In Alfons Schubecks Weinkeller am Münchener Platzl wurde es eng. Gastronomen, Weinliebhaber, Weinhändler mussten zusammenrücken, damit alle etwas abbekamen. Anlaß: die Vorstellung der neuen Jahrgänge von Caymus Vineyards durch Chuck Wagner, den ebenso liebenswürdigen wie hemdsärmeligen Besitzer des berühmten Weinguts aus dem Napa Valley. Selbst der holländische Cheftrainer des örtlichen Fußballklubs war sich nicht zu fein, auf Tuchfühlung mit den anderen Weinbegeisterten zu gehen.
Die beiden Cabernet Sauvignon, die Chuck Wagner mitgebracht hatte, erwiesen sich als opulente, vor Frucht fast berstende Weine mit süßem, feinfaserigen Tannin. Der Standard-Cabernet Sauvignon, Caymus’ „Brot- und Butterwein“, von dem über 600 000 Flaschen erzeugt werden, wirkte eine Spur frischer als die Special Selection, die dafür extrakt- und tanninreicher ist. Von ihm produziert Caymus rund 100 000 Flaschen. Mit 149 Euro ist er für einen Luxuswein standesgemäß ausgepreist.
Die Wagner Family hält für ihre Cabernets bis heute an der Reinsortigkeit fest. Allerdings ist Chuck Wagner der Meinung, dass die perfekte Balance nur durch eine Mischung aus bottom valley fruit und mountain fruit zu erreichen ist. Demzufolge sind beide Caymus-Weine eine Cuvée aus warmen Tallagen und kühleren Hanglagen.
Die eigenen Rebflächen, die Caymus in Napa Valley besitzt, befinden sich fast ausschließlich in Rutherford um die alte Winery herum. Allerdings ist der Eigenbesitz auf rund 28 Hektar beschränkt. Der größte Teil der Trauben kommt folglich von gepachteten Weinbergen, die Caymus in eigener Regie bearbeitet.
„Wir sind berühmt für die Formel Frucht und Tannin“, machte Chuck Wagner den Gästen klar. „Die Säure ist uns nicht so wichtig.“
Vor allem die Special Selection ist ganz auf Fülle und Frucht fokussiert. „Um die Frucht optimal zum Ausdruck zu bringen, gehen wir voll in die Reife“ sagte Wagner und fügte hinzu: „Mit allen Konsequenzen.“
So bringt die Special Selection im großen Jahrgang 2007 zum Beispiel 15,2 Vol.% auf die Waage – ein Extremwein, bei dem die Papillen im Mund schnell ermüden. Das zu verhindern, brauchte es schon ein Rib Eye Steak rare mit grüner Pfeffersauce, wie Schubeck es dazu servierte.
Beim Tannin scheint der amerikanische Gaumen empfindlicher zu sein als beim Alkohol. Es reicht nicht, dass das Tannin reif ist. Seit 2004 entfernt Caymus als einzige Kellerei im Napa Valley auch die Traubenkerne aus der Maische. „Wir lieben keine Adstringenz, wir empfinden sie als bitter. Deshalb diese Maßnahme.“
Dieser Caymus-Stil, der im Gegensatz zum „europäischen“ Stil steht, wie ihn beispielsweise Opus One und Ridge Montebello praktizieren, spiegelt sich auch im einfachen Cabernet Sauvignon wider. Auch er ist durchzogen von weichem, kaum wahrnehmbaren, süßen Tannin.
Caymus’ Erfolg in den letzten 20 Jahren hat dazu geführt, dass die Wagner Family (die übrigens aus dem Elsass stammt) in andere Gebiete Kaliforniens expandiert ist und dort Rebflächen erworben hat bzw. Beteiligungen eingegangen ist. Im Salinas Valley im Pazifik-nahen Monterey besitzt die Familie mehr Rebflächen als im Napa Valley. Von dort kommt der Mer Soleil, ein mächtiger, im kleinen Holzfass vergorener, distinguierter Chardonnay, der sich in Deutschland zu Recht großer Beliebtheit erfreut. Auch Pinot Noir wird dort angebaut.
Chuck Wagners Premium-Pinots kommen jedoch aus Santa Barbara County. Die single vineyard-Weine, die unter dem brand Belle Glos auf den Marktkommen, zielen ebenfalls auf Fülle und Opulenz ab und weisen wenig spielerische Elemente auf: Taylor Lane, Las Alturas und Clark & Telephone. (letzterer wird bald auch in Deutschland auf den Markt kommen). Der Zweitwein Meiomi ist leichter und besitzt mehr Pinot-Elemente.
Insgesamt waren die Gäste von Chuck Wagner und seinen Weinen beeindruckt – auch wenn das eine oder andere Gewächs ihnen fremd geblieben ist. Helmut Ahollinger und Michael Freislederer, die beiden deutschen Importeure, waren jedenfalls hochzufrieden mit der Resonanz.
Zum Schluss noch eine Bemerkung: Die USA steht an sechster Stelle in der deutschen Weinimportstatistik. Zieht man die Weine von Gallo und von Constellation ab, schmilzt die Importmenge rasch um die Hälfte zusammen. Das heißt: Die hochklassigen kalifornischen Gewächse, um die sich in den USA Restaurants und Weintrinker reißen, kommen nur in homöopathische Mengen in Deutschland an. Das liegt sicher daran, dass Wein in den USA nicht einfach nur ein Genussmittel, sondern ein Statussymbol und Lifestyle-Produkt ist und preislich entsprechend großzügig kalkuliert wird. Es liegt aber auch am Stil der Weine, die für das europäische Weinverständnis oft zu mächtig, zu alkoholreich, zu reif sind, um die Gaumen der hiesigen Weintrinker dauerhaft zu reizen. Caymus ist dafür ein Beispiel.