Cheval Blanc vs. Ausone: 2012 – klassisch, aber auch gut?

Pierre Lurton von Château Cheval Blanc spricht von 2012 als einem „klassischen Jahrgang von hoher Qualität“. Pauline Vauthier von Château Ausone nennt den Jahrgang „klassisch, aber nicht aufregend“. Gleicher Sachverhalt, unterschiedliche Emotionalität. Andrew Black hat mit beiden gesprochen.

inhalt:


Pierre Lur­ton, 53, ist Direk­tor von Châ­teau Che­val Blanc, dem gro­ßen Grand Cru Clas­sé „A“ von St. Emi­li­on mit 73 Hekt­ar Reben, gele­gen auf einem Kies­pla­teau. Er ana­ly­siert den Jahr­gang 2012 mit all sei­nen Stär­ken und Schwä­chen. Sein Fazit: klas­sisch mit mehr Stär­ken als Schwächen.

Lesen Sie wei­ter, was Pau­li­ne Vaut­hi­er, deren Fami­lie das Châ­teau Aus­o­ne besitzt, den ande­ren Grand Cru Clas­sé „A“ von St. Emi­li­on, über den Wein die­ses Jahr­gangs sagt.


Interview Pierre Lurton, Château Cheval Blanc

Andrew Black: Inwie­weit spie­gelt der Jahr­gang 2012 bei Che­val Blanc die Kom­pro­mis­se wider, die wegen des schlech­ten Wet­ters gemacht wer­den mussten?

Pierre Lur­ton: In 2012 war Risi­ko­be­reit­schaft ange­sagt. Wir haben die Trau­ben hän­gen las­sen, damit sie aus­rei­fen kön­nen. Am Ende haben wir sehr gutes Lese­gut eingebracht.

Andrew Black: Bei Mer­lot und bei Caber­net franc?

Pierre Lur­ton: Ja, bei beiden.

Andrew Black: Sind Sie nicht in Panik gera­ten nach den star­ken Regen­fäl­len? Die Caber­net franc muss­te doch um jeden Preis rein…

Pierre Lur­ton: Zwei Din­ge hal­fen uns 2012: unser Ter­ro­ir und unser Mut zu warten.

Andrew Black: Gro­ße Ter­ro­irs kön­nen in Bor­deaux manch­mal schwie­ri­ge Jahr­gän­ge ret­ten. Aber reich­te der Fak­tor Ter­ro­ir in 2012 aus?

Pierre Lur­ton: Wir muss­ten wäh­rend der Lese täg­lich schwie­ri­ge Ent­schei­dun­gen tref­fen. Sol­len wir die Lese­hel­fer raus­schi­cken? Oder sol­len wir noch ein paar Tage län­ger war­ten? Die Her­aus­for­de­rung war groß. Wir brauch­ten zusätz­li­che Rei­fe, aber hin­ter jedem Regen­tag lau­er­te die Botry­tis. Das Wis­sen, dass wir einen Gär­kel­ler mit vie­len Gär­be­häl­tern haben, in denen wir auch klei­ne Trau­ben­par­tien sepa­rat ver­gä­ren kön­nen, bestärk­te uns letzt­lich in der Ent­schei­dung, die Trau­ben hän­gen zu las­sen. Wie gesagt, eine ris­kan­te Stra­te­gie. Aber die hohe Qua­li­tät des 2012er Che­val Blanc ist die­ser Risiko-Strategie und der Magie unse­res Ter­ro­irs zu verdanken.

Andrew Black: 2012 war ein Merlot-Jahr. Hat die­ser Umstand Ein­fluss auf den Anteil der Caber­net franc gehabt?

Pierre Lur­ton: Ja, ein biss­chen. Der Che­val Blanc besteht in die­sem Jahr zu 56 Pro­zent Mer­lot und 44 Pro­zent Caber­net franc. (Anm.: Nor­ma­ler­wei­se besteht der Che­val Blanc aus je 50 Pro­zent Caber­net franc und Mer­lot). Unser Zweit­wein Petit Che­val besteht aus 70 Pro­zent Caber­net franc.

Andrew Black: Das ist viel…

Pierre Lur­ton: Ja, aber der Petit Che­val ist groß­ar­tig in 2012. Er ist voll­ge­packt von fri­scher, dunk­ler Bee­ren­frucht, schwar­zen Johan­nis­bee­ren und Süß­kir­sche… und die Tex­tur ist wun­der­bar. Kei­ne grü­nen Noten. Die Caber­net franc war reif.

Andrew Black: Es heißt, 2012 hat eher leich­te Wei­ne ergeben?

Pierre Lur­ton: Viel­leicht für Caber­net Sauvignon-Châteaux, weil die­se Sor­te am spä­tes­ten von allen reift. Aber nicht bei uns. Selbst der Petit Che­val zeich­net sich durch Power und straf­fes Tan­nin aus.

Andrew Black: Sie haben von hoher Qua­li­tät gespro­chen. Ist der Wein wirk­lich so gut?

Pierre Lur­ton: Ich hal­te ihn für gut. Auf jeden Fall ein wei­te­rer klas­si­scher Jahr­gang, das ist sicher. Er ist ein biss­chen wie 1998 und 2001. Der Che­val Blanc ist auf jeden Fall langlebig.

Andrew Black: Gilt das auch für Bor­deaux insgesamt?

Pierre Lur­ton: Bor­deaux ist in 2012 unein­heit­lich. Am rech­ten Ufer bes­ser als am lin­ken, wegen der ande­ren Trau­ben­zu­sam­men­set­zung der Wei­ne und des früh rei­fen­den Ter­ro­irs. Es ist ein Jahr für gro­ße Ter­ro­irs mit kal­tem, leh­mi­gen Unter­bo­den, nicht aber für san­di­ge Böden ohne Lehmanteil.

Andrew Black: Wie gut sind die ande­ren Top-Weine auf gro­ßem Ter­ro­ir gelungen?

Pierre Lur­ton: Es geht in 2012, wie ich gesagt habe, nicht nur ums Ter­ro­ir. Es geht auch um die rich­ti­ge Stra­te­gie bei der Vini­fi­ka­ti­on. Wer auf Über­rei­fe gesetzt hat, wer alles aus den Scha­len her­aus­ho­len woll­te, wer zu viel Holz ein­ge­setzt hat, der ist Gefahr gelau­fen, die Fri­sche und den Frucht­cha­rak­ter des Jahr­gangs 2012 zu ver­lie­ren. Um die rich­ti­ge Balan­ce zu fin­den, muss­te man Kom­pro­mis­se machen.

Bewertungen 2012 Cheval Blanc


Robert Par­ker: 94-96/100 Punkte
Wine Spec­ta­tor: 94-97/100 Punkte
James Suck­ling: 93-94/100 Punkte
Jan­cis Robin­son: 18,5/100 Punkte
Preis: ab 400 Euro/Subskription

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Interview Pauline Vauthier, Château Ausone

Pau­li­ne Vaut­hi­er, 30, ist Wine­ma­ker und zusam­men mit ihrem Vater Alain Co-Direktorin von Châ­teau Aus­o­ne. Mit nur 7,3 Hekt­ar Reben, gele­gen am Ran­de eines Kalk­pla­teaus bei St. Emi­li­on, ist Aus­o­ne wesent­lich klei­ner als Che­val Blanc. Vaut­hiers Fazit des Jahr­gangs 2012 ähnelt dem ihres Kol­le­gen Pierre Lur­ton: ein „klas­si­scher“ Jahr­gang. Inter­es­sant ist aller­dings ihr Zusatz: „…aber nicht aufregend“.

Andrew Black: Der Blend für den 2012er Châ­teau Aus­o­ne ist fer­tig. Wie gut ist der Jahr­gang geworden?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Er ist okay, aber ins­ge­samt kein gro­ßer Jahrgang.

Andrew Black: Ich hät­te ver­mu­tet, Sie sagen: ein tol­ler Jahrgang…?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Wir in Bor­deaux wer­den oft kri­ti­siert, weil wir die neu­en Jahr­gän­ge hypen. Ich sage, wie es ist.

Andrew Black: Ist der 2012er wie der 2011er?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Die Qua­li­tät ist ver­gleich­bar. Es fehlt ihm ein biss­chen an Fleisch. Wir haben uns in der Wein­be­rei­tungs­pha­se mit der Extrak­ti­on zurück­ge­hal­ten, um die schö­ne Frucht nicht kaputt­zu­ma­chen. Es wäre ris­kant gewe­sen zu ver­su­chen, ihm mehr Kör­per zu geben, weil die Trau­ben nicht mehr her­ga­ben. Wir haben die Mai­sche daher sel­te­ner über­ge­pumpt und weni­ge Deles­ta­ges gemacht (Anm.: Oxi­ge­nie­ren der Mai­sche und des Weins, um har­tes Tan­nin wei­cher zu machen).

Andrew Black: 2012 ist aber kein schlech­tes Jahr, oder?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: 2012 und 2011 sind klas­si­sche, aber kei­ne auf­re­gen­den Jahr­gän­ge. Der 2011er hat sich im Fass ver­bes­sert. Ich hof­fe, der 2012er ver­bes­sert sich auch.

Andrew Black: Aber 2012 ist weit ent­fernt von den Super-Jahrgängen 2009 und 2010?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: In 2009 und 2010 waren die Trau­ben super­reif, jetzt sind sie voll­reif. Wir haben uns auf Aus­o­ne dar­auf kon­zen­triert, den Caber­net franc schnell, gesund und reif in den Kel­ler zu krie­gen. Jede Trau­be wur­de extrem sorg­fäl­tig geprüft, so dass das, was letzt­lich in den Gär­tank wan­der­te, völ­lig frei von Fäu­le war. Aber zuge­ge­ben, der Caber­net franc hät­te schon ein wenig rei­fer sein kön­nen… Der Mer­lot war dafür super.

Andrew Black: Haben Sie die Mischungs­ver­hält­nis­se im Blend von Aus­o­ne verändert?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Ich hat­te 2012 mit einer grö­ße­ren Caber­net franc-Ernte geplant, aber nach­dem wir unser Lese­gut sor­tiert und ver­le­sen hat­ten, haben wir uns ent­schlos­sen, unse­re nor­ma­len Mischungs­ver­hält­nis­se beizubehalten.

Andrew Black: Sehen Sie mal von 2011 ab: An wel­che frü­he­ren Jahr­gän­ge erin­nert Sie der 2012er?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Ich ver­glei­che nicht ger­ne die Jahr­gän­ge, weil jeder Jahr­gang anders ist. Aber ich ver­mu­te, der 2012er ist so ähn­lich wie der 2007er.

Andrew Black: Ein früh­rei­fer Jahr­gang also…?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Davon bin ich über­zeugt, ja.

Andrew Black: Sie haben gesagt, der 2011er habe sich im Fass posi­tiv ent­wi­ckelt. Wird der 2012 auch mit so viel Eiche fertig?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Die Eiche ist total inte­griert. Sie hat kaum Spu­ren hinterlassen.

Andrew Black: Bei 100 Pro­zent neu­er Eiche?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Wir auf Aus­o­ne haben unser Kon­zept dies­be­züg­lich ver­än­dert. Wir haben in 2012 nicht 100 Pro­zent neue Eiche ver­wen­det, son­dern nur 85 Prozent.

Andrew Black: Wird das auch für die Zukunft gelten?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Wir expe­ri­men­tie­ren schon seit eini­ger Zeit mit weni­ger Holz. Eini­ge Male haben wir bes­se­re Ergeb­nis­se erzielt mit gebrauch­ten als mit neu­en Fäs­sern. In den kom­men­den Jah­ren wer­den wir den Neu­holz­an­teil auf 65 Pro­zent herunterfahren.

Andrew Black: Die Wein­trin­ker sind nicht mehr so ver­rückt nach dem Geschmack von neu­em Holz, wie sie es frü­her waren?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Der Geschmack hat sich geän­dert. Kräf­ti­ger Eichen­holz­ge­schmack ist nicht mehr angesagt.

Andrew Black: Wird der 2012er bil­li­ger sein als der 2011er?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Wenn er bil­li­ger wird, dann nicht wegen gerin­ge­rer Qua­li­tät. Der 2012er ist, wie gesagt, genau­so gut wie der 2011er. Aber der Markt drückt auf die Preise.

Andrew Black: Spürt auch Aus­o­ne den Druck?

Pau­li­ne Vaut­hi­er: Der Négo­çe in Bor­deaux hat sehr hohe Prei­se für den 2010er gezahlt, und die Lager sind noch ziem­lich voll. Der 2011er hat sich noch schlech­ter ver­kauft – Gerüch­ten zufol­ge lie­gen noch 80 Pro­zent der Wei­ne die­ses Jahr­gangs unver­kauft in Bor­deaux. Der Markt erwar­tet also einen Preis­nach­lass. Den hät­ten wir ver­mut­lich selbst dann bekom­men, wenn der 2012er ein gro­ßer Jahr­gang gewor­den wäre. Wir auf Aus­o­ne spü­ren den Druck aber nicht ganz so stark. Wir glau­ben, dass die Nach­fra­ge nach unse­rem Wein gleich bleibt. In den letz­ten Jah­ren sind die Din­ge für uns ja sehr gut gelau­fen. Ich hof­fe, das bleibt so.


Bewertungen des Jahrgangs 2012

Robert Par­ker: 95-97/100 Punkte
James Suck­ling: 94-95/100 Punkte
René Gabri­el: 18/20 Punkte
Preis: ab 500 Euro

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