Chat Sauvage: noch Spätburgunder oder schon Pinot Noir?

Spätburgunder aus Deutschland ist für viele Rotweintrinker immer noch ein heikles Thema. Aber haben Sie mal die Weine von Chat Sauvage aus dem Rheingau probiert? Sie sind eher burgundisch als deutsch und heißen auch so: Pinot Noir. Ein Deutungsversuch von Patrick Hemminger.

Die Geschich­te von Chat Sau­va­ge ist oft erzählt wor­den, auch wir auf Wein­ken­ner haben schon dar­über berich­tet. Sie geht zurück auf die Bur­gun­der­lei­den­schaft des Ham­bur­ger Unter­neh­mers Gün­ter Schulz. Wie so vie­le Wein­freun­de träum­te der (heu­te) 78-Jährige davon, Spit­zen­wei­ne nicht nur zu trin­ken, son­dern sel­ber zu erzeu­gen. Der Unter­schied zwi­schen Schulz und den meis­ten ande­ren Wein­freun­den: Schulz hat einen sagen­haf­ten Wein­kel­ler, des­sen Inhalt er vor eini­gen Jah­ren bei einer Ver­stei­ge­rung teil­wei­se zu Geld mach­te, das er dann in den Auf­bau sei­nes eige­nen Wein­guts steckte.

Verena Schöttle: eine Schwäbin im Rheingau

Verena Schöttle
Vere­na Schöttle

In den ers­ten Jah­ren mach­te Schulz sei­nen Wein noch aus zuge­kauf­ten Trau­ben. Dann erwarb er nach und nach Wein­ber­ge von Lorch bis Oestrich-Winkel. Die Wei­ne wur­den damals im Kel­ler der Schamari-Mühle gekel­tert. Erst im Jahr 2010 war der eige­ne Kel­ler­neu­bau bezugs­fer­tig. Schon beim Blick auf die moder­ne Archi­tek­tur ist klar, dass sich hier jemand nicht in der Tra­di­ti­on des Rhein­gaus sieht. Der rote Kubus aus Beton und Stahl hebt sich so stark von den tra­di­tio­nel­len Gütern aus Fach­werk und Bunt­sand­stein ab, wie es nur geht. Und in ihr wirkt eine Schwä­bin: Vere­na Schött­le, 37, aus Tübin­gen. Sie ist die Betriebs­lei­te­rin. Über ihre Wei­ne hat der Blog­ger Axel Bies­ler geschrie­ben: „Im Rhein­gau hat ja einst August Kes­se­ler die Spät­bur­gun­der­re­vo­lu­ti­on in die Wege gelei­tet. Aber er macht einen ande­ren Stil. In punk­to Fein­heit und Fili­gra­ni­tät steht Chat Sau­va­ge dem Bur­gund heu­te näher. Als Quer­ein­stei­ger hat man natür­lich den Vor­teil, unge­bun­den zu sein. Man hat kei­ne Seil­schaf­ten, die natür­lich auch ein Klotz am Bein sein kön­nen. Das ist im Rhein­gau manch­mal ein Pro­blem. Auf ihrem Weg an die Spit­ze ist Chat Sau­va­ge schon ziem­lich weit gekom­men, die Wei­ne spie­len der Liga Bur­gund mit.“

Dirk Würtz: „Untypisch für Deutschland“

Gün­ter Schulz, der Eigen­tü­mer, lässt Schött­le freie Hand. Er kommt etwa alle vier Wochen vor­bei. Solan­ge die Wei­ne top sind und sich alles im wirt­schaft­li­chen Rah­men bewegt, kann Schött­le machen, was sie will. Und das tut sie selbst­be­wusst und mit gro­ßem Respekt vor ihrem Arbeit­ge­ber. „Wenn ich mit 78 Jah­ren noch so fit und geis­tig beweg­lich bin wie er, dann bin ich froh“, sagt sie.

Das Wein­gut hat inzwi­schen 8,5 Hekt­ar Wein­bergs­flä­che, die sich auf fast 40 Par­zel­len auf­tei­len. 75 Pro­zent davon ist mit Pinot Noir bepflanzt, der Rest mit Char­don­nay. Jede Par­zel­le wird sepa­rat gele­sen und kommt ein­zeln im Kel­ler an. „So kann ich wun­der­bar mit den ver­schie­de­nen Lagen spie­len“, sagt Schött­le. Egal ob Guts­wein oder Spit­zen­wein, alles liegt etwa zwei Jah­re in Bar­ri­ques: medi­um getoas­tet und meist ein paar Jah­re alt.

Für Dirk Würtz, Betriebs­lei­ter bei Bal­tha­sar Ress in Hat­ten­heim und eben­falls Blog­ger, ist Chat Sau­va­ge ein für das Rhein­gau und für Deutsch­land unty­pi­scher, aber span­nen­der Wein: „Deut­sche Pinots sind ja oft die­ses Schoko-Röst-Kokos-Zeug mit viel Alko­hol und wenig Säu­re. Die Wei­ne von Chat Sau­va­ge aber haben immer die­se Küh­le, sind nie über­reif. Außer­dem mag ich den enor­men Zug, den das Zeug hat. Das ist schon sehr unty­pisch für Deutsch­land, die­ses nicht zu fet­te, sehr auf der mine­ra­li­schen Sei­te. Auch dass die Wei­ne Zeit brau­chen, ist etwas, das ich mag.“

Wilhelm Weil: „Die Zielsetzung ist burgundisch“

Schött­le hat nach dem Abitur erst­mal eine Win­zer­leh­re gemacht und dann in Gei­sen­heim stu­diert. Nach Lehr- und Wan­der­jah­ren kam sie vor ein paar Jah­ren zu Chat Sau­va­ge, zuerst im Außen­be­reich, jetzt als Betriebs­lei­te­rin. Dort will sie nun erst­mal blei­ben. „Denn eigent­lich kann ich das Wein­gut füh­ren, als ob es mein eige­nes wäre.“

Der neue Keller von Chat Sauvage
Der neue Kel­ler von Chat Sauvage

Ob bur­gun­disch oder nicht – sie hat ihre eige­nen Vor­stel­lun­gen von einem guten Pinot Noir. Und wenn die nicht immer kon­gru­ent mit denen ande­rer Rhein­gau­er Spätburgunder-Winzer sind, stört sie das wenig. Die Ein­ord­nung über­lässt sie ande­ren. Wil­helm Weil, VDP-Vorsitzender im Rhein, sagt über die Wei­ne von Chat Sau­va­ge zum Bei­spiel: „Es geht hier im Rhein­gau nicht um eine Kopie des Bur­gund. Die Win­zer machen einen Rhein­gau­er Pinot Noir mit gewis­sen Eck­punk­ten, was die Aus­wahl der Klo­ne oder den Zeit­punkt der Lese angeht. Trotz­dem ist die Ziel­rich­tung von Chat Sau­va­ge bur­gun­disch, der klas­si­sche Stil. Sie machen dort Wei­ne mit hohem Aus­druck, viel Iden­ti­tät und Pro­fil und das mit sehr hoher Qua­li­tät. Die Wei­ne sind nicht über­bor­dend und nicht über­la­den, son­dern sehr aus­ge­feilt. Sowohl bei den Rot- als auch bei den Weiß­wei­nen gehö­ren sie zu den bes­ten in der Region.“

Bleibt also nur noch eins: die Wei­ne zu probieren.


Wein­gut Chat Sauvage
Hohl­weg 23
65366 Geisenheim/Johannisberg
Tele­fon: +49 6722 9372 5 86
Tele­fax: +49 6722 9372 5 88
E-Mail: pinot@chat-sauvage.de
www.chat-sauvage.de


1 Kommentar

  • […] sind eher burgun­disch als deutsch und hei­ßen auch so: Pinot Noir. Ein Deutungs­ver­such von Patrick […]

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