Die Geschichte von Chat Sauvage ist oft erzählt worden, auch wir auf Weinkenner haben schon darüber berichtet. Sie geht zurück auf die Burgunderleidenschaft des Hamburger Unternehmers Günter Schulz. Wie so viele Weinfreunde träumte der (heute) 78-Jährige davon, Spitzenweine nicht nur zu trinken, sondern selber zu erzeugen. Der Unterschied zwischen Schulz und den meisten anderen Weinfreunden: Schulz hat einen sagenhaften Weinkeller, dessen Inhalt er vor einigen Jahren bei einer Versteigerung teilweise zu Geld machte, das er dann in den Aufbau seines eigenen Weinguts steckte.
Verena Schöttle: eine Schwäbin im Rheingau
In den ersten Jahren machte Schulz seinen Wein noch aus zugekauften Trauben. Dann erwarb er nach und nach Weinberge von Lorch bis Oestrich-Winkel. Die Weine wurden damals im Keller der Schamari-Mühle gekeltert. Erst im Jahr 2010 war der eigene Kellerneubau bezugsfertig. Schon beim Blick auf die moderne Architektur ist klar, dass sich hier jemand nicht in der Tradition des Rheingaus sieht. Der rote Kubus aus Beton und Stahl hebt sich so stark von den traditionellen Gütern aus Fachwerk und Buntsandstein ab, wie es nur geht. Und in ihr wirkt eine Schwäbin: Verena Schöttle, 37, aus Tübingen. Sie ist die Betriebsleiterin. Über ihre Weine hat der Blogger Axel Biesler geschrieben: „Im Rheingau hat ja einst August Kesseler die Spätburgunderrevolution in die Wege geleitet. Aber er macht einen anderen Stil. In punkto Feinheit und Filigranität steht Chat Sauvage dem Burgund heute näher. Als Quereinsteiger hat man natürlich den Vorteil, ungebunden zu sein. Man hat keine Seilschaften, die natürlich auch ein Klotz am Bein sein können. Das ist im Rheingau manchmal ein Problem. Auf ihrem Weg an die Spitze ist Chat Sauvage schon ziemlich weit gekommen, die Weine spielen der Liga Burgund mit.“
Dirk Würtz: „Untypisch für Deutschland“
Günter Schulz, der Eigentümer, lässt Schöttle freie Hand. Er kommt etwa alle vier Wochen vorbei. Solange die Weine top sind und sich alles im wirtschaftlichen Rahmen bewegt, kann Schöttle machen, was sie will. Und das tut sie selbstbewusst und mit großem Respekt vor ihrem Arbeitgeber. „Wenn ich mit 78 Jahren noch so fit und geistig beweglich bin wie er, dann bin ich froh“, sagt sie.
Das Weingut hat inzwischen 8,5 Hektar Weinbergsfläche, die sich auf fast 40 Parzellen aufteilen. 75 Prozent davon ist mit Pinot Noir bepflanzt, der Rest mit Chardonnay. Jede Parzelle wird separat gelesen und kommt einzeln im Keller an. „So kann ich wunderbar mit den verschiedenen Lagen spielen“, sagt Schöttle. Egal ob Gutswein oder Spitzenwein, alles liegt etwa zwei Jahre in Barriques: medium getoastet und meist ein paar Jahre alt.
Für Dirk Würtz, Betriebsleiter bei Balthasar Ress in Hattenheim und ebenfalls Blogger, ist Chat Sauvage ein für das Rheingau und für Deutschland untypischer, aber spannender Wein: „Deutsche Pinots sind ja oft dieses Schoko-Röst-Kokos-Zeug mit viel Alkohol und wenig Säure. Die Weine von Chat Sauvage aber haben immer diese Kühle, sind nie überreif. Außerdem mag ich den enormen Zug, den das Zeug hat. Das ist schon sehr untypisch für Deutschland, dieses nicht zu fette, sehr auf der mineralischen Seite. Auch dass die Weine Zeit brauchen, ist etwas, das ich mag.“
Wilhelm Weil: „Die Zielsetzung ist burgundisch“
Schöttle hat nach dem Abitur erstmal eine Winzerlehre gemacht und dann in Geisenheim studiert. Nach Lehr- und Wanderjahren kam sie vor ein paar Jahren zu Chat Sauvage, zuerst im Außenbereich, jetzt als Betriebsleiterin. Dort will sie nun erstmal bleiben. „Denn eigentlich kann ich das Weingut führen, als ob es mein eigenes wäre.“
Ob burgundisch oder nicht – sie hat ihre eigenen Vorstellungen von einem guten Pinot Noir. Und wenn die nicht immer kongruent mit denen anderer Rheingauer Spätburgunder-Winzer sind, stört sie das wenig. Die Einordnung überlässt sie anderen. Wilhelm Weil, VDP-Vorsitzender im Rhein, sagt über die Weine von Chat Sauvage zum Beispiel: „Es geht hier im Rheingau nicht um eine Kopie des Burgund. Die Winzer machen einen Rheingauer Pinot Noir mit gewissen Eckpunkten, was die Auswahl der Klone oder den Zeitpunkt der Lese angeht. Trotzdem ist die Zielrichtung von Chat Sauvage burgundisch, der klassische Stil. Sie machen dort Weine mit hohem Ausdruck, viel Identität und Profil und das mit sehr hoher Qualität. Die Weine sind nicht überbordend und nicht überladen, sondern sehr ausgefeilt. Sowohl bei den Rot- als auch bei den Weißweinen gehören sie zu den besten in der Region.“
Bleibt also nur noch eins: die Weine zu probieren.
Weingut Chat Sauvage
Hohlweg 23
65366 Geisenheim/Johannisberg
Telefon: +49 6722 9372 5 86
Telefax: +49 6722 9372 5 88
E-Mail: pinot@chat-sauvage.de
www.chat-sauvage.de
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