Daniel Jiménez-Landi: Der Mann, der den Wein lebt

Es gibt Weine, da ahnt man schon vor dem ersten Schluck, wie sie schmecken. Und es gibt Weine wie die von Daniel Jiménez-Landi. Jens Priewe war perplex und gibt zu, selten so ernsthafte Weine mit so hoher Trinkeleganz in Spanien getroffen zu haben. Alte Schule statt New Wave.

Dabei ist der Sotor­ron­de­ro zum Bei­spiel gar nicht aus spa­ni­schen Reb­sor­ten gekel­tert: 85 Pro­zent Syrah und 15 Pro­zent Mer­lot. Und er erin­nert eher an einen Vac­que­r­as oder Gigon­das von der Rhô­ne, ent­fernt auch an einen Baro­lo als an einen Wein aus dem hei­ßen spa­ni­schen Süden. Doch genau von da kommt er. Kli­ma und Boden haben, so scheint es, ihn mehr geprägt als die Rebsorten.

Das Ent­schei­den­de ist: Der Win­zer hat es zuge­las­sen. Er hat nichts getan, um den Sotor­ron­de­ro in die eine oder ande­re Rich­tung zu beein­flus­sen. Er hat nicht ver­sucht, ihn glatt oder main­strea­mig zu machen, um ihn bes­ser ver­kau­fen zu kön­nen. Er hat ihn nicht auf Schwe­re getrimmt, um höhe­re Bewer­tun­gen zu bekom­men. Er hat ein­fach dar­auf ver­traut, dass die Natur den per­fek­ten Wein lie­fert – so er selbst kei­ne Feh­ler macht. „Ich möch­te die natür­li­che Balan­ce, die natür­li­che Fein­heit, die Mine­ra­li­tät und die Fri­sche erhal­ten, die unse­re Böden und unser Kli­ma dem Wein mit­ge­ben“, lau­tet Dani­el Jiménez-Landis Credo.

Sein Wohnzimmer ist der Weinberg

Im feschen Bla­zer sieht der 38-Jährige aus wie ein vor­neh­mer spa­ni­scher Gran­de. Doch er lebt mehr im Wein­berg als in der Glit­zer­welt der Gour­met­re­stau­rants. Sei­ne All­tags­gar­de­ro­be besteht aus Kapu­zens­weat­shirt und Arbeits­stie­feln mit Pro­fil­soh­le. Und sein Wohn­zim­mer – das ist die stau­bi­ge, stei­ni­ge Erde des Wein­bergs, auf die die süd­li­che Son­ne unbarm­her­zig scheint, die knor­ri­gen Reben, die schwar­zen Iberico-Schweine, die zwi­schen ihnen her­um­lau­fen und mit ihrem Rüs­sel den Boden lockern.

Weinberge in Mentrida | Foto: Bodegas Jiménez-Landi

Jiménez-Landi macht kei­nen Wein. Er lebt den Wein. Und er lebt ihn in einer Gegend, die wein­bau­lich einen eher zwei­fel­haf­ten Ruf genießt: Mén­tri­da. Sie liegt unweit der Stadt Tole­do und ist, wenn über­haupt, bekannt durch die gro­ßen Men­gen an bil­li­gem, hell­ro­ten Genos­sen­schafts­wein, die dort pro­du­ziert wer­den und sich als Liter­wa­re oder im Tetra­pak in den Rega­len der Super­märk­te wiederfinden.

Garnacha-Monumente

In Mén­tri­da  wird über­wie­gend die Garnacha-Traube ange­baut. Auch bei Jiménez-Landi ist sie die häu­figs­te Sor­te. Von den sechs Rot­wei­nen, die er erzeugt, sind drei rein­sor­tig aus die­ser Sor­te gewon­nen. Sie hei­ßen Ata­ul­fos, El Fin del Mun­do, Can­tos del Dia­blo: Wei­ne aus klei­nen Par­zel­len mit uralten Reb­stö­cken, die in silit- und gra­nit­hal­ti­gem Sand und Lehm wach­sen, bis zu 850 Meter hoch, und die alters­be­dingt nur noch wenig Trau­ben tragen.

Die­se drei sind kei­ne gewöhn­li­chen Wei­ne. Es sind Monu­men­te. Sie kön­nen nur in ganz klei­nen Men­gen erzeugt wer­den, sind dem­entspre­chend rar und teu­er, demons­trie­ren aber, welch gran­dio­se Wei­ne die­se uralte, manch­mal ver­ach­te­te Reb­sor­te auf den Böden der Sier­ra de Gre­dos hervorbringt.

Die ande­ren drei Wei­ne Jiménez-Landis wer­den in grö­ße­rer Men­ge erzeugt. In ihnen ist die Gar­nacha nur zu einem klei­ne­ren Teil ent­hal­ten, im Sotor­ron­de­ro gar nicht. Die Wein­ber­ge, aus denen er kommt, lie­gen an den tiefs­ten Stel­len des 27-Hektar-Besitzes, die frei­lich auch 550 Meter hoch sind und damit die som­mer­li­che Hit­ze etwas dämpfen.

Leicht, fast easy zu trinken

Die­ser Wein ist für die 13,50 Euro, die er kos­tet, schlicht begeis­ternd. Kein Monu­ment, kein Denk­mal, aber ein opu­len­ter, flei­schi­ger Wein mit rei­fer, gleich­wohl fri­scher Bee­ren­frucht, fei­ner Kräu­ter­wür­ze und leicht rau­chi­gem Unter­ton. Mine­ra­lisch eben, wie Jiménez-Landi sagt.

Er könn­te spie­lend fünf, sechs Jah­re rei­fen. Aber wozu? Jung besitzt er Biss und zupa­cken­den Charme und kommt noch ohne die Schokoladen-Noten aus, die sich mit fort­schrei­ten­der Fla­schen­rei­fe bei die­sen Wei­nen unwei­ger­lich ein­stel­len. Der Sotor­ron­de­ro hat Cha­rak­ter, was sich auch dar­an zeigt, dass er sich leicht, fast easy trin­ken lässt, trotz sei­ner Fül­le und sei­ner Eigenart.

Das Stampfen der Trauben | Foto: Bodegas Jiménez-Landi

Jiménez-Landi gehört zu den auf­fäl­ligs­ten und hoff­nungs­volls­ten Wein­erzeu­gern Spa­ni­ens. Er hat weder Wein­bau noch Kel­ler­wirt­schaft, son­dern Phi­lo­so­phie stu­diert. Doch mit Nach­den­ken allein ist er nicht zum Wein gekom­men. Bevor er das ver­schla­fe­ne elter­li­che Wein­gut über­nahm, hat er auf berühm­ten Domä­nen im Bur­gund gearbeitet.

Er hat sich in die Bücher von Nico­las Joly ver­tieft, des fran­zö­si­schen Biodynamie-Extremisten. Vor allem hat er begrif­fen, dass Wei­ne, wie er sie sich vor­stellt, nur da ent­ste­hen kön­nen, wo der Win­zer selbst jeden Tag mit bei­den Bei­nen im Wein­berg steht. Qua­li­tät pro­du­zie­ren vie­le, ein­zig­ar­ti­ge Wei­ne nur wenige.

Alte Schule, kein New Wave

Dani­el Jiménez-Landi steht laut Jan­cis Robin­son, der eng­li­schen Wein­schrift­stel­le­rin, für den New Wave des spa­ni­schen Weins. Ich fin­de das nicht. New Wave sind für mich zum Bei­spiel die Wei­ne von Tel­mo Rodri­guez: ein genia­ler Öno­lo­ge, der für Leu­te, die ihr Geld in der Indus­trie ver­dient und im Wein inves­tiert haben, Wei­ne macht, die nach allen Regeln der Wis­sen­schaft erzeugt und ele­gant, fein, per­fekt aus­ba­lan­ciert, als Kon­se­quenz inter­na­tio­nal ver­markt­bar sind.

Die Bearbeitung des Weinbergs | Foto: Bodegas Jiménez-Landi

Jiménez-Landi reprä­sen­tiert dage­gen die Alte Schu­le (nicht zu ver­wech­seln mit dem tra­di­tio­nel­len spa­ni­schen Wein­stil). Ihn inter­es­siert der Boden, nicht der Markt. Er lebt den Wein. Die Reben zu ken­nen, sie mit eige­ner Hand zu bear­bei­ten, die alten Stö­cke zu erhal­ten, dabei auf Dün­ger und jeg­li­chen che­mi­schen Pflan­zen­schutz zu ver­zich­ten, hin­ter dem Pflug zu gehen statt auf dem Trak­tor zu sit­zen, Scha­fen und Schwei­nen das Mul­chen zu über­las­sen – das ist kein Stil, das ist Exis­tenz. Und die­se selbst gewähl­te Exis­tenz bringt Wei­ne her­vor, die kein Öno­lo­ge zustan­de brächte.

Urbäuerlich einfache Kellerarbeit

Auch im Kel­ler ist das Vor­ge­hen von Jiménez-Landi urbäu­er­lich ein­fach. Die Trau­ben wer­den sanft gequetscht, teil­wei­se mit den Füßen gestampft, anschlie­ßend sie­ben Tage kalt maze­riert, dann spon­tan in alt­mo­di­schen Beton­tanks ver­go­ren (neu­er­dings auch in Holzcuves).

Der Wein wird weit­ge­hend schwe­fel­frei aus­ge­baut, nicht geschönt und nicht gefil­tert und erst vor der Fül­lung leicht geschwe­felt. Das Resul­tat sind extrem dich­te, aber kei­ne über­la­de­nen Wei­ne mit einer hohen Trinkeleganz.

Die Garnacha-Stöcke von Jiménez-Landi | Foto: Bodegas Jiménez-Landi

Um bei den inter­na­tio­na­len Wein­kri­ti­kern, vor allem den spa­ni­schen, zu punk­ten und dabei in den Bereich von 95 oder 96 Punk­ten vor­zu­sto­ßen, sind sie zu authen­tisch. Sol­che Bewer­tun­gen sind New-Wave-Weinen vorbehalten.

In Deutschland kein Geheimtipp mehr

Jiménez-Landi ist längst kein Geheim­tipp mehr. Auch in Deutsch­land sind sei­ne Wei­ne, obwohl sel­ten beschrie­ben, über­ra­schend gut ver­tre­ten – viel­leicht ein Indiz dafür, dass qua­li­fi­zier­te Wein­händ­ler hier­zu­lan­de mehr Mut und ein fei­ne­res Näs­chen als die meis­ten Jour­na­lis­ten haben.

Selbst Jiménez-Landis ein­fachs­ter Wein, der Bajon­dil­lo, der manch­mal als „Spaß­wein“ bezeich­net wird, ist ein höchst ernst­haf­ter Trop­fen (Gar­nacha, Syrah, Tem­pr­anil­lo, Mer­lot, Caber­net). Dass er trotz­dem Spaß macht, ist kein Widerspruch.

Kommentar hinzufügen

Antwort schreiben