Ca’Rugate: Billiger als ein Liegestuhl am Gardasee …

Etikett 2009 Ca'Rugate Campo Lavei
Offiziell ist der Campo Lavei ein einfacher Valpolicella. So steht es auf dem Etikett. Tatsächlich ist er eine Cuvée von Valpolicella und Amarone. Als solche passt er in keine der offiziellen Schubladen. Den echten Weinverstehern schmeckt er trotzdem. Genauer gesagt: gerade deswegen. Aber man muss kein Weinversteher sein, um zu merken, dass der 2009er Campo Lavei ein großer Wein für wenig Geld ist. Von Jens Priewe

Die Vero­ne­ser sind geschäfts­tüch­ti­ge Leu­te. Wenn es am hei­ßes­ten ist im Jahr und sie selbst an die Strän­de des Mit­tel­meers flie­hen, laden sie Bäs­se, Tenö­re und Sopra­ne ein, um sie in ihrer Are­na sin­gen zu las­sen. Schon kom­men die Frem­den zu Tau­sen­den in die Stadt, um dem Spek­ta­kel bei­zu­woh­nen. Statt men­schen­leer ist Vero­na dann voll. Und wenn die armen Gäs­te dann tags­über Erfri­schung am nahen Gar­da­see suchen und ein Lie­ge­stühl­chen brau­chen, sind die Vero­ne­ser auch nicht zim­per­lich, was das Peku­niä­re angeht.

Geschäfts­tüch­tig sind die Vero­ne­ser eigent­lich auch beim Wein. Den Ama­ro­ne, die­sen fest­li­chen, frü­her nur in Kleinst­men­gen erzeug­ten und ent­spre­chend teu­ren Wein haben sie zum Haupt­pro­dukt im hüge­li­gen Hin­ter­land der Stadt gemacht. Selbst klei­ne Win­zer sind durch ihn im Lau­fe der letz­ten zwei Jahr­zehn­te zu wohl­ha­ben­den Men­schen gewor­den. Sicher, in einem Ama­ro­ne steckt mehr Arbeit als in einem ein­fa­chen Val­po­li­cel­la. Bei 20 bis 30 Euro pro Fla­sche, oft auch mehr, winkt dafür eine hüb­sche Ren­di­te. Der Val­po­li­cel­la, frü­her der Brot- und But­ter­wein der Win­zer, ist über den Erfolg des Ama­ro­ne fast in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Die jun­ge Wein­trin­ker­ge­nera­ti­on kennt ihn kaum noch, die Älte­ren den­ken nur noch mit­lei­dig an ihn. Sie machen einen Bogen um die trau­ri­gen Exem­pla­re, die in den Rega­len der Super­märk­te ihr Dasein fristen.

Guter Valpolicella nicht leicht zu finden

Dabei gibt es ihn noch, den guten Val­po­li­cel­la clas­si­co oder Val­po­li­cel­la supe­rio­re. Man muss für ihn nur direkt zu den Win­zern gehen. Und man muss genau hin­zu­schme­cken. Das Wein­gut Ca’Rugate in Mon­tec­chia di Cro­sa­ra, rund 20 Kilo­me­ter öst­lich von Vero­na gele­gen, erzeugt zum Bei­spiel einen sehr guten Val­po­li­cel­la. Er leuch­tet rubin­rot, nicht hell­rot. Er ver­strömt den tie­fen Duft von Wald­bee­ren und Pflau­men und schmeckt nicht wie ver­dünn­ter Viel­frucht­si­rup. Er haf­tet am Gau­men und ver­rinnt nicht unbe­merkt hin­ter den Papil­len. Aller­dings ist er auch nicht für 2,99 Euro zu haben, son­dern kos­tet 7,50 Euro.

Trotz­dem: eine loh­nen­de Inves­ti­ti­on. Eine bes­se­re Inves­ti­ti­on tätigt frei­lich, wer noch ein paar Euro drauf­legt und eine Fla­sche Cam­po Lavei von Ca’Rugate ersteht. Die­ser Wein ist eine Cuvée aus den bes­ten Par­tien Val­po­li­cel­la mit 30 bis 40 Pro­zent Ama­ro­ne: ein herr­lich fruch­ti­ger, fast verschwenderisch-voller Wein mit wei­chem, gut ver­schmol­ze­nen Tan­nin, des­sen beson­de­res Kenn­zei­chen eine ganz zar­te, an Zimt und Kar­da­mom erin­nern­de Wür­ze ist. Bei 13,50 Euro fragt man sich, wo der Geschäfts­sinn der Ver­ant­wort­li­chen des Wein­guts geblie­ben ist, zumal die­ser Preis dem außer­ge­wöhn­lich guten Jahr­gang 2009 geschul­det ist. Nor­mal kos­tet der Wein noch weniger.

Der Cam­po Lavei besitzt die Fri­sche eines Val­po­li­cel­la, bringt aber wesent­lich mehr Kör­per mit mit und kommt ohne die marmeladig-süßen Töne eines Ama­ro­ne aus. Mit 14 Vol.% ist er wahr­lich nicht schwach auf der Brust,  besitzt dafür aber auch 33 Gramm Tro­cken­ex­trakt (für Ana­ly­se­trin­ker). Und 2009 war der bis­her bes­te Jahr­gang die­ses Weins – der größ­te des neu­en Jahr­hun­derts im Valpolicella.

Kein Ripasso-Wein

Übri­gens: Der Cam­po Lavei ist kein Ripasso-Wein: Bei die­sem Wein­typ, der in den letz­ten Jah­ren im Anbau­ge­biet um Vero­na einen stei­len Auf­stieg erlebt hat,  wird der schon durch­ge­go­re­ne Val­po­li­cel­la im März des auf die Lese fol­gen­den Jah­res noch ein­mal auf der Rest­mai­sche des Ama­ro­ne nach­ver­go­ren. Ein Ripas­so besitzt dadurch mehr Tan­nin und mehr Alko­hol, also mehr Struk­tur als ein ein­fa­cher Val­po­li­cel­la. Er kos­tet auch mehr. In der Hier­ar­chie steht er deut­lich über dem Val­po­li­cel­la, aber auch deut­lich unter dem Ama­ro­ne. Der Cam­po Lavei ist dage­gen eine ganz nor­ma­le Cuvée.

Im  Grun­de war es die­ser Ripas­so, der den guten Val­po­li­cel­la ver­drängt hat. Sein Auf­stieg darf aber nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass nicht alle Wein­erzeu­ger des Anbau­ge­biets vom Ripasso-Verfahren über­zeugt sind. Die bei­den Top-Erzeuger der Zone, Roma­no Dal For­no und Giu­sep­pe Quin­tar­el­li, leh­nen das Ripasso-Verfahren ab. Sie ver­schnei­den lie­ber Ama­ro­ne und Val­po­li­cel­la direkt. Ande­re hal­ten es ähn­lich, auch Ca’Rugate. Durch das noch­ma­li­ge Ver­gä­ren kommt näm­lich der bereits fer­ti­ge, aber noch unge­schwe­fel­te und damit unge­schütz­te Val­po­li­cel­la mit Sau­er­stoff in Berüh­rung (Gär­he­fen brau­chen Sau­er­stoff).  Das macht, dass Ripasso-Weine oft etwas unfrisch, im wei­tes­ten Sin­ne oxi­diert schmecken.

Ca’Rugate berühmt für seinen Soave

Ca’Rugate ist ein mit­tel­gro­ßes Fami­li­en­wein­gut. Es liegt in der Soave-Zone und erzeugt etwa eine hal­be Mil­li­on Fla­schen. Bis vor zehn Jah­ren wur­de nur Weiß­wein pro­du­ziert. Auch heu­te lebt die Inha­ber­fa­mi­lie Tes­sa­ri noch haupt­säch­lich vom Soave. Schon ihr ein­fa­cher Soave legt Ehre für die­se einst stol­ze, heu­te etwas in Ver­ruf gera­te­ne Appel­la­ti­on ein, die von dem alber­nen Lugana-Hype über­rollt wor­den ist. Zwei ihrer bes­se­ren Weiß­wei­ne haben letz­te Woche gera­de die 3 Glä­ser vom wich­tigs­ten ita­lie­ni­schen Wein­füh­rer Gam­be­ro Rosso erhal­ten, die höchs­te Auszeichnung.

Zum Rot­wein kam Ca’Rugate erst vor gut zehn Jah­ren. Durch Erb­schaft fiel den Tes­sa­ri ein Wein­berg im Val­po­li­cel­la zu. 2001 erzeug­ten sie dort den ers­ten Ama­ro­ne, wenig spä­ter den ers­ten Cam­po Lavei. Zwar stel­len die Tes­sa­ri auch noch einen Ripas­so her, doch intern sind die Fami­li­en­mit­glie­der über­zeugt, dass eine Cuvée wie beim Cam­po Lavei die bes­se­re Alter­na­ti­ve ist: „Ein gro­ßer Wein für wenig Geld“, nennt ihn Miche­le Tes­sa­ri, der Öno­lo­ge. Recht hat er. Sogar erschre­ckend wenig Geld im Ver­gleich zu den Prei­sen für Lie­ge­stüh­le und Son­nen­schir­me am Gardasee.

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