Christian von Boetticher: Der Politiker, der Wein und die Liebe

Christian von Boetticher
Die Nachricht, die seine christdemokratischen Parteifreunde letztes Jahr via Facebook erhielten, klang wie die Ankündigung einer Regierungserklärung: „Christian von Boetticher präsentiert heute einen Fuligni Brunello di Montalcino 2004 mit 95 Punkten von Parker.“ „Prahlhans“ nennen die Norddeutschen so einen. Doch was ist das für ein Wein, den von Boetticher damals so laut ankündigte? Jens Priewe kennt den Fuligni Brunello und kann nur sagen: Wäre es doch bei der Liebe zu ihm geblieben.

Auch wenn die Facebook-Nachricht des geschei­ter­ten Minis­ter­prä­si­den­ten­kan­di­da­ten Chris­ti­an von Boet­ti­cher, die er sei­nen Par­tei­freun­den letz­tes Jahr wäh­rend eines Sylt-Aufenthaltes zukom­men ließ, prah­le­risch klingt: Der Wein, den er so voll­mun­dig ankün­dig­te, hat höchs­te Wert­schät­zung ver­dient. Der Bru­nel­lo di Mon­tal­ci­no von Fuli­g­ni ist näm­lich kein gewöhn­li­cher, son­dern ein außer­ge­wöhn­li­cher Wein.

Ich habe den 2004er vor zwei Jah­ren in Mon­tal­ci­no pro­biert, als er gera­de frei­ge­ge­ben war. Auf mei­nem Pro­ben­zet­tel fand ich den Satz: „Kraft­voll, kör­per­reich, doch leicht­füs­sig und fast von bur­gun­der­haf­ter Ele­ganz.“ Kein „Block­bus­ter“, kei­ne „Bom­be“, son­dern ein eher tra­di­tio­nel­ler Bru­nel­lo im bes­ten Sin­ne des Wor­tes. Ein biss­chen wie die Musik von Brahms, sagen Leu­te, die sich in die­sem Fach bes­ser aus­ken­nen als ich. Sie mei­nen wahr­schein­lich: viel­stim­mig, aber nicht zu laut.

Deutsche Kritiker haben den Wein noch nicht richtig entdeckt

Im Ras­ter ita­lie­ni­scher und ame­ri­ka­ni­scher Wein­jour­na­lis­ten ist der Fuligi-Brunello längst hän­gen­ge­blie­ben. Für einen gro­ßen Teil der inter­na­tio­na­len Ver­kos­ter gehört er zu den Top 10 des Anbaugbiets. Wenn in Deutsch­land über Bru­nel­lo dis­ku­tiert wird, taucht der Name Fuli­g­ni dage­gen nur sel­ten auf. Die Kennt­nis von den Wei­nen die­ses Anbau­ge­biets ist bei deut­schen Wein­jour­na­lis­ten noch unter­ent­wi­ckelt. Sie klam­mern sich sicher­heits­hal­ber an bekann­te Namen. Deut­sche Wein­händ­ler haben Fuli­g­ni trotz­dem ent­deckt. So ist der Wein in Deutsch­land rela­tiv gut ver­tre­ten. Und wie das Bei­spiel des schleswig-holsteinischen Poli­ti­kers von B. zeigt, schei­nen auch pri­va­te Wein­lieb­ha­ber schnell zu mer­ken, dass sie hier einen nicht all­täg­li­chen Bru­nel­lo vor sich haben.

Das Wein­gut, das ihn erzeugt, gehört zu stil­len Erzeu­gern von Mon­tal­ci­no. Ere­di Fuli­g­ni heißt es, was wört­lich bedeu­tet: die Erben von Fuli­g­ni. Es gehört den Nach­kom­men einer aus Vene­dig stam­men­den Fami­lie, die seit gut hun­dert Jah­ren in Mon­tal­ci­no ansäs­sig ist. Der­zei­ti­ge Besit­ze­rin ist Maria Flo­ria Fuli­g­ni, eine älte­re Dame und pro­mo­vier­te Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin, die in einem klei­nen Palaz­zo aus Medici-Zeit mit­ten im mit­tel­al­ter­li­chen Städt­chen Mon­tal­ci­no lebt.

Für den Wein ist ein Jura-Professor zuständig

Das Wein­gut selbst befin­det sich drau­ßen vor der Stadt. Ver­ant­wort­lich für den Wein ist ihr Nef­fe und Mit­be­sit­zer Rober­to Guer­ri­ni Fuli­g­ni. Ein End­vier­zi­ger, Pro­fes­sor für Straf­recht an der Uni­ver­si­tät Sie­na, Musik­lieb­ha­ber, begeis­ter­ter Kla­vier­spie­ler, Orga­ni­sa­tor von Kon­zer­ten klas­si­scher Musik in sei­nem Wein­gut und in ande­ren Gütern der Gegend, zu denen unter ande­rem Musi­ker der Ber­li­ner Phil­har­mo­ni­ker aufspielen.

Guer­ri­ni hat kla­re Vor­stel­lun­gen von einem Bru­nel­lo, die er kon­se­quent, aber geräusch­los umsetzt. Im Wein­berg hat er den Sangiovese-Klon R 23 gepflanzt, der klei­ne, locker­be­er­i­ge Trau­ben mit dicker Scha­le lie­fert. Zur Kel­ler­ar­beit kann er nur soviel sagen, dass sein Bru­nel­lo in mit­tel­gro­ßen 20-Hektoliter-Fässern aus­ge­baut wird. Ande­rer­seits ist Guer­ri­ni nicht vom Ehr­geiz zer­fres­sen, den bes­ten Wein von Mon­tal­ci­no zu pro­du­zie­ren – im Gegen­satz zu man­chem sei­ner orts­an­säs­si­gen Kollegen.

Der Fuli­g­ni Bru­nel­lo des Jahr­gangs 2006, der augen­blick­lich auf dem Markt ist, über­steigt den 2004er noch. Er ist von der glei­chen Ele­ganz und Klar­heit, aber etwas kräf­ti­ger. „Einer der Stars des Jahr­gangs“, schreibt Anto­nio Gal­lo­ni, Par­kers Italien-Verkoster. James Suck­ling schwärmt: „Kom­plex und sub­til zugleich“. Bei­de geben dem Wein 96 Punk­te – das ent­spricht optisch dem Niveau des 2010 Margaux.

Berühmte Brunello Riserva

Der eigent­li­che Top-Wein von Fuli­g­ni aber ist die Riser­va. Sie gehört immer, wenn sie erzeugt wird, zu den abso­lu­ten Spit­zen von Mon­tal­ci­no. Die 1997er Riser­va war das Bes­te, was ich (und vie­le ande­re) in jenem Jahr in die­ser Kate­go­rie in Mon­tal­ci­no getrun­ken haben. Die 2001er Riser­va ist zumin­dest der größ­te je erzeug­te Bru­nel­lo die­ses Gutes. In Deutsch­land ist er sogar noch auf dem Markt (www.cluesserath.de). Die 2004er Riser­va zu pro­bie­ren, war mir bis­her noch nicht ver­gönnt. Die 2006er, die noch nicht auf der Fla­sche ist, soll wie­der kolos­sal sein.

Übri­gens: Der Preis des Fuligni-Brunello ist nicht prot­zig. Mit knapp 40 Euro liegt er eher im unte­ren im Mit­tel­feld. Der Tages­green­fee eines Syl­ter Golf­clubs ist im Som­mer dop­pelt so hoch.

Bezugwww.weinpalais.de, www.superiore.de, www.50second-finish.de,
www.vinothek-bogenhausen.de, www.cluesserath.de (älte­re Jahrgänge)

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