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Clos Puy Arnaud: Großer Bordeaux zum kleinen Preis

Thierry Valette zieht ein Fassmuster aus einer Barrique und lässt den zehnten Jahrgang ins Glas fließen, den er auf Clos Puy Arnaud produziert hat, seinem Weingut in den Côtes de Castillon: 15 Kilometer außerhalb St-Émilions gelegen, zehn Hektar groß, mit Merlot, Cabernet franc sowie ein wenig Cabernet Sauvignon, Carmenère bestockt: ein enorm dichter Wein, pechschwarz in der Farbe, mit feinsten Tanninen und einer großartigen mineralischen Spannung. Es ist der 2009er. Ob er glaube, dass es ein großer Wein sei? Valette hält sich bedeckt: „Nicht alle Weine des rechten Ufers sind in 2009 groß.“

Natürlich. Einige haben 15 Vol.% Alkohol und mehr. Der Seine liegt bei 14,25 Vol.% – auch ein Menge. Aber er besitzt etwas, was viele andere nicht haben: Balance. So kann es der 2009er Clos Puy Arnaud mit vielen sehr, sehr, sehr viel teureren Weinen aufnehmen. Einige Kritiker finden gar, dass er auf Grand Cru-Niveau liege. Und das nicht nur in 2009 (Subskriptionspreis: ab 17 Euro) Aus sogenannten kleinen Jahren wie 2001 und 2004 sind Valette einige seiner besten Weine gelungen (Preise: zwischen 17,90 und 24,50 Euro). Bordeaux-Aficionados haben sie schon entdeckt. Dem breiten Bordeaux-Publikum ist Clos Puy Arnaud dagegen noch immer unbekannt.

Die Geschichte von Clos Puy Arnaud beginnt Anfang der achtziger Jahre, und sie spielt nicht in den Côtes de Castillon, sondern in St-Émilion selbst. Thierry Valette ging damals seinem Onkel Jean-Paul Valette auf Château Pavie zur Hand. “Eines Tages läutete ein junger Amerikaner am Tor und fragte, ob er unsere Weine probieren könne. Er hieß Robert Parker. Mein Onkel empfing ihn freundlich, zeigte ihm Weinberg und Keller und gab ihm die Weine zu probieren”.

Thierry Valette erzählt das ohne Bitternis und mit dem Spiel eines ironischen Lächelns um seine Augenfältchen. Aber ein leises Kopfschütteln kann er dennoch nicht unterdrücken. Denn es wurde weithin als ein Politikum angesehen, dass Parker später, Ende der achtziger und während der neunziger Jahre, regelmäßig negative Kritiken über Pavie veröffentlichte.

Denn Pavie war ein Chateau mit Symbolkraft, in bester Lage auf dem Kalkplateau und an der Südflanke St-Émilions gelegen, die sogar nach diesem Wein benannt ist: Côte Pavie. Doch Ende der neunziger Jahre kam das Trauma: Die Bordeaux-Hausse war an dem traditionell geführten Château vorübergegangen. Schlechte Kritiken waren die Folge, und damit schlechte Geschäfte.

Gewiss, der Keller war damals nicht in optimalem Zustand, und in manchen Jahren waren die Erträge des Premier Cru Classé B wohl tatsächlich ein wenig zu hoch. In erster Linie aber schien Parkers Polemik dem Stil Pavies zu gelten: einem feinsinnigen, nicht von neuem Holz dominierten Typus von St-Émilion, der fast burgunderhafte Züge aufwies und so gar nichts hatte von den schokoladigen Merlot-Weinen nach kalifornischem Vorbild, die Parker auch in St-Émilion zu suchen schien – und später immer öfter fand.

Schließlich verkaufte die Famile Valette, Eigner des Chateau seit 1943, Pavie an den Supermarkt-Magnaten Gérard Perse. Das Jahr 1998 markiert den Beginn einer neuen Ära: Als önologischer Berater wurde Michel Rolland engagiert. Resultat: ein ganz anderer Pavie, superkonzentriert, dick, schokoladig-süß. Kritiker sprachen von einer „Verkitschung“ des Weins. Doch die Bewertungen Parkers schnellten in die Höhe – und damit auch die Preise.

Nach dem Verkauf von Pavie muss bei Thierry Valette, der noch während der achtziger Jahre überwiegend als Jazzmusiker und Tänzer in Paris gelebt hatte, eine Trotzreaktion eingesetzt haben. Er begann sich nach einem neuen Weingut umzusehen, das seinen bescheidenen finanziellen Möglichkeiten angemessen war, dessen Rebflächen dennoch gut genug gelegen waren, um die Arbeit an einem vornehmen Wein weiter zu führen.

Im Ort Belvès de Castillon wurde er fündig: Auch dort gibt es ein Kalkplateau, und wenn die Hänge dort auch nicht ganz so steil und spektakulär nach Süden abfallen wie an der Côte Pavie, so ist der Muschelkalk im Boden geologisch derselbe. Valette stürzte sich, zunächst mit Unterstützung des beratenden Önologen Stéphane Derenoncourt, in die Arbeit.

Im Jahr 1999 produzierte er nur einen Zweitwein, im Jahr 2000 war es dann soweit: Der erste Clos Puy Arnaud wurde gekeltert. Und vom Beginn weg war der Stil klar: Eine Probennotiz, die ich im Frühjahr 2003 über den 2000er niederschrieb, erwähnt einen “ziemlich kraftvollen Auftakt”. Aber auch: “ungemeine Finesse”. Die Kraft des Kalk-terroirs, aber auch Feinheit des Tannins und die aromatischen Zwischentöne: Das macht Clos Puy Arnaud auch im Jahrgang 2009 aus, der einen vorläufigen Höhepunkt dieser Erfolgsgeschichte markiert.

Im Lauf der ersten Dekade als Weingutsbesitzer hat Thierry Valette an vielen Stellschrauben gedreht: Das Holzmanagement hat er verbessert, mit der vergessen alten Bordeaux-Sorte Carmenère hat er experimentiert, und nicht zuletzt ist er mit der Kenntnis seines Weinbergs und dessen Eigenarten weiter gekommen. Seit 2004 pflegt er seine Reben nach den Grundsätzen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und ist entsprechend zertifiziert. Die Palastrevolution gegen die Verkitschung des Bordelais im Zeichen des kurzfristigen Profits, sie nimmt langen Anlauf. Doch sie kommt gewaltig.

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für Ihre freundlichen Worte. Die Frische bei diesem Wein ist ein Erlebnis, nicht wahr? Und es handelt sich dabei um keinen bloß technisch erzeugten Eindruck von Frische, sondern um die pure Frucht. Irgendwas muss also wohl dran sein am biologisch-dynamischen Weinbau – und sei es nur, dass sich die Biodyn-Winzer mit einer immensen Hingabe ihren Reben widmen. Beste Grüße, Ulrich Sautter

  2. Habe gerade den clos puy arnaud 2005 im Glas gehabt. Und kann nur 97 genussspunkte ziehen. Fantastischer Wein der meinen persönlichen Weingeschmack zu 100% trifft.
    Tolle Frucht gepaart mit einer kühlen, ätherischen Frische. Geilem körnig, sandigem Tannin und einer tollen Säure. Alles was ich von einem BDX erwarte.
    Ihr habt mit eurer Einschätzung vor drei Jahren komplett richtig gelegen und ich kann nur empfehlen, trinkt ihn jetzt! Der kann nicht besser werden nur noch anders.

    Lese wurden Blog übrigens schon länger und schätzte ihn sehr. Dieses clos puy arnaud Erlebnis ist nur ein weiterer Beweis dass wir degustatorisch auf einer Wellenlänge liegen.
    Werde jetzt direkt mal drei Flaschen nachkaufen von diesem geilen Stoff.

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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