Die Rekordpreise, die auf Sotheby’s Lafite-Auktion Ende Oktober in Hongkong erzielt wurden, dürften vorerst ein Einzelfall bleiben. Bei einer weiteren Auktion letzte Woche sind sie wieder auf ihr normales Niveau zurückgefallen – ihr normal hohes Niveau. Dennoch glauben alle, dass sie weiter steigen werden. Von Jens Priewe
Langsam werden Details über die Aufsehen erregende Lafite-Auktion am 31. Oktober 2010 in Hongkong bekannt, bei der 190 Lots Chateau Lafite-Rothschild aus 60 Jahrgängen zu Rekordpreisen verauktioniert worden waren, die teilweise 300 Prozent über dem europäischen Niveau lagen.
Nach Angaben deutscher Händler, die in Hongkong Büros besitzen, handelte es sich bei der Auktion um ein Bietergefecht zwischen wenigen chinesischen Geschäftsleuten, die, so wird vermutet, gerade gute Geschäfte gemacht hätten und bei den aus dem Keller von Lafite kommenden Weinen unbedingt zum Zug kommen wollten. Die Preise seien absurd hoch und weder realistisch noch gesund für den Weinmarkt, lautet der Tenor der Kommentare.
Aus den hohen Zuschlagpreisen (z. B. umgerechnet 50.000 Euro für 12 Flaschen 2009 Lafite OHK) sollten jedoch keine Rückschlüsse auf den Marktpreis von Bordeaux im Allgemeinen und Lafite im Besonderen gezogen werden, betont die internationale Weinpresse. Die Weinauktion, die der amerikanische Versteigerer Acker Merrall & Condit’s vor vier Tagen (8. November 2010) in Hongkong durchgeführt hat, verlief schon wesentlich unspektakulärer. Dort wurden zwei Keller von europäischen bzw. chinesischen Sammlern versteigert. Die Weine erzielten niedrigere Preise, als derzeit auf dem europäischen Markt gezahlt werden. Sechs Flaschen 1982er Lafite wurden beispielsweise für umgerechnet 9700 Euro zugeschlagen. Das entspricht einem Flaschenpreis von 1.600 Euro. In London werden 2000 Euro für eine Flasche dieses Weins gezahlt.
Trotzdem betonen Insider, dass derzeit eine Menge Geld im fernöstlichen Markt sei und dass eine große Nachfrage nach Spitzen-Bordeaux aus guten Kellern bestehe. Ein besonderer Fokus liege dabei auf Hongkong, weil dort keine Weinimportsteuer erhoben wird. Erst wenn der Wein ins Landesinnere verbracht wird, werden Steuern (in Höhe von ca. 40 Prozent) fällig.
Schon deshalb sei Hongkong nicht nur ein wichtiger Marktplatz, sondern auch zu einer Genuss-Metropole geworden, in der es zahlreiche Weinbars und Restaurants gäbe, in denen Bordeaux viel und leidenschaftlich gern getrunken werde, berichtet ein großer deutscher Bordeauxhändler und gibt zu, 60 Prozent seiner Bordeaux-Umsätze mittlerweile in Hongkong zu machen.
Auch John Kapon, Inhaber und Auktionator von Acker Merrall & Condit’s, ist laut der englischen Weinfach-Zeitschrift Decanter der Meinung: „Wein ist eine Form von Unterhaltung für wohlhabende Chinesen geworden. Sie haben Spaß daran Wein zu ersteigern und lassen sich beim Bieten von ihrer Begeisterung mitreißen“ – zumindest bei must have-Weinen.
Simon Tam, Weinberater aus Hongkong, sieht große Mentalitätsunterschiede zwischen Weinkonsumenten aus Ost und West. Im Westen, so äußerte er sich gegenüber derselben Zeitschrift, würde teurer Wein selten getrunken, sondern als eine Art Trophäe angesehen, die man Freunden zeigt. In Fernost dagegen würden berühmte Wein unabhängig vom Preis konsumiert und getrunkene Flaschen sofort ersetzt: „Nicht-Chinesen“, wird er zitiert, „haben Schwierigkeiten, die Motive chinesischer Weintrinker zu verstehen.“