Die Geschichte einer heiklen Büroschwärmerei Von Justin G. Leone | Übersetzung: Kathrin Noll
Vermische niemals Arbeit mit Vergnügen. Eine einfache Faustregel, die, wenn sie missachtet wird, angehenden Führungskräften die Karriere kosten, zur Auflösung ganzer Unternehmen führen und Familien ins Unglück stürzen kann.
Genau die Art von Ratschlag, die ich am liebsten ignoriere.
Einmal, an einem Tag wie jeder andere, stach mir eine hübsche Rothaarige ins Auge, als ich mich mal wieder im Keller abplagte. Sie war mir schon im Büro aufgefallen. Da sie eher der stille, introvertierte Typ ist, sind wir einander bislang noch nicht vorgestellt worden. Sie gehört zu den besten der Bourgogne Rouge-Abteilung – eine Kategorie, der ich normalerweise nicht übermäßig viel Aufmerksamkeit schenke, die mir aber nichtsdestotrotz am Herzen liegt. Um in diesem Team zu arbeiten, ist eine sehr eigene, oft etwas schrullige Persönlichkeit vonnöten. An der Spitze dieser Klasse steht schiere Brillanz, wenn auch unerwartet, während selbst die Basis noch einen recht hochmütigen Geist aufweist, um es böse und unverblümt zu sagen. Charisma muss warm, einladend und vor allem echt sein. So wie es etwa ein ausländischer Diplomat besitzt. Vielleicht etwas überschwänglicher als die Logistikarbeiter auf Village-Ebene, die Lobbyisten mit ihrer Geschäftemacherei in der Premier-Cru-Branche oder die Säulen von ikonoklastischer Kühnheit, die die Grand-Cru-Elite bilden.
Sie machte auf mich einen ruhigen, eher konservativen Eindruck. So als stecke sie häufig ihre Nase in Bücher, genieße schweigsame Spaziergänge an warmen Sommerabenden durch die Nachbarschaft und – hoffentlich – hin und wieder auch ein extravagantes Abendessen. Sie sieht bestimmt umwerfend aus, wenn sie die Tür öffnet, in Schale geschmissen, auch wenn ihrem Kleid der Glanz eines Originals von Vera Wang fehlen mag und sie keine schwarzen High-Heels von Louboutin trägt. Sie ist das unauffällige, bescheidene Mädchen von nebenan, von dem ein heißblütiger, normaler Kerl wie ich nur hoffen kann, dass sich „hinter den verschlossenen Türen“ eine unersättliche Löwin versteckt.
Wir stießen zufällig im Keller zusammen, als ich gerade eine Flasche Chambolle holen wollte. „2008“, brachte ich hervor. „Ich weiß wirklich nicht, was Leute dazu treibt, den Wein so jung zu trinken. Ein Schande!“ – „Tatsächlich?“ entgegnete sie schnell, mit einem fragenden, dennoch selbstbewussten Blick. „Oh, ich bin mir sicher, dass er einiges zu bieten hat. Ich würde nicht zu vorschnell urteilen.“ – „Äh, also …“, stammele ich, erstarrt von der Schnelligkeit ihrer scharfen Erwiderung. Und mit Erstaunen beobachte ich, wie mein todsicheres, erstes Aufschlagsass quer über das Feld zurückschießt, entflammt durch ihre glühende Rückhand. „Ich glaube … aber …er ist so … jung …“ – „Aha, Du bist also einer von diesen Typen.“ Ich werde langsam panisch. Wo bin ich hier nur hineingeraten? Was meint sie mit „einer von diesen Typen“? Soll ich bekennen, dass ich Weine normalerweise lieber ein bisschen reifer mag, woraus sich rückschließen lässt, dass ihr in dieser Hinsicht ein paar Jährchen fehlen? Oder soll ich mich von dem soeben Gesagten distanzieren und zum Deppen machen? Ich kenne dieses Mädchen ja nicht einmal!
Eines war sicher: Ich steckte in der Klemme, magisch angezogen von ihrer ruhigen, nüchternen Zurückweisung. Ich nahm mir vor, die Sache wieder einzurenken. „Hast Du irgendwelche Pläne für später? Ich meine, ich muss jetzt los … mein Abenddienst beginnt gleich. Aber wenn Du möchtest, können wir nachher dort weiter machen, wo wir aufgehört haben?“ Ich seufze vor Erleichterung, als sie dem Treffen zustimmt und ich genügend Zeit herausgeschlagen habe, um mich wieder zu sammeln. „Ich bin übrigens Justin.“ – „Ich weiß“, antwortet sie mit verschämtem Grinsen. „Ponsot, aus der Bourgogne Rouge-Spitzenabteilung, Abschlussklasse von 2004.“
Unsere erste Begegnung hinterließ einen ziemlich nachhaltigen Eindruck an meinem Gaumen. Nicht so warm und einladend, wie ich es mir erwartet hatte. Nicht so reich, samtig und rotfruchtig, wie es das Äußere vermuten ließ. Etwas rau, ein wenig ätzend, besitzt sie eine subtile, aber unverkennbare Wildheit, etwas Animalisches. Anders gesagt: Diese raue, unverbogene Art spricht unsere Instinkte an, während die perfekten, geschniegelten und polierten Industrieweine, von denen wir im Alltag überschwemmt werden, uns selten tiefer berühren. Sicher, sie ist nicht so unverblümt kess, vielmehr suggeriert sie leise, das etwas in dieser Flasche darauf brennt, seine Nägel in meinen Rücken zu graben. Und ich nehme natürlich – mehr als glücklich – meine Rolle in diesem Katz-und-Maus-Spiel an. Ihr mangelt es zweifellos nicht an Selbstvertrauen, trotz der ihr angeborenen Bescheidenheit. Sie weiß genau, wer sie ist und hat nicht vergessen, wo sie herkommt. Ihr Akzent ist unmissverständlich Französisch, ohne spezifischen Dialekt zwar, aber etwas schwerer im Mund, eine eher nördliche Herkunft andeutend.
Während meines Dienstes dachte ich über unsere Begegnung nach – und hoffte, dass sie sich in der Zwischenzeit ein wenig mehr geöffnet hatte. Ich erträumte mir im Stillen einen etwas fruchtbareren Austausch. Vielleicht ist sie nur ein bisschen schüchtern, das ist alles … Oder sie entpuppt sich im schlimmsten Fall als eine ehemalige Streberin, die früh ihre Spitzenform erreicht hat und nun ins Stocken geraten ist, kalt und verbittert, wohlwissend, dass ihre besten Tage bereits vorüber sind. So oder so: Das könnte interessant werden!
Wir trafen uns später wieder, als sich der Speiseraum des Restaurants langsam leerte. Ich lud sie auf ein Glas ein. Immer noch unsicher, wie das Wiedersehen wohl verlaufen würde, begrüßten wir uns zum zweiten Mal, bevor zwischen uns peinliche Stille eintrat. Sie schwenkte gedankenverloren ihr Glas, während ich nervös die Bitter-Flaschen auf dem Tresen hin und her schob, als spielte ich eine Partie Dame. „Also, ich bin keiner von diesen Typen, nur zu Deiner Information. Ich treibe mich nicht in einsamen Country-Club-Bars oder auf Bingo-Abenden herum, um ältere Frauen abzuschleppen, die auf jüngere Typen stehen. Ich goutiere jede Art von Schönheit. Aber ich schätze sie im jeweils angemessenen Rahmen, vermute ich.“ Meine Worte weckten ein kleines Funkeln in ihren Augen, und sie wurde auf der Stelle munterer. „Ich weiß, was Du meinst. Ich habe Dir das Leben schwer gemacht. Ich meine, ja verdammt, manche Leute wissen erst mit 40, wer sie eigentlich sind, während andere das schon vor der Pubertät herausgefunden haben. Das ist alles eine Sache der Erziehung, glaube ich.“
Die Dinge schienen gut zu laufen. Mit jedem Schluck verstanden wir uns besser, mit jeder Minute wurde unser Gespräch ergiebiger und befriedigender. Ich bemerkte, wie ich dahinschmolz und meine Prioritäten vergaß. Verlegen lud ich sie in mein Büro ein, damit wir unser Rendezvous dort fortsetzen konnten, während ich den abendlichen Papierkram erledigte. Sie war einverstanden.
Während ich das raffinierte rosenrote Feuer des zweiten Glases durch meine Kehle rinnen spürte, leuchtete ihr strahlendes Lächeln wie die Kirschen in meinem Glas. Mit jedem zustimmenden Kichern wurde mein Humor, so schwarz wie die erdigen Bodentöne, die ihre üppige Frucht unterstützen, draufgängerischer. Ihre Anziehungskraft auf mich wuchs immer mehr, der Wein im Glas vor mir schien zu erblühen. Der schmale Grat zwischen Wohlgefallen und Begierde verschwamm jedoch zu einem Produkt der Einbildung, als sie neckisch auf meinen Schreibtisch sprang, die Beine übereinander schlug und hypnotisch ihre kniebestrumpften Waden vor mir hin und her schaukeln ließ.
Rückblickend ist es leicht, sich zu fragen, wie viele Romanzen wir in unserem Alltagstrott verpassen. Wie viele Flaschen Wein tun wir als Schrott ab, einzig und allein, weil wir uns nicht die Zeit nehmen, sie zu verstehen? Haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, kennen wir ihren Stil, wissen wir, wie sie behandelt und gepflegt und wie sie im Kontext ihrer Herkunft betrachtet werden sollten? Hat man kein Verständnis für die Kultur oder das Umfeld eines Weines, so ist es, als hänge man das Bild seiner Persönlichkeit ohne jeglichen Bewertungsrahmen und ohne die passende Beleuchtung auf, die all seine Schönheiten und Finessen erst zur Geltung bringen. Voreingenommen zu sein, bedeutet frei von Hoffnung zu sein. Ein Leben ohne Überraschungen ist wahrhaftig ein langweiliges Leben, und ein Leben ohne spontane Momente der Leidenschaft ist ein Leben, auf das ich ganz sicher verzichten kann. Seien es fünf heiße Minuten in einem kühlen Keller oder eine lebenslange Hingabe, die Dekaden und Kontinente umspannt – alles hat seinen Platz und seine Zeit.
Ein kleiner Rat zum Schluss: Wenn es an einem schicksalhaften Abend an Ihrem Arbeitsplatz passieren sollte, dass Zeit und Raum, Sterne und Planeten in der richtigen Konstellation zueinander stehen, tun Sie sich einen Gefallen und vermeiden Sie solch ein kompliziertes Rendezvous. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die süße Brünette, auf die Sie ein Auge in der Poststelle geworfen haben, wahrscheinlich keinen Entschuldigungsbrief verlangt, weil Sie die Hände von ihr lassen.
“Inboxes and Infatuations”
A tale of the Burgundian-born “girl-next-door” type, and the awkward oenophilic office romance to ensue. By Justin G. Leone
Never Mix business and pleasure. A simple rule of thumb which, when gone unheeded, has been known to cripple careers of would-be executives, dissolve entire corporations from the top down, and lay otherwise innocent by-standing family units utterly asunder.
Exactly the type of advice I live to ignore.
One day, a day like any other, a beautiful redhead caught my eye as I plodded through my daily routine in the Burgundy section of the Cellar. I’d seen her around the office before, but as she’s a more quiet, introspective type, we’d hadn’t yet the pleasure of a formal introduction. After all, She does work in the high-end Bourgogne Rouge AOC division; not exactly the most highly-profiled group, though none the less near and dear to my heart. Being selected as a bottle in this part of the cellar requires a very specific, and often quirky, personality type; at the top of this class lies sheer brilliance, however unexpectedly it always comes, while the minimum offers at the very least a rather lofty intellect. It must speak with razor-sharp wit and eloquence, though with nary an ounce of pretention nor pander. Charisma must be warm, inviting, and above all, genuine; much in the kinship of foreign diplomacy. Perhaps far more effusive than the logistical workhorse bottles at the Village Level, the professional negotiators over in the Premier Cru section, or the iconic pillars of strength, wisdom, and leadership which comprise the Bonnes Mares, the Chambertins, and the rest of the Grand Cru elite.
With the cork still firmly in place, (before our conversation opened, that is to say) she struck me as the quiet, conservative type; nose often in a book, enjoys a quiet stroll through the neighbourhood on a warm summer evening, and hopefully enjoys a fancy dinner now and then. She’ll be a knockout when she answers the door, no doubt dressed to the nines. Her dress, however perfect, lacking the glint of a Vera Wang original, though uninterested in such lavishes. Her razor-sharp stilettos can kill, though surely not the twentieth pair of black Lou batons to spill from the decadently over-full wardrobe. She’s the quiet, humble, girl-next-door type, whom a red-blooded, normal guy like me can only hope, undergoes a metaphorical metamorphosis into carnally insatiable lioness behind closed doors.
We bumped into each other one day in the Cellar, while hurriedly fetching a bottle of Chambolle.
“2008” I uttered under my breath, “I have no idea what compels people to drink this stuff so young. Shame, really.” “Really?” she quickly responded, with a somewhat quizzical yet self-assured glance. “People are entitled to drink what they like, aren’t they?” “Well….” I uttered, somewhat frozen by the quickness of her retort, watching in amazement as my sure-fire first-serve Ace came rocketing back cross-court, practically ablaze from her blistering backhand return. “I suppose….but…..it’s just so…..young…….” “Ah, you’re one of those guys, then.” Panic begins to set in. What have I gotten myself into? What does she mean by those? Do I admit that I usually like them a little more mature, inferring that she is somehow lacking in that category, or do I double back on my opening line, and look like a fool? I don’t even know this girl. A pickle, to be sure. “Do you have any plans later on? I mean, I’ve gotta run…it’s almost time for evening service, but if you can hold that thought, maybe we can pick up where we left off.” I sigh in relief as she agrees to hang out, having bought myself some much needed time to regroup, collect myself, and launch the next attack. “I’m Justin, by the way.” “I know,” she says with a coy smirk, “Ponsot, from the high-end Bourgogne Rouge division, class of ’04.”
The cork had been officially pulled; communication now open, however our first encounter left a rather puzzling taste in my mouth. Not as warm and inviting as I would have expected; not so rich, velvety, and red-fruity as the book’s cover, so to speak, may suggest. Slightly abrasive, a little acidic, and certainly more than a touch animal, but as I’ve already alluded to, this last detail has my undivided attention. I could see right away that She was, in no way, lacking in self-confidence, despite her inherently humble position. She knows exactly who she is and hasn’t forgotten where she comes from. Her accent is unmistakably French, but lacking any specific colloquial dialect, though a little heavier in the mouth, suggestive of a more Northerly provenance. I pondered our encounter throughout service, rolling its essence around on my palate periodically, hoping that she might open up a little, silently hoping for a more generous exchange. Perhaps she’s just a little shy, is all…..Or, in the worst case scenario, she was a one-time overachiever who peaked early and is now cold and embittered, her “best days” now well behind. Either way, this should be interesting.
We met again later, as the dining room slowly emptied, and I poured a more generous glass, expecting yet one more indifferent reception. Still unsure of how the follow-up would go, we made our second round of greetings and sat briefly in the awkward silence of unfamiliarity. She absently swirled in the glass while I nervously played checkers with the bitters bottles on the bar. “So, I’m not one of those guys, for your information, cruising for desperate cougars in lonely country-club bars and local bingo nights. I appreciate all beauty; I just appreciate it all in its proper context, I suppose.” That seemed to rouse a little glint in her eye, perking immediately up. “I know what you mean. I was just givin’ you a rough time. I mean hell, it takes some people until the age of forty to figure out who they really are, while others seem to have it all figured out before puberty hits. It’s a matter of upbringing, I believe.” Things seemed to be going well. We began to understand more and more about each other with each sip, the conversation growing ever richer and more satisfying by the minute. Realizing the relative ease with which I could literally melt into her eyes, abandoning all sense of worldly priority, I sheepishly invited her to my office so that we may continue our rendezvous while finishing up my paperwork for the evening.
Having agreed, and now feeling the subtle rosy glow of a second glass on its way down, her smile shone as bright as cherries in the glass, with a humor equally as dark as the earthy, soil-driven tones underwriting the luscious fruit, gaining in bravado with each approving giggle, while the utter attraction grew ever deeper as the wine seemed to blossom before me. The fine line between appreciation and lust blurred to but a figment, as she playfully hopped up on my desk, legs crossed, knee-socks swinging hypnotically to and fro.
Looking back, it’s easy to wonder how many romances we give up on daily, regardless of how much distance we predict them to have. How many bottles do we dismiss as rubbish, simply because we don’t take the time to understand them? to do our homework, know the style, how they should be treated or cared for, and considered in the context of its provenance? To be judgemental is to be devoid of hope. A life without surprise is a dull life, indeed, and a life without spontaneous moments of passion is a life I could certainly do without; Be it 5 hot minutes in an icy cellar, or a life-long devotion which brings you to exotic destinations. Everything has its place.
Just one piece of advice: if it happens to be at the office, don’t pick the over-complicated bottles; it never seems to end quite this well.