Dienstag, September 17, 2024
8.8 C
München
spot_img

Das Projekt Panta Rhei: Wein aus dem „Gebirge“

Viele österreichische Winzer, die in den letzten 20 Jahren erfolgreich waren, suchen nach neuen Herausforderungen. Manfred Tement, Walter und Erich Polz, F. X. Pichler, Franz Weninger, Josef Umathum, Gerhard Kracher – sie alle haben expandiert oder sind neue Allianzen eingegangen. Seit einigen Jahren haben zwei weitere burgenländische Weinerzeuger, Heinz Velich aus Apetlon und Hans Schwarz aus Andau, sich ein neues Betätigungsfeld verschafft.

Zusammen mit drei Partnern (dem Getränkehändler Hannes Wimmer, dem Hotelier Karl Reiter und Heinz Velichs Bruder Hellmut) haben sie ein ehrgeiziges Weinprojekt aus der Taufe gehoben, dessen Ziel es ist, am Leithagebirge hochklassige, terroirbetonte Rot- und Weißweine zu erzeugen.

Velich ist in ganz Österreich bekannt für seine Chardonnays Tiglat und Darscho aus dem warmen Seewinkel. Der ehemalige Metzgermeister Hans Schwarz, der als Traubenlieferant von Alois Kracher gestartet war, erzeugt seit Jahren schon im warmen Pusztaklima an der ungarischen Grenze zwei denkwürdige Weine: einen wuchtigen Zweigelt (Schwarz-Rot) und einen opulenten Chardonnay (Schwarz-Weiß).

Österreichs derzeit wohl spannendstes Weinanbaugebiet

Das Leithagebirge, wie die Österreicher den bewaldeten Hügelzug nennen, der Wien vom Neusiedlersee trennt, ist das derzeit wohl spannendste Anbaugebiet des ganzen Landes: ein Hügelzug, der sich vor fünf Millionen Jahren aus dem Urmeer, das damals fast ganz Mitteleuropa bedeckte, erhoben hat. Die Österreicher selbst schmunzeln über den Ausdruck „Gebirge“. Denn der Hügelzug ist gerade mal 400 Meter hoch. Doch die Wissenschaftler bestehen darauf, dass es sich beim ihm um einen Ausläufer der Alpen handelt.

Viele renommierte Weinbaubetriebe aus anderen Teilen des Burgenlands haben in den letzten Jahren an den Hängen dieses Hügelzugs Rebflächen erworben (oder gepachtet): Gernot Heinrich, Hans Nittnaus, Josef Umathum, Roland Velich zum Beispiel. Sie sind überzeugt, dort stilbildende Blaufränkische und beste Pinot Noirs erzeugen zu können.

Diese Überzeugung hat auch Velich, Schwarz & Co. geleitet. 2007 ist zum ersten Mal auch ein Wein unter dem Panta Rhei-Etikett erschienen, der vom Leithagebirge kommt: ein reinsortiger Baufränkisch, der nicht durch Rustikalität, sondern durch seine Geschmeidigkeit und Eleganz aus dem Rahmen dessen fällt, was diese Rebsorte normalerweise hervorbringt. „Wir glauben“, sagt Hellmut Velich, „dass wir in den Lagen am Leithagebirge eine neue Qualität von Weinen bekommen, die stilbildend für Österreich sein könnte.“

Potenzial des Leithagebirges nicht ausgeschöpft

Dabei ist das Leithagebirge ist beileibe kein neues Anbaugebiet. Der Weinbau hat dort eine lange Tradition, die Jahrhunderte zurückreicht. Die Reben ziehen sich vom Fuß des Hügels bis an die Waldgrenze hoch, und zwar von Jois bis über Eisentadt hinaus. Allerdings landeten die Trauben eines Großteils der Parzellen bis vor Kurzem noch in den Tanks großer Handelskellereien oder Genossenschaften. Denn viele Besitzer bewirtschaften ihre Weinberge nur im Nebenerwerb. Sie haben den sicheren Angestelltenjob in Eisenstadt, Neusiedl oder Wien der unsicheren Existenz eines Weinbauern vorgezogen.

Was die Immigranten – auch Velich und seine Mitstreiter – so magisch anzieht, ist das kühle Klima und die außergewöhnlich interessanten Böden am Leithagebirge. „Rund um Eisenstadt, speziell bei St. Georgen, herrschen Bedingungen, die an das nördliche Burgund erinnern“, schwärmt Hellmut Velich. „Das Klima mit den kühlen Nächten und warmen Herbsttagen ist ähnlich, ebenso das hügelige Gelände, die Hangneigung, vor allem aber die sehr mineralischen, zum Teil extrem kalkhaltigen Böden.“

Unter diesen Voraussetzungen haben Velich und seine Mitstreiter Verträge mit einigen örtlichen Weinbauern geschlossen, die ihnen ihre Trauben liefern. Allerdings müssen diese ihre Weinberge nach vorgegebenen Regeln bearbeiten: reduzierte Erträge, naturnaher Weinbau, ein Minimum an Spritzungen.

Weine fürs Top-Segment

Vinifiziert werden die Trauben dann im Velich-Keller auf der anderen Seite des Neusiedlersees: Spontanvergärung mit eigenen Hefen, schonender Ausbau in kleinen Holzfässern –  für Terroirweine fast schon Selbstverständlichkeiten. Aber der Aufwand hat auch seinen Preis. Mit 29 bis mehr als 40 Euro pro Flasche liegen die Panta Rhei-Weine klar im Top-Segment.

Der Blaufränkisch ist der numerisch wichtigste Wein des Panta Rhei-Projekts. Er versucht, das rustikale Element, das vielen Blaufränkischen eigen ist, abzulegen. Besser: zu sublimieren. Eleganter Körper, poliertes Tannin, geschliffene Frucht, glatte Länge  – so ließe sich sein Stil beschreiben. Wer Blockbuster nach dem Vorbild des Mittelburgenlands sucht, wird mit diesem Wein nicht glücklich. Wer raues Tannin, nackte Frucht und markige Säure erwartet, wird von ihm enttäuscht sein.

Was Leichtfüßigkeit angeht, wird der Blaufränkische allerdings vom Pinot Noir übertroffen. Dieser Wein zeigt Frucht und Finesse und hebt sich von den dunkelfarbigen, erdig-burschikosen Weinen, wie sie Österreich so oft aus dieser Sorte hervorbringt, deutlich ab. Sicher, die Fülle eines Chambertins hat der Panta Rhei-Pinot nicht. Doch einmal im Glas, macht ihn allein die süße, verführerische „Pinot-Nase“ (so nennt man das typische Bouquet eines Pinot Noir) unwiderstehlich.

Der dritte Rotwein im Sortiment von Panta Rhei heißt Caberhei. Eine klassischer Bordeaux-Blend, gewachsen in wärmeren Parzellen am Fuß des Leithagebirges. Der Wein strahlt Wärme aus, besitzt Fülle und Tiefe und eine reife, satte Frucht ohne grüne Noten. Das einzige, was sich gegen ihn einwenden lässt: Solche Qalitäten gibt es auch in anderen Teilen des Burgenlands.

Spätere Reife als im restlichen Burgenland

Die Trauben am Leithagebirge reifen übrigens zehn Tage später als in den wärmeren Teilen des Burgenlands. So kann Hans Schwarz, der für die Rotweine verantwortlich ist, erst seine Zweigelt-Trauben im Seewinkel keltern und sich dann auf die Panta Rhei-Weine konzentrieren. Ähnlich ist es bei den Weißweinen, die Heinz Velich vinifiziert. Seine Chardonnay-Trauben in Apetlon sind fast 14 Tage früher reif als die für den Panta Rhei-Chardonnay am Leithagebirge.

Dieser Chardonnay wächst auf einem Streifen nahezu weißen Muschelkalks hoch oben am Leithagebirge: ein Wein von hoher Reife und kühler Mineralität –  im Stile ähnlich wie Andi Kollwentz’ berühmte Chardonnays Tatschler und Gloria, die von den höchsten Lagen des Leithagebirges kommen. Er wird im kleinen Holzfass vergoren und auf der Naturhefe ausgebaut.

Am stärksten zum Ausdruck kommt das spezifische Terroir des Leithagebirges beim Grünen Veltliner. Mit seiner stark mineralischen Note und der breiten Anlage hat er mit einem herkömmlichen Veltliner allerdings nichts gemein. Er wird im großen Holzfass vergoren.

Panta Rhei ist übrigens ein Ausdruck des griechischen Philosophen Heraklit. Er bedeutet „alles fließt“. Damit ist nicht nur das Fließen der warmen und kalten Luftströmungen am Leithagebirge gemeint, sondern das Werden des Weins insgesamt.

- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img