und vielleicht auch besser…“

 

Der Winzer hinter dem außergewöhnlichen Rosé: Doktor Martin Tesch (© Weingut Tesch)

Irritierender Name

Also Rosé. Er heisst bei Tesch Deep Blue. Der Name ist auf den ersten Blick irritierend, weil der Wein natürlich nicht blau ist, sondern eine kupferfarbene Tönung hat. Der Name „Tiefblau“ bezieht sich auf die Farbe des Urmeeres, aus dem vor 30 Millionen Jahren durch tektonische Verschiebungen jene Landmasse emporstieg, die heute Mitteleuropa heißt und zu der auch die Nahe samt ihren Weinbergen gehört. Muscheln, Korallen, ja versteinerte Haifischzähne hat Tesch im Boden gefunden, auf dem seine Spätburgunderreben wachsen: Gruß aus der Vergangenheit.

Aus der Masse der Rosés hervorstechend

Deep Blue ist ein ungewöhnlich guter Roséwein. Er sticht duetlich heraus aus der Masse der Rosés, die jedes Frühjahr die Märkte überfluten. Die meisten dieser Rosés gehören in die Kategorie belangloser Spaßwein, wobei Spaß relativ ist. Koloriertes Blümchenwasser würde es manchmal besser treffen. Doch selbstverständlich gibt es auch gute Roséweine, sogar hervorragende, die nicht nur an heißen Sommertagen schmecken, sondern auch im Herbst oder Winter, zu einem Lachstartar, einer Hummeressenz, einer Kürbiscremesuppe. Das gilt auch für Deep Blue. Er ist gehaltvoll und – bildlich gesprochen – eher etwas für den Captain’s Table als für die Kantine der Leichtmatrosen. Er ist knochentrocken. Cocktail-Schlürfer und Nutella-Freunde werden vermutlich nichts mit ihm anfangen können. Andererseits muss man auch kein Heavy Metal-Rocker oder Tote Hosen-Fan sein, um diesen Wein zu mögen. Deep Blue ist nicht laut, nicht wild, nicht schrill. Er ist wie ein vibrierender Soundtrack für ein entspanntes Wochenende zu Hause, allein, zu zweit, ohne Mundschutz und ohne Robert-Koch-Zahlen. Skeptiker gegenüber allem Geschriebenen werden trotzdem fragen: Ist der Deep Blue nur gut oder schmeckt er auch? Die Antwort: hervorragend.

Das Geheimnis: die Trauben und das lange Hefelager

Neugierige werden wissen wollen, was Tesch anders macht als andere Roséwinzer. Schwer zu sagen. Da sind, erstens, die Spätburgunder-Trauben: zartduftig, tief im Aroma. Tesch spricht von Erdbeeren und Himbeeren. Aber er ist nicht der einzige in Deutschland, der aus Spätburgunder Roséwein macht. Zweitens: Tesch quetscht seine Trauben nur an, nicht aus. Auch das tun, pardon, alle anspruchsvollen Roséwein-Produzenten. Drittens lässt Tesch die Maische zwei bis vier Stunden in der Presse, so dass die Farbe in den Most übergehen kann. Ähnlich machen es andere auch. Viertens lässt Tesch den Wein nach der Gärung 12 Monate auf der Hefe im Tank. Dadurch wird er cremig, wie die Fachleute sagen, ähnlich einem Champagner. Erst danach wird er freigegeben. Ein derart langes Hefelager praktizieren allerdings nur wenige. Jetzt, da überall die 2019er Rosés angepriesen werden, bringt Tesch erst seinen 2018er auf den Markt. So ein Aufwand lohnt sich nur, wenn man einen besonderen Wein hat, und den bekommt nur, wer seine besten Trauben für den Roséwein opfert – nicht für den Rotwein.

Übrigens: Tesch produziert auch einen Rotwein aus Spätburgunder-Trauben – ein  ordentlicher Wein für 8,90 Euro. Den Deep Blue kriegt man dafür allerdings nicht.

2018 Deep Blue, Weingut Tesch

Preis: 10,90 Euro

Bezug : https://www.weingut-tesch.de/shop/deep-blue/

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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