Château Pontet-Canet: Mit 4 PS zur Spitze

Pferdestaerken im Weinberg von Chateau Pontet-Canet
Die Weine von Château Pontet-Canet waren die große Überraschung der letzten Jahre in Bordeaux. Sie haben einen nicht für möglich gehaltenen Qualitätssprung gemacht. Und die Preise haben schon nachgezogen. Ulrich Sautter ist dem Phänomen auf den Grund gegangen. So viel sei verraten: Vier Pferde spielen eine Rolle.

Châ­teau Pontet-Canet und sei­ne 80 Hekt­ar Wein­ber­ge lie­gen in pri­vi­le­gier­ter Nach­bar­schaft. Im Wes­ten schlie­ßen sich Wein­ber­ge an, die den Car­ru­a­des de Châ­teau Lafite her­vor­brin­gen, den zwei­ten Wein von Châ­teau Lafite-Rothschild. Nach Nor­den hin erstreckt sich der Besitz von Mou­ton Roth­schild. Zu ähn­li­chem Ruhm und Erst­klas­sig­keit brach­te es Pontet-Canet frei­lich nicht: 1855 wur­de das Gut als fünfran­gig  klas­si­fi­ziert. Doch schon 1874, also kaum 20 Jah­re spä­ter, kon­sta­tier­ten die Autoren Cocks und Féret: „Der Cru von Pontet-Canet steht an der Spit­ze der 5ièmes Crus des Médoc. (…) Sei­ne Wei­ne erzie­len übli­cher­wei­se einen Auf­schlag auf den Preis der ande­ren cin­quiè­mes crus.”

Etikett Château Pontet-Canet

Heu­te ist Pontet-Canet mit Abstand der bes­te Cru unter den fünf­t­ran­gi­gen Gewäch­sen. Wer den Parker-Bewertungen Glau­ben schenkt, muss davon aus­ge­hen, dass der Wein die­ses Châ­teau im Jahr­gang 2010 bes­ser ist als der von Cha­teau Mar­gaux und fast genau so gut wie der von Mouton-Rothschild. Auch erzielt Pontet-Canet mit rund 150 Euro pro Fla­sche nicht nur einen klei­nen Auf­schlag gegen­über sei­nen Mit­be­wer­bern. Er ist allen ande­ren Cin­quiè­mes preis­lich weit enteilt.

Auf den Boden kommt es an

Auch ande­re Wein­zeit­schrif­ten und Kri­ti­ker stel­len die her­aus­ra­gen­de Qua­li­tät des 2010er Pontet-Canet nicht in Abre­de. Schon 2009 und 2008 hat­te das Châ­teau denk­wür­di­ge Wei­ne gemacht, die min­des­tens auf dem Niveau der Deu­xiè­mes waren. Sein 2005er ist gera­de­zu legen­där. Es stellt sich also die Fra­ge, was pas­siert ist, dass die­ses wein­bergs­mä­ßig gro­ße, qua­li­ta­tiv aber so lan­ge nach­ran­gi­ge Châ­teau plötz­lich einen der­art auf­fäl­li­gen Sprung an die Spit­ze tun konnte.

Alfred und Melanie Tesseron

In Bor­deaux hän­ge alles vom Boden ab, sagen die Fach­leu­te. Die­ses Wort gilt auch für Pontet-Canet – aller­dings in einem ande­ren Sin­ne, als die Fach­leu­te es nor­ma­ler­wei­se meinen.

Doch der Rei­he nach. Zunächst ein­mal büß­te das Châ­teau sei­nen Vor­sprung ein, den es Ende des 19. Jahr­hun­derts gegen­über den ande­ren gleich­klas­si­fi­zier­ten Gewäch­sen besaß. Spä­tes­tens nach dem Zwei­ten Welt­krieg hat­ten sich Lynch Bages und Grand Puy Lacos­te als Pau­il­lacs füh­ren­de 5ièmes Crus eta­bliert. Der Ruf Pontet-Canets war der eines dau­er­haft unter sei­nen Mög­lich­kei­ten blei­ben­den Wein­guts. Das änder­te sich zunächst auch nicht, als die Fami­lie Tes­se­ron – ursprüng­lich und bis zum heu­ti­gen Tag vor allem im Cognac-Handel tätig – Pontet-Canet im Jahr 1975 kauf­te. Zunächst begann Guy Tes­se­ron, der Vater des heu­ti­gen Inha­bers, einen gro­ßen Teil des Wein­bergs neu anzu­le­gen. Dann wur­de auch der Kel­ler reno­viert. 1986 ließ Tes­se­ron statt der alten höl­zer­nen Gär­bot­ti­che moder­ne Edelstahl-Gärbehälter installieren.

Vom Edelstahl zurück zum Holz

Edelstahltanks, Chateau Pontet-Canet

Der Nei­gung des Pontet-Canet zu sprö­den Gerb­stof­fen, die sich auch mit der Fla­schen­rei­fe nicht ver­fei­nern, wur­de durch die­se Maß­nah­men kein Rie­gel vor­ge­scho­ben. Im Gegen­teil. So kehr­te das Châ­teau schon zehn Jah­re spä­ter – nur kur­ze Zeit, nach­dem Alfred Tes­se­ron die Geschäf­te aus der Hand sei­nes Vaters über­nom­men hat­te – zu den alten Gär­be­hält­nis­sen aus Holz zurück. Und auch zu sol­chen aus Zement. Zement führt wäh­rend der Gärung einen natür­li­chen Tem­pe­ra­tur­aus­gleich her­bei. Der Ein­satz der tech­ni­schen Tem­pe­ra­tur­kon­trol­le ist nur im Aus­nah­me­fall not­wen­dig. Am Ende der neun­zi­ger Jah­re begann Pontet-Canet immer­hin ers­te Lebens­zei­chen zu sen­den – wirk­lich begeis­ternd waren die Wei­ne aber nach wie vor nicht.

Hölzerne Gärbottiche, Chateau Pontet-Canet

Um das Jahr 2004 her­um kur­sier­ten Gerüch­te, dass auf Pontet-Canet die biologisch-dynamische Bewirt­schaf­tung erprobt wer­de. Im ohne­hin guten Jahr­gang 2005 gelang ganz uner­war­tet ein spek­ta­ku­lä­rer Wein. Plötz­lich fokus­sier­te sich die Auf­merk­sam­keit der Bordeaux-interessierten Öffent­lich­keit immer mehr auf einen Mann, der bis anhin eher im Stil­len gewirkt hat­te: Jean-Michel Com­me, den Guts­ver­wal­ter in Diens­ten Alfred Tesserons.

Suche nach Oldtimer-Traktoren

Jean-Michel Comme

Com­me hat­te das Amt des Regis­seurs auf Pontet-Canet im Jahr 1995 über­nom­men. Schon bald erkann­te er, dass ein wesent­li­ches Pro­blem die­ses Châ­teaus im Boden lag, und zwar in des­sen Ver­dich­tung. Dem begann Com­me zunächst mit kurio­sen Maß­nah­men ent­ge­gen zu wir­ken: Auf Land­ma­schi­nen­bör­sen begann er nach alten Trak­to­ren zu suchen. Denn die moder­nen Model­le, die auf Pontet-Canet damals ver­wen­det wur­den, waren regel­rech­te High-Tech-Boliden: voll­ge­stopft mit Elek­tro­nik, ton­nen­schwer. Mit ihrem Gewicht übten sie bei ihrer Fahrt durch den Wein­berg einen so star­ken Druck auf den Boden aus, dass aller Sau­er­stoff und damit alles Leben aus dem Boden ver­schwand. Com­me ver­kauf­te die moder­nen Maschi­nen und ließ an ihrer Stel­le Old­ti­mer antre­ten: Trak­to­ren aus den sieb­zi­ger Jah­ren, die damals ohne tech­ni­schen Schnick­schnack aus­ka­men und also viel leich­ter waren.

Wie ließ sich das Boden­le­ben akti­vie­ren? Mit die­ser Fra­ge im Kopf habe sich, so wird Com­me nicht müde zu erklä­ren, die Ent­wick­lung hin zur bio­dy­na­mi­schen Wirt­schafts­wei­se fast von selbst erge­ben. Aller­dings bedurf­te es viel Über­zeu­gungs­ar­beit. Denn im Bor­de­lais, zumal am aris­to­kra­ti­schen lin­ken Ufer, blick­te man lan­ge Zeit skep­tisch nach Bur­gund und ins Elsass mit sei­nen eso­te­risch anmu­ten­den bio­dy­na­mi­schen Bewegungen.

Biodynamie erklärungsbedürftig

Doch Com­me war für Recht­fer­ti­gungs­re­den gut gerüs­tet, denn er konn­te auf eige­ne Erfah­run­gen zurück­grei­fen. Gemein­sam mit sei­ner Frau Corin­ne führt er auch ein eige­nes Wein­gut, Châ­teau Champ des Treil­les in der ent­le­ge­nen AOC Sainte-Foy Bor­deaux. Dort begann er 2001 mit bio­dy­na­mi­schem Anbau zu expe­ri­men­tie­ren. Die ers­ten Resul­ta­te waren so gut, dass bereits 2004 die gesam­te Flä­che auf Bio­dy­na­mik umge­stellt war.

Chateau Pontet-Canet

 

Auf Pontet-Canet dau­er­te die­ser Schritt etwas län­ger. Denn wäh­rend der mas­si­ven Mehltau-Attacken des Som­mers 2007 beschloss Alfred Tes­se­ron, die bio­dy­na­mi­sche Behand­lung abzu­bre­chen und wie­der syn­the­ti­sche Fun­gi­zi­de zu sprit­zen. Eine Maß­nah­me, die Tes­se­ron im Nach­hin­ein eher selbst­kri­tisch sieht. Doch 2008 geht das Châ­teau den Weg zur Bio­dy­na­mik wei­ter. Und zwar so kon­se­quent, dass Pontet-Canet seit dem Jahr­gang 2010 zer­ti­fi­ziert wur­de. Die gesam­ten 80 Hekt­ar wer­den seit­dem nach den Prin­zi­pi­en der biologisch-dynamischen Land­wirt­schaft bear­bei­tet. Und auf fast einem Drit­tel der Reb­flä­che – auf 24 Hekt­ar – hin­ter­las­sen auch kei­ne Oldtimer-Traktoren mehr ihre Spu­ren im Lehm-Kies-Gemisch des Bodens. Hier wer­den alle Wein­bergs­ar­bei­ten mit Pfer­den durchgeführt.

Vier Pferde im Stall

Das gibt natür­lich schö­ne Bil­der, und man­cher Nach­bar ver­mu­te­te anfangs einen PR-Coup. Doch auch der Wein pro­fi­tiert von den vier tie­ri­schen Wein­bergs­hel­fern, die heu­te im Stall von Pontet-Canet ste­hen: Noch nie in der jün­ge­ren Geschich­te des Châ­teau ver­füg­te der Wein von Pontet-Canet über eine so war­me, fül­li­ge Frucht und noch nie über so rei­fen, mol­li­gen Gerb­stoff wie in den letz­ten Jah­ren. Die Kri­ti­ker haben das erkannt, die Märk­te ent­spre­chend reagiert.

Chateau Pontet-Canet: Lese 2010

So ist Pontet-Canet ein Mus­ter­bei­spiel dafür, wie  sich ein Wein dra­ma­tisch ver­bes­sern kann, ohne dass sich die Besitz­ver­hält­nis­se des Châ­teau ändern müs­sen. Gema­nagt wor­den war die­ser 5ième Cru auch schon vor­her gut. Und die Wein­ber­ge befin­den sich noch immer an den glei­chen Stel­len wie in den Jahr­zehn­ten vor­her. Nur der Boden ist heu­te nicht mehr der glei­che. Und in Bor­deaux kommt es, wie oben gesagt, immer auf den Boden an.

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